31. Mai 1917

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Liebster Luis,

ich kann es Dir nicht verübeln. Dass Du Dich nicht meldest. Dass Du mich hasst. Ich hasse mich ja selbst. Glaub mir, ich hasse mich selbst mehr, als Du es jemals könntest.

Ich war blind. So blind und es tut mir so leid. Es tut mir so unfassbar leid. Sie ist tot. Sie ist tot, und völlig egal wie oft ich mich entschuldige, wie sehr ich mich dafür hasse, sie wird nie wieder lebendig werden. Und das ist meine Schuld. Meine. Ich würde alles geben. Alles was ich besitze, mein Leben. Aber selbst das würde keine Verbesserung bringen. Es würde sie nicht wieder zum Leben erwecken. Nichts könnte das.
Und das ist meine Schuld.

Erst ein paar Tage ist es her. Dennoch kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht schlafen kann. Ich ertrinke in meiner Schuld. Ich ertrinke, weil ich nicht damit leben kann. Ich kann nicht damit leben, meine eigene Tochter getötet zu haben. Wie könnte ich?! Was bin ich für ein Mensch? Ich dachte einmal, ich wäre ein guter Mensch. Was ist aus mir geworden? Luis, was ist nur geschehen?
Ich bin am Ende. Ich bin nicht fähig damit zu leben. Ich habe keine Kraft mehr.

Ich hasse mich für das, was ich getan habe.
Du hasst mich, weil ich schuld an dem Tod Deiner einzigen Tochter bin.
Tom hasst mich, weil ich ihn abgehalten habe, als er sie retten wollte. Ich habe ihn davon abgehalten, sie zu retten.
Ich sehe keinen Sinn mehr. Ich sehe kein Licht mehr.

Ich bitte Dich nicht um Vergebung. Wie könnte ich Dich um etwas bitten, was ich selbst niemals können werde?! Nein, ich bitte Dich darum, zu schreiben. Tom. Nicht mir. Ich habe es nicht verdient. Aber er. Er braucht Dich.

Charlotte

Briefe an die FrontWo Geschichten leben. Entdecke jetzt