29. Mai 1917

156 19 2
                                    

Liebster Luis,

von allen Briefen, die ich Dir bis jetzt geschrieben habe, war dieser mit Abstand am schwierigsten zu formulieren. Mein Kopf ist leer. Bitte setze Dich, bevor Du diesen Brief weiter liest.

Ich weiß nicht wie ich es Dir schonend beibringen soll. Anna hat uns verlassen. Sie ist tot, Deine kleine unschuldige Tochter. Sie starb nicht durch ihr schwaches Herz. Sie war dort nicht so gut aufgehoben, wie ich dachte.

Ich dachte, sie wäre dort sicher gewesen. Ich dachte, ich hätte ihr geholfen. Ihr wurde etwas schreckliches angetan. Ich kann es nicht ausschreiben.



Meine Welt ist zerstört. Ich verkrafte das nicht. Ich halte das nicht mehr aus! Ich kann nicht essen. Nicht trinken. Nicht schlafen. Ich weine und zittere, während ich das hier schreibe. Aber ich muss es jetzt schreiben. Du musst es erfahren. Sie ist tot. Es ist meine Schuld. Ich hätte auf Tom hören sollen. Ich hätte sie dort raus holen sollen. Sie würde noch am Leben sein. Hätte ich auf ihn gehört.

Ich wollte doch nur das Beste für sie. Ich dachte, ich würde sie retten. Aber ich habe sie nicht gerettet. Ich habe sie getötet. Ich habe meine eigene Tochter getötet.

Bitte, mein liebster Ehemann, verzeih mir!

Ich wollte doch nur das Beste für sie. Für unsere Tochter. Unsere tote Tochter.


In Liebe und Trauer,

Deine Charlotte

Briefe an die FrontWo Geschichten leben. Entdecke jetzt