Get well soon - Tsukishima

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Ein klägliches Schniefen, gefolgt von einer kitzelnden Nase und einem kaum zu überhörenden Niesen.
Resigniert knüllte ich das Taschentuch zusammen und katapultierte es in die Zimmerecke, direkt zu seinen Vorgängern, welche auf einem Haufen gestapelt vor sich hin vegetierten. Dass der Mülleimer nur Zentimeter nebenan stand war mir ziemlich egal. Erneut schniefend drehte ich mich auf den Rücken und zog mir die blaue Bettdecke bis unter die Nase.

Ich hasste es krank zu sein.


Wenn man krank war, war selbst das kleinste Bisschen Bewegung zu viel. Die Glieder ächzten, der Hals kratzte und der Kopf schmerzte. Zudem meinte die Nase sich selbstständig machen zu müssen, wenn man denn überhaupt mal Luft bekam. Von dem unangenehmen Erscheinungsbild mal ganz abgesehen: Meine Haare sahen aus wie ein wild gebautes Vogelnest, meine Augen waren glasig und meine Lippen rissig und ausgetrocknet. Und in der Mitte meines bleichen Gesichts prankte eine riesige, rote Knollennase, wund von den vielen Taschentüchern. Irgendwann konnten auch die Ultra-Sensitiv-Pflegetücher nichts mehr ausrichten.
Ich zog die Augenbrauen entnervt zusammen und ließ das Handy sinken. Eigentlich wollte ich nur nach der Uhrzeit schauen, doch stattdessen sprang mir aber förmlich mein scheintotes Spiegelbild ins Auge.

Ich hasste es so sehr.

Der Tag zog sich dahin und, während alle meine Freunde in der Schule waren, lag ich hier eingewickelt wie eine Frühlingsrolle und ausgestattet mit einer kleinen Privatapotheke und starrte die Wand an. Anfangs war es noch ganz amüsant die bunten Sprenkel der Tapete zu betrachten oder die aufgeklebten Leuchtsterne an der Decke zu zählen, aber irgendwann wurde selbst das langweilig. Es war erstaunlich, aber irgendwie wünschte ich mir nichts sehnlicher als langweilige Mathematikstunden und anstrengende Sportlektionen über mich ergehen zu lassen, wenn es bedeutete, dass ich wenigstens etwas zu tun hatte. Hin und wieder klopfte es an der Tür und entweder meine besorgte Mutter oder meine zum Aufpassen verdammte ältere Schwester streckten ihren Kopf durch den schmalen Spalt der Tür, um sich zu versichern, dass ich noch lebte. Für einen kurzen Augenblick bequemte sich sogar unsere Katze in mein Zimmer, um mir zusammengerollt auf meiner Bettwäsche Gesellschaft zu leisten. Doch auch diese hatte relativ schnell das Weite gesucht. Treulose Tomate!
Hustend tastete ich nach meinen Kopfhörern, um diese in mein Handy einzustöpseln und der Stille in meinem Zimmer zu entkommen. Vorsichtig drückte ich mir diese in die Ohren und schaltete wahllos eines der vielen Lieder per Zufallswiedergabe ein.
Das Wetter draußen hatte sich meiner Laune angepasst. Am Morgen war es nur teilweise bewölkt und das blass sanfte Januarlicht hatte die Dächer der Nachbarschaft bestrahlt, welche ich von meinem Fenster aus sehen konnte. Jetzt hingegen prasselten die ersten Regentropfen des angekündigten Nachmittagsschauers gegen die Fensterscheibe und schlängelten sich ihren Weg hinab. Von dem vor zwei Tagen urplötzlich aufgekommenen Schnee waren nun keinerlei Spuren mehr zu sehen. Nur noch hier und da konnte man einen kläglichen Rest an den Straßenseiten erkennen, grauer Matsch auf grauem Asphalt.
Ich war bei dem fünften Lied der Liste angekommen, als es erneut an der Tür klopfe. Augenblicklich zog ich einen der Kopfhörer aus meinem Ohr und blickte auf. „Ja?"
„(f/n), da sind ein paar Freunde von dir, die dich besuchen wollen", informierte mich meine Schwester, wirkte allerdings mehr als nur genervt, dass sie geschickt wurde, um den Botschafter zu mimen. Kaum, dass sie dies ausgesprochen hatte, wurde die Holztür noch weiter geöffnet und gefolgt von einem voranstürmenden, quirligen Rotschopf trat beinahe die gesamte Volleyballmannschaft meiner Schule ein, der Karasuno High School. Augenrollend zog meine Schwester die Tür hinter ihnen zu und trat „Jugend" vor sich her murmelnd den Rückzug an. Vermutlich vor den Fernseher, um ihre Lieblingsserie zu schauen, welche immer nachmittags ausgestrahlt wurde.
„(l/n)!", strahlte Hinata, als er meinen verwuschelten Kopf im Kissenberg ausmachte, musterte mich allerdings gleich daraufhin besorgt, „Wir haben gehört, dass du krank bist..."
„Gute Besserung, (l/n). Wir haben dir etwas mitgebracht", klinkte sich Sugawara schließlich ein und unterbrach Hinatas verwirrenden Redefluss, woraufhin dieser schmollend zurücktrat. Alle anderen stimmten in die Genesungswünsche ein und zu guter Letzt servierte man mir auch ein paar Brötchen, welche Daichi aus dem Kiosk nahe der Schule spendiert hatte. Dazu gab es Eis und diverse andere Süßigkeiten, mit der Begründung, dass ich so wieder schnell gesund wurde. Auch, wenn meine Halsschmerzen mich daran hinderten allzu viel zu reden, freute ich mich sehr über den Besuch meiner Freunde und die Fürsorglichkeit dieser. Wenngleich Kageyama eher stillschweigend in der Ecke auf meinem Schreibtischstuhl saß und vor allem Nishinoya und Hinata den Vortritt bezüglich des Unterhaltungsprogramms ließ. Zwischendurch klinkte sich auch noch Tanaka ein und warf hier und da einige Kommentare dazwischen. Sugawara verabschiedete sich relativ schnell wieder, da er sich mit Daichi und Asahi, welche gar nicht erst mitgekommen waren, zum Lernen verabredet hatte.
Nach und nach traten auch die anderen wieder den Heimweg an. Bevor Yamaguchi mit Hinata als letztes den Raum verließ, hielt ich ihn am Ärmel seiner Traingsjacke zurück.
„Ist was (f/n)?", wollte der Braunhaarige wissen und blieb verwundert stehen. Unter einem erneuten Hustanfall richtete ich mich auf und zupfte mir vorsichtshalber den Mundschutz über die Lippen, welcher bis gerade eben locker über meinem Schal um meinen Hals gebaumelt hatte. „Weißt du, wo Kei ist?"
Alle, mit Ausnahme der vielbeschäftigten Drittklässler waren wenigstens kurz vorbei gekommen, doch der, von dem ich es mir am meisten gewünscht hätte, hatte sich hier nicht blicken lassen: Mein so genannter Freund.

Yamaguchi schien im ersten Moment ertappt und zuckte kurz zusammen, sammelte sich allerdings recht schnell wieder und hob die Achseln. „Tsukki? Ich hab ihn seit dem Training nicht mehr gesehen."
Ich wusste, dass er mehr wusste, als er zugab, doch sein Blick, welcher einem scheuen Reh glich, verriet, dass Tsukishima ihn definitiv umbringen würde, wenn er mir dies preis gab.
„Aha. Ich liege im Sterben und mein kaltherziger Freund hält es nicht mal für nötig mich zu besuchen", stellte ich leicht beleidigt fest, entließ den Stoff von Yamaguchis Jacke aus meinem Griff und sank zurück in die Kissen.
„Tust du nicht", drang eine recht monotone Stimme vom Türrahmen her zu uns herüber, in welchem Tsukishima lehnte, in einer Hand eine Plastiktüte und in der anderen seine Brille, deren Gläser aufgrund des Temperaturunterschieds von draußen zu drinnen angelaufen waren.
Entschuldigend warf Yamaguchi mir einen Blick zu, ehe er Hinata hinaus folgte und ich schließlich mit dem Blonden alleine war. Dieser stieß sich von der Holzleiste ab und kam auf mich zu, während er sich das Brillengestell wieder auf die Nase setzte.
„Tue ich wohl", brummelte ich schniefend und tastete nach der Taschentuchpackung, welche irgendwo in meiner Nähe auf der Matratze liegen musste. Als ich diese endlich zu fassen bekam, war diese leer, sodass ich sie stöhnend zu den anderen Papiertuchleichen schleuderte und vor mich hin schimpfte.
Tsukishima zog eine neue Packung aus seine Jackentasche hervor und drückte diese mir in die Hand. „Sei nicht albern, (f/n). Du hast bloß eine Erkältung, davon stirbt man nicht."
Sein betont sachlicher Ton ohne jegliche Regung von Mitgefühl nervte mich, weshalb ich mich mit dem Taschentuch an der Nase auf die rechte Seite drehte und ihm den Rücken zuwandte. „Ein bisschen Mitleid ist auch zu viel verlangt oder?"
Meine genäselten Worte klangen leicht trotzig, woraufhin der Blonde ein lautes Seufzen von sich gab. Kurz darauf beulte sich die Matratze neben mir aus und ich spürte eine leichte Wärme an meinem Rücken, als er sich über mich beugte und mir einen leichten Kuss auf die Schläfe drückte, eine Haarsträhne des Vogelnests hinters Ohr streichend.
„Geht doch", zufrieden rollte ich mich wieder zurück, „Du bist spät."
„Ich hatte zu tun."
„Na danke. Was soll denn das heißen?"
„Was es eben heißt."
„Das ist keine Antwort!"
„Das war auch keine richtige Frage."
„Du bist ein Idiot."
„Und du ein kleines Kind."
Empört schnaubte ich auf, nieste daraufhin allerdings lautstark und fasste mir an den schmerzenden Kopf. Tsukishima hatte sich unterdessen der Plastiktüte zugewandt und öffnete begleitet von leisem Rascheln den Knoten von dieser, ehe er kurz darauf eine Schüssel auf meinen Nachttisch stellte, neben die gesamten Dinge, die ich von den anderen bekommen hatte. Er betrachtete diese kurz und zog seine Augenbrauen missfallend zusammen, sagte aber nichts.
„Was ist das?", fragte ich und lugte neugierig hinüber zur Schüssel. Der Blonde ließ sich kurz Zeit, um zu antworten.
„Suppe", gab er schließlich zurück und zog den Deckel ab, damit ich den Inhalt begutachten konnte.
„Sag nur, dass du deshalb so spät warst."
„Nicht wirklich", erwiderte er, allerdings glaubte ich einen leichten Rotschimmer auf seinen Wangen zu erkennen. Also das hatte er getrieben und deshalb sollte Yamaguchi nichts sagen. „Wie auch immer. Ich wärme sie dir eben auf."
Er erhob sich vom Bett, griff nach der Schüssel und steuerte meine Zimmertür an. Auf die Ellenbogen aufgestützt blickte ich ihm nach. „Kei?"
Der Angesprochene blickte fragend über seine Schulter zu mir hinüber und zog abwartend eine Augenbraue in die Höhe.
„Danach will ich Pudding."
„Ich weiß. Hab ich mitgebracht."
Mit diesen Worten verschwand er durch die Tür und ließ mich lächelnd zurück. Manchmal, aber nur manchmal konnte er wirklich süß sein.
Während ich so vor mich hin grinste, überkam mich ein neuer Hustanfall und schüttelte meinen Körper, sodass ich resigniert zu den Tabletten griff.

Ich hasste es krank zu sein. Aber, wenn Tsukishima vorbei kam, um nach mir zu sehen, war es nur halb so schlimm.


Anmerkung der Autorin:
Ich bin krank, also gibt es hier einen kleinen OS dazu. ^^''
(l/n) -> Nachname | (f/n) -> Vorname
Haikyuu!!: Haruichi Furudate
Reader: Du
Story: Meins


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