Mistletoe - Asahi

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Träge beobachtete ich, wie mein Atem sich in kleinen Rauchwolken gen Himmel kringelte und im Grau der Wolken zu verschwinden schienen. Ein Frösteln überkam mich und ich vergrub meine Nase tiefer in dem dunkelgrünen Stoff des Schals, welchen ich eng um meinen Hals geschlungen hatte. Allerdings brachte das nicht viel, um meine klammen Glieder zu erwärmen. Ebenso wenig, wie die Handschuhe, welche meine in der Jackentasche steckenden Hände bedeckten. Obwohl es erst Anfang November war, waren die Temperaturen so stark gesunken in den letzten Tagen, dass bereits die ersten Schneeflocken ihren Weg auf die Dächer und Straßen der Stadt gefunden hatte. Und es sah nicht danach aus, dass die flache Schneeschicht in den nächsten Tagen wieder verschwinden würde. Auf der einen Seite freute ich mich, denn die weißen Flocken kurbelten meine Vorweihnachtsfreude um einiges an und ich hatte noch mehr Freude daran mich jetzt schon von winterlichen Dingen berieseln zu lassen. Auf der anderen Seite kam mir diese klirrende Kälte nicht wirklich gelegen. Jedenfalls nicht, wenn man vor hatte eine längere Zeit stehend außerhalb von beheizten Räumlichkeiten zu verbringen. Erneut überkam mich ein Schauer und ich spürte deutlich, wie sich die feinen Härchen auf meinen Armen trotz dick geschichteten Lagen aufstellten. Langsam wurde ich ungeduldig, wippte abwartend auf der Stelle hin und her, von der Ferse, auf die Fußballen und wieder zurück, während ich die Schaufenster auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Einkaufstraße betrachtete. So lange, bis ich eine Gestalt aus dem Augenwinkel vernahm, welche sich zu mir gesellte. Meine Augen wanderten zu der Person neben mir, stieß einen Seufzer aus.
"Da bist du ja endlich!"
"...tut mir Leid. Irgendwie war mehr Betrieb als erwartet", entschuldigte Yachi sich und blickte mir schuldig entgegen, während sie den Grund für ihren Einkauf in der schimmernden roten Tüte mir den kleinen Rehntieren darauf eng an ihre Brust drückte. Ich zuckte daraufhin nur leicht grinsend mit den Schultern, eine "Selber-Schuld"-Geste, und wandte mich zum Gehen, woraufhin die Blonde schritthaltend neben mich trat. "Das kommt davon, wenn man meint am 22. noch Geschenke kaufen zu müssen. Der Termin für die Weihnachtsfeier des clubs stehts schon wie lange? Vier Wochen?", zog ich sie auf und lachte. Verteidigend presste sie die Tierchen auf der Verpackung enger gegen ihren violetten Parka. "I-ich hab's halt bloß vergessen!"
"Das sagen sie alle."
"(f/n)!"
"Ist ja gut." Auf Yachis empörtes Ausrufen hob ich schließlich beschwichtigend beide Hände, ehe ich diese wieder in meine Jackentaschen verschwinden ließ, um sie nicht länger der kalten Luft als nötig ausgesetzt zu lassen. Den restlichen Weg zurück zur Schule bestritten wir lediglich mit seichtem Geplänkel, während von allen Seiten der Stadt weihnachtliche Lichter entgegen blinkten und Gebäude und Auslagen zum Funkeln brachten. Sogar die Straßenlaternen an den Gehwegen waren festlich eingekleidet und trugen zu dieser Zeit des Jahres eine schicke dunkelarote Schleife mit einem passenden Weihnachtsstern daran, welcher bei Einbruch der Dunkelheit eingeschaltet werden würde. Auch der Clubraum war dementsprechend geschmückt, jedenfalls sah es weihnachtlich aus, als wir ihn betraten. Die Papiersterne waren zwar etwas zerdrückt und die Lichterketten um den improvisierten Tannenbaum aus Kunstnadeln hingen etwas schief daran, doch man konnte die Mühe erkennen, die die Jungs sich gemacht hatten. Angenehme warme Luft schlug uns entgegen und ein wohliger Seufzer überkam meine Lippen, als ich diese auf meiner kühlen Haut spürte. Sugawara, der gerade die letzte Kugel an dem grünen Geäst anbrachte und nebenher versuchte einen auszubrechen drohenden Streit zwischen Kageyama und Hinata zu schlichten, bemerkte unsere Ankunft als erstes und lächelte uns freundlich zu. Allerdings verrutschte die Miene sogleich wieder, als er handeln und zwischen die beiden hitzköpfigen Erstklässler treten musste. Sawamura, welcher gerade mit Kiyoko und zwei Schalen voll frischer Plätzchen um die Ecke bog warf den beiden einen düsteren Blick zu. Doch es schien sie äußerst wenig zu kümmern. Auch nicht Sugas "Hört sofort auf ihr Zwei oder Daichi wird böse!" brachte nicht viel. Wortlos drückte er der Schwarzhaarigen Managerin seine Schale in die Hand und durchmaß in großen Schritten den Raum, um sich höchstpersönlich um die beiden Streithähne zu kümmern. Tsukishima und Yamaguchi beobachteten das Ganze aus einiger Entfernung heraus, doch das "Wie dumm" seitens des Blonden war deutlich zu hören. Unterdessen hatten Tanaka und Nishinoya die Schale mit den Backwaren entdeckt, welche zeitgleich auch noch von ihrer wunderbaren Kiyoko dargeboten wurden und versuchten sich demnach die ein oder andere Leckerei daraus zu stibitzen. Die Schwarzhaarige wehrte die beiden allerdings ohne Probleme ab und Ennoshita kümmerte sich um den Rest. Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus bei dem Anblick des regen Aufruhrs hier. Es war irgendwie amüsant, chaotisch, aber trotzdem machte es Spaß sich um den wilden Haufen zu kümmern. Neben Yachi und Kiyoko war auch ich Teil des Managerteams, wenngleich mehr auf Aushilfsbasis.
"Hallo zusammen", trällerte ich schließlich, während ich im Gehen meine Jacke öffnete und mich aus Schal und Handschuhen schälte und schließlich mein ebenfalls mitgebrachtes Geschenk auf den kleinen Haufen neben eines der Regalfächer zu den anderen stellte. Yachi tat es mir gleich, wenngleich ihre Begrüßung ein wenig leiser ausfiel.
Wie in anderen Clubs der Schule auch gab es jedes Jahr eine kleine interne Weihnachtsfeier unter den Mitgliedern und dieses Jahr hatten wir beschlossen zu wichteln. Vor Wochen hatten wir bereits Zettelchen gezogen, um zu sehen, wen wir dieses Jahr beschenken würden und es wurde ein kleiner, beschaulicher Geldbetrag festgelegt, damit alle Geschenke einen selben, erschwinglichen Wert hatten und sich niemand benachteiligt fühlte. Ich freute mich darauf, denn es war eine schöne kleine Geste, um seinen Mitmenschen eine kleine Freude zu machen. Obwohl ich schon einige Probleme und auch Bedenken bezüglich der Person hatte, die ich gezogen hatte; und das nicht nur in einer Hinsicht. Da es sich dabei um eine für mich besondere Person handelte, wollte ich natürlich auch ein dementsprechend besonderes Geschenk für diese besorgen. Meine Freunde konnten jedenfalls ein Lied von meinen Sorgen singen, denn ich lag ihnen wochenlang in den Ohren und beklagte mich.
Als schließlich augenscheinlich alle Mitgelieder des Volleyball-und des Managerteams eingetroffen waren, sollte die kleine Bescherung beginnen. Es folgte ein wildes Durcheinander bis jeder sein Geschenk aus dem Stapel wieder gefischt hatte und man sich einen Sitzplatz ausgesucht hatte. Kurz, bevor man beginnen wollte, wurde beschlossen, dass Weihnachtsmusik fehlte und so spielte man kurzerhand per Internet und Smartphone die festliche Melodien ab. Ein letztes Mal versichterte sich Daichi, dass alle Platz genommen hatten, stoppte allerdings. "Wo ist Asahi?", erkundigte er sich und auch der Rest blickte sich kurz um. Auch ich war mir sicher den Braunhaarigen zuvor schon gesehen zu haben, denn er war es, dem ich mein Geschenk geben würde. Deshalb war auch ich sehr verwundert ihn nicht in unserem Kreis sitzen zu sehen.
"Keine Ahnung", kommentierte Hinata achselzuckend und aus den Augenwinkeln konnte ich Nishinoya und Tanaka kichern sehen.
"Asahi?"
"...."
"Asahi? Wir wollen anfangen, wo steckst du?"
"...f-fangt ruhig schon mal ohne mich an. I-ich komme gleich", ertönte schließlich aus einem der hinteren Ecken die Stimme des Dunkelhaarigen.
"Kommt gar nicht in Frage. Wir fangen erst an, wenn alle da sind. Also komm her und setz dich hin!"
"..."
Es folgten ein paar sehr schweigsame Sekunden, durchbrochen lediglich durch das stete Getuschelt des Zweitklässlerduos, ehe Asahi schließlich zögernd um die Ecke kam. Ich war mit Sicherheit nicht die Einzige deren Blick als aller erstes zu dem unübersehbar kitschigen Rehntiergeweih auf seinem Kopf wanderte, dessen Glöckchen fröhlich bei jedem Schritt vor sich hin klingelten.
"Schick siehst du aus!", kommentierte Noya grienend und gab seinem Sitznachbarn ein zufriedenes Highfive. Es wunderte mich jedenfalls nicht, dass die beiden hinter dieser Idee steckten, wenngleich ich das Ganze irgendwie mit Niedlichkeit verband. Peinlich berührt und auf den Kommentar schweigend ließ sich der Drittklässler schließlich auch in unserem Sitzkreis nieder und schließlich konnte es los gehen. Wir beschlossen eine Person auszuwählen, die beginnen würde ihr Geschenk weiterzureichen. Daraufhin würde die beschenkte Person weiter machen, sodass wir eine Art Schema bekamen und dadurch niemand vergessen wurde. Die Reaktionen auf die Geschenke fielen sehr unterschiedlich aus: Suga, der von Daichi ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Mum" bekam, lief regelrecht rot an. Kurz darauf erhielt Sawamura von Hinata eine Tasse mit dem Aufdurck "Dadchi", woraufhin er ähnlich verlegen reagierte und den Gegenstand schnell im Inneren seiner Sporttasche verschwinden ließ. Nishinoya und Tanaka waren sichtlich entsetzt, als Kinoshita Kiyokos Geschenk entgegen nahm. Tsukishima erhielt von Yamaguchi ein Brilleputztuch mit einem niedlichen Dinosaurierdruck und, auch, wenn seine Miene sich nicht allzu viel verzog, konnte man durchaus Zufriedenheit in seinen Augen erkennen, als er dieses faltete und in die Taschen seiner Trainingsjacke steckte.
Gerade drückte mir Kageyama hastig sein Geschenk in die Hand und wandte unsicher den Blick ab, während ich die mehr schlecht als recht zugeklebte Verpackung öffnete und einen kleinen Schlüsselanhänger in Form eines Volleyballs erhielt. Schmunzelnd darüber bedankte ich mich und befestigte diesen sogleich an meinem Schlüsselbund, um ihm zu zeigen, dass ich das Geschenk durchaus zu schätzen wusste. Danach griff ich nach meinem kleinen Päckchen und suchte Asahis Blick, während ich ihm mit leicht zittrigen Fingern dieses überreichte. Es sah vielleicht nicht nach viel aus, aber der Inhalt hatte mich wirklich einiges an Nerven gekostet. Der Braunhaarige, welcher bis jetzt jeglichen Blickkontakt zu allen vermieden hatte, nahm das Geschenk etwas verwundert und zögernd entgegen.
Rasch kehrte ich auf meinen Platz zurück und ließ mich neben Yachi nieder, während ich unsicher und mit klopfendem Herzen seine Reaktion beim Auspacken beobachtete; ähnlich wie es Kageyama zuvor bei mir getan hatte. Der letzte Rest der Verpackung wich und zum Vorschein kam die etwas unförmig gewordene Form des kleinen Teddybärs, welchen ich selbst genäht hatte; irgendwie fand ich, dass solch ein Plüschtier perfekt zu ihm passte. Meine Finger hatten es mir jedenfalls gedankt und tagelang zierten unterschiedliche Pflaster die Kuppen, da ich mich, ungeschickt wie ich war, oft genug gestochen hatte.
Ein freundliches Lächeln huschte über seine Miene. "Danke, (l/n)."
"Gerne", erwiderte ich und es schien, als wäre mir ein Stein vom Herz gefallen.
Danach plätscherte die Feier so vor sich hin, es wurde viel gelacht und gegessen. Als es draußen dunkel wurde und die Lichter die Umgebung beleuchteten, beschloss ich mich auf den Heimweg zu machen.
Ich suchte meine Sachen zusammen, verabschiedete mich von den anderen und trat hinaus an die frische Luft. Die Kälte erfasste mich unvorbereitet und ein Zittern ging durch meinen Körper, während ich versuchte die einzelnen Bestandteile meiner Kopfhörer auseinanderzuziehen und die Knoten zu lösen, die sich auf wundersame Weise in meiner Tasche geformt hatten. Als ich das leise Klicken der Tür und sacht voranschreitende Schritt vernahm wandte ich mich neugierig um. Asahi war nach draußen getreten und gesellte sich zu mir, die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben.
"Ist noch etwas?", erkundigte ich mich freundlich, das Klopfen im Inneren meiner Brust ignorierend. Wäre hier jetzt irgendwo noch ein Mistelzweig würde ich mir vorkommen wie in einer dieser romantischen Seifenopern, die man aus dem Vorabendprogramm kennt.
"Ich wollte mich nur nochmal richtig bedanken für das Geschenk. Es hat mich wirklich gefreut."
"Wie gesagt, gerne. Ich freue mich, wenn man so etwas zu schätzen weiß."
Zwischenzeitlich standen wir uns nun direkt gegenüber und ich musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufblicken zu können. Wir schwiegen und die heitere Stimmung von drinnen drang zu uns. Ich würde gerne noch etwas sagen, aber mir fiel partout nichts ein. Außerdem beschlich mich das Gefühl, dass wir beobachtet wurden und etwas in mir drängte mich doch einfach zu gehen, statt mich den Blicken ausliefern zu müssen. Immer wieder blickte ich verstohlen hinter Asahis Gestalt, doch erkennen konnte ich nicht. Alle schienen immer noch mit sich selbst beschäftigt.
"Tja, ich sollte los", brach ich schließlich doch die Stille, um wenigstens irgendetwas zu sagen und diese seltsame Atmosphäre loszuwerden. Mein Gegenüber schien durch das Erklingen meiner Stimme auch aus seinen Gedanken aufzutauchen und räusperte sich verlegen. "Ja, klar. Frohe Weihnachten, (l/n)."
"Danke...das wünsche ich dir auch", erwiderte ich, "Im Übrigen steht dir das Geweih. Ich finde es toll, ehrlich."
"A-ah, danke."
Hinter uns wurden die Stimmen lauter. Offenbar hatten wir so lange vor der Tür gestanden, dass schließlich auch einige der anderen herausgekommen waren, um ihren Heimweg anzutreten. Die Gespräche verebbten bei unserem Anblick, wenngleich ich nicht wusste, was daran verwundernd war. Noya trug wie eh und je sein breites Grinsen und deutete mit einem Nicken nach oben, über unsere Köpfe, ehe er Asahi im Vorbeigehen einen Klaps verpasste und Tanaka hinter sich her schleifte. Mein Gegenüber folgte Nishinoyas Blick und erstarrte, die Augen groß. Ich tat es ihm gleich und spürte sogleich wie sich eine Menge Blut in meinen Wangen sammelte.
Erinnert ihr euch nach daran, dass ich von Klischees und Mistelzweigen gesprochen habe? Klischeehafter ging es wirklich nicht mehr.
"Witzig, nicht?", brachte ich schließlich leise und verlegen lachend hervor und zupfte an meinem Schal herum, da ich nicht wusste wohin mit meinen Händen. Asahi nickte zögernd, während er sich im Nacken kratzte. "Ja, schon."
Ich blickte mich kurz um, nach links, nach rechts, und als ich sah, dass keiner der anderen hier draußen in der Nähe war, stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
Danach wandte ich mich rasch ab, dankte den Leuten, die das Geäst zuvor dirt aufgehängt hatten und schritt zu meiner Bahnstation, während ich noch ein "Wir sehen uns nach den Ferien!" rief und in mich hineingrinsend durch die seichte Schneeschicht stapfte, die sich bereits gesammelt hatte.


Anmerkung der Autorin:
Miep? Ich lebe auch noch und nach einer wahren Ewigkeit poste ich hier auch wieder was. Größtenteils war ich ideenlos, aber auch ziemlich beschäftigt mit Uni und so weiter. Aber ein Weihnachtsgeschichtchen wollte ich doch schreiben, wenngleich ich nicht so ganz zufrieden bin. Aber ja, ich wünsche euch trotzdem viel Spaß beim Lesen und schöne Feiertage. :3

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Haikyuu!!: Haruichi Furudate
Reader: Du
Story: Meins


Haikyuu!! - To Go [OS Sammlung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt