Ein Zwischenfall

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Eine Woche später...

Gemütlich hockten Chris, Matt und ich auf unserem "Stammplatz", einer der Tischtennisplatten und genossen gerade die Pause. Ich lehnte gegen meinen Rucksack, hatte die Augen geschlossen und spürte, wie sich die Sonne in mein schwarzes Shirt bohrte. Schon die ganze Zeit dachte ich über Lena und Dr. Lecter nach. Das ließ mir einfach keine Ruhe! Da musste doch irgendetwas sein, ich kam aber beim besten Willen nicht darauf, um was es sich handelte. Der Doktor hatte gesagt, ich solle jedem seinen privaten Raum lassen. Genau das würde ich auch tun, denn sonst wäre es eine Unhöflichkeit und diese war mir zuwider! Aber die Neugier drängte so sehr und so brütete ich nun schon seit sieben Tagen über dieses Thema. Ich konnte einfach keinen fragen und das störte mich total!
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. Dabei versuchte ich, all das Geschrei der jüngeren Schüler auszublenden, doch ein Schrei gespickt mit Panik weckte mein Interesse: "Jetzt lass' mich bitte los!", rief die Stimme. Ich öffnete die Augen, blinzelte kurz und ortete das Problem. Tatsächlich war dieses nicht weit von uns entfernt: Ein kleiner Junge, ich schätzte ihn in der sechsten Klasse, wurde von einem etwas älteren, vermutlich aus der achten Klasse, am Kragen gepackt und malträtiert. Ich erkannte den Peiniger - Es war der kleine Bruder von Dennis. Er hatte genau dieselbe Statur und die gleichen Gesichtszüge. Anscheinend war der Kleine auch genauso aggressiv wie sein nichtsnutziger großer Bruder.
Mittlerweile sahen sich auch Chris und Matt nach dem Geschehen um: "Alter, kann man nicht einmal in Ruhe entspannen? Was ist denn hier schon wieder los? Ist kein Lehrer draußen?", fragte Chris und schnaubte verärgert. Ich antwortete: "Scheinbar nicht... Ich werde mich mal darum kümmern..." Matt schaltete sich ein: "Philip, du hast damit nichts zu tun! Die müssen das unter sich regeln!" Ich sah ihn von der Seite an: "Der Kleine kann sich nicht wehren. Sein Gegner ist die Mini-Ausgabe von Dennis." "Ja, dann solltest du erst recht nichts machen. Du kennst doch Dennis..." Mir fiel das Gespräch mit Dr. Lecter wieder ein. Ich runzelte die Stirn und murmelte: "Soll er doch kommen! Ich habe ihn einmal zu Fall gebracht, ich werde es wieder schaffen! Ich kann es nicht mitansehen, wenn unschuldige Kinder verprügelt werden! Das ist taktlos und falsch!" So richtete ich mich auf und stapfte erhobenen Hauptes auf die rangelnden Kinder zu. Der Kleine flehte mittlerweile: "Lass mich bitte endlich herunter!" Der Große lachte gehässig: "Was ist? Hast du etwa Angst? Machst du dir gleich in die Hose? Ich will es hoffen..." Wie ein Blitz schoss ich vor, packte den Großen bei den Handgelenken und zerrte ihn von dem Kleinen weg, der mich mit großen Augen anstarrte: "Du hast ihn doch gehört! Er hat dich gebeten, ihn loszulassen!", knurrte ich Dennis' Bruder an. Der zerrte, doch ich hielt ihn mit eisernem Griff an den Handgelenken fest und starrte ihn mit eisigem Blick an. Er spuckte auf meine Schuhe und rief: "Mein Bruder hat mir von dir erzählt! Er sagte, du wärst voll der Psycho - Richtig gewalttätig! Du hast meinen Bruder verprügelt!" Ich grinste: "Ja, weil er unhöflich war, habe ich ihn zurechtgewiesen. Und genau das werde ich mit dir auch tun, wenn du dein Verhalten gegenüber anderen nicht umgehend wieder änderst... Haben wir uns verstanden?" Er protestierte: "Das sage ich einem Lehrer!" "Tu' das ruhig. Ich werde in der Zeit zu Principal Gordon gehen und ihm von deinen Malträtierungen an jüngeren berichten. Mal sehen, wem er mehr glaubt - Einem kleinen unbeholfenen Schüler mit Hang zur unerklärten Aggressivität oder einem fast Erwachsenen, ruhig bleibenden..." Der Junge funkelte mich wütend an, dann wandte er den Blick ab: "Hast du mich verstanden?", fragte ich. Er antwortete nicht. Ich drohte: "Sieh' mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede! Es ist unhöflich, seinen Gesprächspartner nicht anzusehen und Unhöflichkeit toleriere ich nicht!" Trotzig richtete er wieder seinen Blick auf mich und ich fragte erneut: "Hast du mich verstanden? Du wirst dein Sozialverhalten komplett neu strukturieren und keinen mehr malträtieren, sonst werde ich das mit dir auch mal tun! Und dein Bruder wird dir dann auch nicht helfen!" Er nickte und ich ließ ihn los: "Und jetzt mach dich auf die Socken, bevor ich es mir anders überlege!", knurrte ich und ließ ihn laufen. Ich richtete meinen Blick auf den Kleinen: "Alles in Ordnung? Hat er dich verletzt?" Er schüttelte heftig den Kopf und murmelte: "Danke." Schüchtern lief er zu einer anderen Gruppe Jungs in seinem Alter und schien zu berichten, denn die anderen warfen neugierige Blicke auf mich und lächelten mich an. Ich grinste und kehrte erleichtert zu Chris und Matt zurück, die ebenfalls grinsten: "Du Held!", rief Chris. Ich setzte mich wieder und verschränkte die Arme hinter dem Kopf: "Der Junge war in Not! Was hätte ich sonst tun sollen?" "Du wirst richtig Stress mit Dennis kriegen, das weißt du?" Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern: "Ist mir egal, das nehme ich in Kauf! Aber so ein Halbstarker soll sich nicht an den Kleinen vergreifen, da werde ich sauer..." Ich schloss die Augen und wollte gerade in meine Gedanken versinken, da polterte auch schon Dennis' Stimme quer über den Hof: "SCHLAPPSCHWANZ! WENN ICH DICH IN DIE FINGER BEKOMME...! WAS VERGREIFST DU DICH AN MEINEM BRUDER, DU BASTARD?!" Ich seufzte resigniert auf. Konnte ich nicht einmal in Ruhe nachdenken? Matt murmelte nur noch: "Herrje, das kann ja was werden. Ich hoffe, du hast Lust auf Beulen, Philip. Denn wenn man vom Teufel spricht..." "... Dann kommt er sofort, ich weiß.", beendete ich seinen Satz. Dann öffnete ich die Augen und knurrte: "Aber ich bin bereit, ihm den Teufel gehörig auszutreiben!" ...

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