Stargazing -Tsukishima

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„Würdest du mir irgendwann auch mal sagen, wo du mich hinbringst?", ließ ich zum fünften Mal innerhalb der letzten zehn Minuten meine Frage verlauten und musterte den blonden Schopf Tsukishimas vor mir, während ich mich wohl oder übel hinterher schleifen ließ, da sein Griff um mein Handgelenk eisern und kaum zu lösen schien. Und zum fünften Mal innerhalb der vergangenen Zeit bekam ich wieder keine Antwort von ihm. Jedenfalls keine eindeutige. Diesmal ließ er sich wenigstens zu einem Seufzen hinreißen. „Du bist zu ungeduldig und zu laut. Willst du,dass die anderen davon aufwachen?"
„Natürlich nicht! Ich hasse bloß Überraschungen...", murmelte ich beklagend, nun aber deutlich leiser, vor mich hin und konzentrierte mich auf meine Füße, welche bei seinem schnellen Tempo und den großen Schritten immer mal wieder ins Straucheln kamen.
„Dann sieh es nicht als eine an", kam promt die entnervte Antwort seinerseits, woraufhin mir nichts mehr einfiel und ich schließlich schwieg.
Die Sonne hatte sich schon vor langer Zeit verabschiedet und nun zog sich samtiges Schwarz über den nächtlichen Himmel. Im Vergleich zum Tag waren die Temperaturen in der Nacht auf eine angenehme Stufe gefallen und das harmonische Zirpen einiger Grillen im nächsten Gebüsch hallte durch die Nacht. Wenn man den Kopf hob, konnte man mit Sicherheit auch einige Sterne erkennen, doch ich war zu sehr von dem holprigen Weg vor uns abgelenkt und tänzelte immer mal wieder stolpernd um im weg liegende Hügel oder Steine herum, um mich nicht gänzlich auf die Nase zu legen.
Meine Augenbrauen zogen sich verwundert zusammen, als ich merkte, dass wir uns deutlich vom Gelände des Sommercamps entfernt und den kleinen Hügel am Rande der Turnhallen bereits hinter uns gelassen hatten. Ich war immer noch nicht so ganz glücklich darüber, dass Tsukishima mich nach dem Abendessen mir nichts, dir nichts abgefangen und hinter sich hergeschleppt hatte wie ein stures Tier an einer Leine. Auf meine Proteste war er überhaupt nicht eingegangen und auf die verwunderten Blicke der wenigen, die auf dem Weg in die Waschräume waren, reagierte er lediglich mit einem kurzen, desinteressierten Seitenblick.
„Ist es noch weit?", brach ich mein Schweigen schließlich wieder, wobei ich ungewollte ein bisschen wie ein quengelndes Kleinkind klang. Aber konnte man es mir übel nehmen? Ich hatte den ganzen Tag entweder in der Saunalandschaft der Sporthalle oder der brütenden Hitze des Nachmittags gestanden, Wasserflaschen verteilt, Bälle hin und her geräumt und ähnliche Dinge vollbracht. Danach hatte ich mich von Hinata und Kageyama breit schlagen lassen ihnen ein paar Bälle zuzuspielen, damit sie nach dem offiziellen Training noch ein bisschen für sich üben konnten. Außerdem hatte Yachi auf mich gewirkt, als würde sie jeden Moment im Stehen einschlafen, weshalb ich ihr gerne unter die Arme greifen wollte. Dementsprechend müde war ich nun aber auch und schleppte meine schweren Glieder nach dem anstrengenden Berg-und-Tal-Marsch hinkend hinter mir her.
Der Blonde vor mir warf mir einen flüchtigen Schulterblick zu und schüttelte den Kopf. „Nein. Wir sind da."
Endlich entließ er mein Handgelenk aus seinem Griff, wobei dadurch allerdings auch die Wärme verschwand, welche die ganze Zeit über angenehm von seiner Haut ausgegangen war. Unbewusst das Handgelenk reibend und die Ärmel meines Sweatshirts etwas darüber ziehend sah ich mich um. Und runzelte skeptisch die Stirn.
„Aha. Und dafür sind wir jetzt durch die Pampa gelatscht, obwohl ich schon längst hätte selig schlafen können?", wollte ich prüfend wissen und warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
Wir standen auf einer kleinen Anhöhe, welche, wohl etwas außerhalb gelegen, einen Blick auf die am Fuße liegenden Häuser und die beleuchteten Straßen gab. Ein bisschen weiter links konnte man sogar das ausladende Schulgelände der Shinzen erkennen, welches durch einen Zaun vom Rest abgegrenzt wurde. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass der Ausblick nicht ganz nett anzusehen gewesen wäre. Allerdings konnte ich nicht so ganz nachvollziehen, warum wir deshalb mitten in der Nacht hierher kommen mussten, zumal es so etwas in Miyagi durchaus auch gab.
„Nicht dafür", verneinte er simpel und deutete mit seinem Zeigefinger in die Höhe, „Hierfür."
„Wie?", wiederholte ich stutzig, folgte mit meinen Augen allerdings seiner Hand und blieb schließlich an einem funkelnden Sternenhimmel hängen, welcher sie gleich einer einzigen Lichterkette über unseren Köpfen erstreckte. Je mehr die Häuser in die Nähe kamen, desto weniger vermochte man das Funkeln dieser auszumachen, aber von unserem Standpunkt aus strahlten uns unzählige Lichter entgegen, eines heller als das andere. „Wow!"
Sämtliche Beschwerden, welche sich zuvor noch in meinem Kopf herumgetrieben hatten und darauf warteten, dass ich sie dem blonden Volleyballspieler an den Kopf warf lösten sich in Staunen auf und meine Augen weiteten sich bewundernd.
Eine seichte Brise war aufgekommen und trug den Geruch von Sommer und frisch gemähten Wiesen zu uns herauf, während er mehrere gelöste Haarsträhnen hinter meinem Ohr hervorzog und sie in meine Stirn wirbelte.
„Beeindrucken, nicht?", hörte ich seine Stimme, in welcher sogar ein bisschen Freude und ein Hauch Staunen mitschwang.
„Nicht nur beeindruckend. Es ist wunderschön!", stieß ich begeistert hervor und klammerte mich in einem Affekt der Freude sprunghaft an seinen Arm, was ihn kurz aufschrecken ließ. Als ich bemerkte, was ich getan hatte, zog ich peinlich berührt wieder meine Hände zurück, wurde aber auf halbem Weg von seiner Hand aufgehalten. Warm verschränkten sich seine Finger mit den meinen und ein verdächtiges Brennen machte sich auf meinem Gesicht breit, während ich betont in eine andere Richtung blickte.
„Wenn du genau hinsiehst, kannst du sogar den Polarstern erkennen", erklärte er, um wohl das zwischen uns aufgekommene Schweigen zu mindern und deutete erneut in das Himmelszelt, allerdings diesmal auf eine ganz bestimmte Stelle. Und tatsächlich schien einer der Sterne heller und größer zu sein, als alle anderen. „Er ist der hellste von allen in diesem Sternbild und man kann damit die Himmelsrichtungen besser bestimmen, wenn man bedenkt, dass er im Allgemeinen im Norden steht und am nächsten am Pol ist."
„Tsukishima, du klingst wie ein Lexikon", stellte ich seufzend fest, „Das ist nichts, was ein Mädchen hören will, sondern einfach wahnsinnig altklug. Wenn ich's mir recht überlege, gehe ich doch wieder ins Bett."
Erst blieb eine Reaktion seinerseits aus und ich konnte lediglich bemerken, dass sich seine Hand enger um die meine schloss. Bis er sich schließlich zu mir wandte, mich ohne Vorwarnung näher an sich heranzog und mir einen kurzen, wenngleich auch unglaublich warmen Kuss auf die Lippen drückte. Anschließend wandte er sich wieder ab, als sei nichts passiert. Wohingegen ich wohl ein emotionales Durcheinander abgeben musste.
„W-was machst du da?", quiekte ich überrascht und mindestens drei Tonlagen zu hoch und starrte ihn hochrot an.
„Meine Güte, (f/n). Darf ich nun nicht mal mehr meine Freundin küssen?"
„Hah?"
„Sag mal, bist du wirklich so blöd, oder machst du nur so?", kommentierte er und klickte mit der Zunge, wobei er so wirkte, als müsste er einem Grundschüler das Einmaleins erklären.
„D-davon hast du nie was gesagt!"
„Weil ich dachte, es wäre offensichtlich nach der Sache letztens", gab er zurück und ein leichter Rotschimmer zierte seine Wangen. Allmählich dämmerte es mir und ich wurde noch einen Nuance dunkler um die Wangen herum. „Ach ja?"
„Ja. Warum sollte ich sonst so viel Zeit mit dir verbringen wollen? Sind wir wirklich noch da, wo ich dir einen Zettel mit Ankreuzoptionen zustecken muss?"
Er klang leicht genervt, weshalb ich es vorzog nichts weiter zu sagen, sondern einfach den Kopf zu schütteln und mir peinlich berührt auf die Unterlippe zu beißen. Super (f/n)! Ganz große Klasse!
Ein weiteres Seufzen folgte seinerseits, welches diesmal allerdings weitaus versöhnlich klang, als er sich erneut zu mir drehte, mich diesmal allerdings nur in eine Umarmung zog und mir sanft durch die Haare strich.
„Dann hätten wir das auch mal geklärt."
„Du bist ein Idiot!", murmelte ich in sein Shirt hinein und presste mein knallrotes Gesicht in den Stoff, woraufhin er leise lachte.


Anmerkung der Autorin:
Für zu viel Kitsch und einen vielleicht dezent OoC Tsukki entschuldige ich mich im Voraus. Es kam so über mich. ^^''
(l/n) -> Nachname | (f/n) -> Vorname
Haikyuu!!: Haruichi Furudate
Reader: Du
Story: Meins


Haikyuu!! - To Go [OS Sammlung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt