"Tschüss, ihr zwei. Wir sehen uns nächste Woche. Lasst euch nicht von der schwarzen Frau erwischen."
Verabschiedend winkten uns Koganegawa und Sakunami zu, wobei Ersterer von dem braunhaarigen Libero einen kräftigen Schlag gegen den Arm bekam, als Reaktion auf seine unnötige Anspielung im letzten Teil des Satzes. Futakuchi neben mir verdrehte nur leicht grinsend die Augen daraufhin und hob ebenfalls die Hand zum Abschied. Kurz darauf trennten sich unsere Wege und die beiden Erstklässler waren bereits durch den Eingang der Unterführung gehuscht.
Während der Braunhaarige neben mir immer noch leicht amüsiert über Koganegawas Aussage zu sein schien und vor sich hin grinsend mit den Händen in den Taschen seiner Jogginghose versunken, musterte ich ihn fragend von der Seite.
"Wer oder was ist die schwarze Frau?", verlangte ich alarmiert zu wissen, die Augenbrauen in die Höhe gezogen. Das Ganze hörte sich verdächtig nach einer Gruselgeschichte an und, wenn ich eines nicht mochte, dann waren es Gruselgeschichten. Vor allem dann, wenn die Nacht bereits längst hereingebrochen war und nur Straßenlaternen uns den Heimweg leuchteten.
In seinem Gedankengang unterbrochen wandte Futakuchi sein Gesicht in meine Richtung, den Kopf leicht schief gelegt: "Willst du das wirklich wissen, (l/n)?"
Ich brauchte keine Sekunde, um zu antworten. "Nein, du hast recht. Vergiss, dass ich überhaupt gefragt habe", kommentierte ich hastig, die Hände abwehrend erhoben, doch der Braunhaarige schien mir gar nicht zugehört zu haben. Stattdessen hatte er seine Augen von meiner Gestalt gelöst und blinzelte in den bewölkten Nachthimmel, immer wieder kurz von einem Lichtkegel der Laternen angestrahlt, wenn wir eine passierten. Er schien vor sich hin zu sinnieren und kurzzeitig war ich der Meinung, dass das Thema nach meiner Verneinung für ihn erledigt sei. Doch da hatte ich mich gründlich geirrt, denn schließlich begann er doch wieder zu sprechen, die Stimme verräterich gesenkt und ein ernstes Mienenspiel aufgesetzt.
"Die schwarze Frau ist ein Geist, der keine Ruhe finden kann und seit Jahrhunderten auf Erden wandert."
Na das fing ja schon mal gut an. Natürlich war es eine Gruselgeschichte. Oftmals erfunden, um kleinen Kindern Angst einzujagen und das klappte. Auch bei mir regte sich bereits nach seinen ersten Worten eine Gänsehaut und ein Schauer, welcher mir eisig über den Rücken rollte. Gott, wie sehr ich so etwas doch hasste. Das war auch der Grund, warum ich es vermied jedwede Horrorfilme zu schauen. Futakuchi redete unterdessen ungeniert weiter, ungeachtet meiner versteifenden Körperhaltung und den in die Handflächen grabenden Fingernägeln. Zum Glück reichte der Saum des Pullovers meiner Schuluniform über mein Handgelenk hinaus, denn anders würden sich bereits deutliche Spuren auf meiner Haut abzeichnen lassen. Der Kapitän des Volleyballteams berichtete von schauerlichen Begebenheiten, Gräueltaten und ähnlichem, ehe er mit einem "Und daraufhin schwor sie ewige Rache. Man sagt, sie werde immer mal wieder zwischen den Wipfeln der hohen Tannen gesichtet" seine Erzählung schloss.
Inzwischen hatten wir eine gute Strecke unseres Weges zurückgelegt und die geschäftigeren Teile der Innenstadt hinter uns gelassen, um in ein ruhig darliegendes Wohngebiet einzubiegen. Lediglich das gedämpfte Bellen eines Hundes und das Rufen eines Uhus aus dem kleinen Wäldchen links von uns, welches in den Stadtpark mündete, waren zu hören. Der Geräuschpegel des Tages war gesunken und die Stille der Nacht über die Welt hineingebrochen. Allerdings wäre ich über ein bisschen Geräusch nicht unglücklich nach dieser Geschichte und schließlich schien auch Futakuchi meine erstarrten Bewegungen wahrzunehmen.
"Was ist los (l/n)? Angst?", erkundigte er sich amüsiert, was ihm einen bösen Blick meinerseits und Schweigen einbrachte. Selbst Schuld, wenn er mir so etwas erzählen musste, obwohl ich ausdrücklich verneint hatte. Ein leichtes Lachen drang an meine Ohren und säuerlich schielte ich auf die Gestalt des Braunhaarigen, der sich an meiner Reaktion köstlich zu erfreuen schien.
"Nicht witzig", brummelte ich beleidigt daraufhin und das Lachen verklang schließlich. Was allerdings daran lag, dass er stehen geblieben war und nun langsamen Schrittes auf das Wäldchen zuschritt. Verwundert stoppte ich nun auch meinen Gang. "Was machst du?"
Da wir im selben Wohngebiet wohnten, wusste ich mit ziemlicher Sicherheit, dass keiner der vielen Wege durch den Wald führte, sondern lediglich am äußeren Rand vorbei.
Futakuchi verlangsamte weder seinen Schritt, noch wandte er sich zu mir um, sondern murmelte lediglich etwas von "Für kleine Volleyballer gehen zu müssen", unterstrichen von einer abwinkenden Handbewegung lässig über die rechte Schulter vollführt, mit welcher er mir auch bedeutete kurz auf ihn zu warten. Unglücklich über die Situation alleine in der Dunkelheit stehen gelassen zu werden, nachdem man mir ein Horrormärchen aufgetischt hatte, begann ich auf und ab zu laufen und mit jedem Schritt den Kegel einer nahe stehenden Laterne anzusteuern, um wenigstens ein wenig meiner Umgebung im Auge zu haben. Und plötzlich erschien mir die Idylle des Wohngebietes überhaupt nicht mehr verlockend und jedes Knacksen eines Astes oder jeder kleiner Windhauch ließ mich erschaudern und verstohlen einen Blick in die Runde werfen. Fröstelnd vergrub ich meine Hände in den Seitentaschen des Blazers und wippte von einem Bein zum nächsten. Immer wieder warf ich einen kurzen Blick auf mein Handydisplay, um zu sehen, wie lang der Braunhaarige schon weg war. Die Minuten verstrichen langsam, aber als er auch nach fünf ewigen Minuten immer noch nicht wiedergekehrt war, breitete sich ein beklemmendes Gefühl in meinem Brustkorb aus.
Was, wenn das Märchen von der schwarzen Frau doch kein Märchen wahr?
"Futakuchi?", wisperte ich in die Dunkelheit zwischen den Bäumen hinein und wartete. Es regte sich nichts. Schließlich wiederholte ich das Ganze, lauter diesmal. "Futakuchi?!"
Wieder regte sich nichts.
"Wenn das ein Scherz sein soll, ist er nicht witzig!"
Stille, erneut.
"Ich schwöre, ich lasse dich hier und gehe ohne dich weiter!"
Zögerlich bewegte ich mich ein paar Meter aus dem Lichtschein der Laterne in Richtung Baumstämme und dem schmalen Trampelpfad dazwischen. Die Augen zu Schlitzen verengt versuchte ich die Gestalt des Volleyballspielers auszumachen. Doch alles, was ich sah, waren Schatten über Schatten. Irgendwann bildete ich mir sogar ein, dass manche davon sich bewegten und leicht wie Nebel waberten. Ein Schauer rollte über meinen Rücken und ich biss mir auf die Unterlippe, während das beklemmende Gefühl sich immer enger um meinen Brustkorb legte und mir die Luft abzuschnüren schien.
Ein lautes Knacken ließ mich zusammenschrecken und ein leises Fiebsen überkam meine Lippen, für welches ich mich direkt verfluchte.
Verdammte Schreckhaftigkeit!
Wieder ächzte es in den Baumwipfeln und ich meinte eine Gestalt aus den Augenwinkeln vorüberhuschen zu sehen. Ängstlich gruben sich meine Fingernägel durch den Stoff des Pullovers in meine Handinnenfläche, während ich die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt hatte.
"Hallo? Ernsthaft, lass den Mist! Bitte..."
Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme gegen Ende hin immer leise wurde und leicht zittrig über meine Lippen kam.
Zwischenzeitlich hatten meine zögernden Schritte den erdigen Boden des Trampelpfades erreicht und ich stoppte, unentschieden, was ich machen sollte. Alles in mir sträubte sich auch nur einen Zentimeter weiter zu gehen und am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre weggelaufen. Aber auf der anderen Seite hatte ich viel zu viel Angst mich umzuwenden. Angst davor, dass am Ende doch etwas hinter mir war.
Wobei: Das Gefühl, dass irgendetwas dicht hinter mir war, bemächtigte sich meiner bereits und ich erschauderte erneut, den Atem angehalten und nur leicht und stoßweise von mir gegeben, Angst zu viel Geräusch zu machen.
"Futakuchi?"
Ein Lufthauch striff meinen Nacken, genau an der freien Stelle zwischen Blusenkragen und den hochgesteckten Haaren und ich konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. So sehr ich es auch gewollt hätte, aber das Wasser kämpfte sich mit aller Kraft empor. Schließlich sammelte ich all meinen Mut, um mich langsam umzudrehen und machte mich auf das schlimmste gefasst.
"...buh!"
Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle, begleitet von schallendem Gelächter. Vor mir in etwa einem halben Meter Entfernung stand Futakuchi, vor Lachen vorn über gebeugt und die Hände auf den Oberschenkeln abgestützt, während er sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln wischte.
Und das reichte aus, um den Damm einzureißen und augenblicklich strömten die Tränen mir heiß über die Wangen, während meine Augen brannten. Ein Gefühl der Erleichterung überschwemmte mich und löste die Klammer um meinen Brustkorb, allerdings begleitet von großem Ärger.
"Du Idiot!", presste ich leise hevor und trotz bebender Worte konnte man meine Wut über den geschmacklosen Scherz deutlich erkennen. Den Braunhaarigen kümmerte das Ganze allerdings wenig und er schien sich köstlich über meine Reaktion zu amüsieren.
"Dein Gesicht, (l/n)! Unbezahlbar, ehrlich!", kicherte er, verstummte allerdings, da ich urplötzlich einen Schritt nach vorne gemacht und meine Handinnenfläsche eine klatschende Ohrfeige in seinem Gesicht hinterließ, ehe ich die Arme eng vor meinem Oberkörper verschränkte und ihn wütend durch den Schleier der Tränen anfunkelte.
"Lach du nur! Zu deiner Information: Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. Darüber macht man keine Scherze! Du weißt genau wie sehr ich so was hasse!", fauchte ich aufgebracht, erhielt seitens des Volleyballkapitäns allerdings nur eine überraschte Miene. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich so emotional reagieren würde, wie ich es tat und beinahe glaubte ich Schuld auf seinem Gesicht erkennen zu können, als er mich schweigend musterte.
Trotzig versuchte ich mich zusammenzureißen, wischte mir mit dem Ärmel einmal über die genässten Wangen und wandte mich um, um den Heimweg wieder anzutreten. Ob mit oder ohne ihn war mir momentan vollkommen gleich. Doch weit kam ich nicht, denn als warme Finger sich um mein Handgelenk schlossen wurde mein Gang automatisch beendet und ich mit voller Kraft wieder nach hinten gezogen, ehe ich gegen einen breiten Oberkörper sackte.
"Hey, entschuldige. Ich wusste nicht, dass du so stark darauf reagieren würdest", murmelte er leise gegen mein Ohr und ich spürte seinen Atem darauf, welcher mich, ohne, dass ich es überhaupt wollte, erzittern ließ.
Da ich es ihm nicht allzu einfach machen wollte, strafte ich ihn mit Schweigen und blickte stur geradeaus. Allerdings konnte ich nicht verhindern, dass mein Körper auf die sanften Berührungen seinerseits reagierten und ich sackte langsam in seine Arme, die sich von hinten um meine Hüfte gelegt hatten.
"Ehrlich. Ich dachte, es wäre lustig. Es tut mir wirklich, wirklich Leid. Komm schon, (n/n), sei nicht sauer."
Eigentlich wollte ich nicht nachgeben. Eigentlich wollte ich bis ans Ende meiner Tage sauer sein, nachtragend. Oder zumindest bis zur nächsten Woche. Er hatte es verdient, dass man ihn ein wenig zappeln ließ. Doch seine geflüsterten, weichen Worte ließen meine Entschlossenheit und meinen Ärger zerbröckeln wie eine alte Sandsteinwand und die Erinnerung an die Angst, die ich zuvor gespürt hatte, wurde durch ein wohlig, warmes Gefühl tief in meinem Bauch ersetzt. Warum wusste er genau, was er sagen musste? Was machte er nur?
Alleine die Benutzung des Spitznamens, den nur er verwenden durfte, ließ alles in mir kribbeln.
Genervt von mir selber schloss ich kurz die Augen und seufzte einmal.
"Hey, (n/n)..."
Zwischenzeitlich hatte er sich ganz nah über meine Schultern gebeugt, sodass seine Lippen bei jedem Wort die emfpindliche Ohrmuschel streiften.
"Ach, fein! Von mir aus!"
Ich drehte mich so abrupt in seiner halben Umarmung um, dass ich kurz ins Stolpern geriet und nur wenige Zentimeter von seinen Lippen entfernt stoppte. Während ich augenblicklich rot anlief, schlich sich ein einseitiges Grinsen auf seine Lippen als er merkte, dass meine Entschlossenheit endgültig gewichen war.
"Verzeihst du mir?", hakte er nach, allerdings in einer Tonlage, die zeigte, dass er bereits meine Antwort kannte.
Ich nickte langsam.
"Aber nur unter einer Bedingung!"
"Ich bin ganz Ohr."
"Tu so etwas nie wieder!"
"Alles, was meine (n/n) sich wünscht", erwiderte er, eher die letzten Zentimeter zwischen unseren Lippen überbrückte.
Selbst, wenn ich noch böse hätte sein wollen, hätte es spätestens zu diesem Moment nicht mehr geklappt. Mein Kopf schien wie leer gefegt und einzig und alleine das sanfte Gefühl seiner Lippen auf meinen zählte. Nach einem kurzen Moment löste er sich wieder, trat einen Schritt zurück und bot mir auffordernd seine Hand an. "Gehen wir?"
Augenrollend verschränkte ich meine Finger mit den seinen und ließ mich von ihm die Straße entlang in Richtung Heimat lenken.Anmerkung der Autorin:
Hallo, oder so ähnlich. *entstaubt sich, während sie aus einer Ecke gekrochen kommt*
Mal ganz davon abgesehen, dass mir durchaus bewusst ist, dass es hier seit fast einem Jahr kein Update mehr gab und ich mich irgendwie schon schäme, wollte ich mal sagen: Ja, ich lebe auch noch. Lassen wir mal alles Blabla und sagen es mal wie es ist: Das Leben ist passiert und damit im Übrigen auch unglaublich unangenehme Schreibblockaden und Technickzickereien.
Jedenfalls habe ich endlich wieder einen kleinen OS für euch dabei. *zieht das Partyhütchen*
Ich weiß, dass Halloween noch ein wenig entfernt liegt, aber es überkam mich so beim Hören von diversen ASMRs, welche mich im übrigen auch zu einigen weiteren OS inspiriert haben, die folgen werden (diesmal wirklich). Demnach: Viel Spaß beim Lesen~
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Haikyuu!!: Haruichi Furudate
Reader: Du
Story: Meins
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Haikyuu!! - To Go [OS Sammlung]
Fanfiction»Einmal Fanfiction zum Mitnehmen, bitte!« [Reader Insert] [OS-Sammlung]