Ein Vorschlag

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Ich starrte ihn immer noch ungläubig an. Langsam fand ich meine Stimme wieder: "Philip... Wie kommst du denn auf so etwas?" Er zuckte mit den Schultern: "Na ja, da war doch erst letztens dieser Autounfall. Stell dir doch mal vor, das wäre alles geplant gewesen." "So etwas grausames will ich mir gar nicht vorstellen! Und du solltest es dir auch nicht vorstellen! Das ist nicht gut für dich! Hast du mich verstanden?" Philip sah mich erschrocken an. Meine Stimme war lauter und härter geworden und das kannte der Junge nicht von mir. Ich entschuldigte mich sogleich: "Tut mir Leid, wenn ich lauter geworden bin. Aber ich möchte nicht, dass du an solche Themen denkst. Vor allem nicht mit elf Jahren." Schließlich nickte Philip: "In Ordnung, Daddy." Ich lächelte und nahm meinen Sohn in die Arme: "Hey, ich liebe dich." "Ich dich auch, Dad." Ich hörte, wie erneut die Tür ins Schloss fiel: "Wo sind meine beiden Männer?" Ich grinste: "Wir sind in der Küche! Hörst du, Philip? Mum ist endlich Zuhause." Und schon steckte Loreen ihren Kopf durch die Tür. Als sie das Chaos sah, musste sie schmunzeln: "Mommy, Daddy hat das Wasser für die Nudeln ausgekippt!" Ich zuckte spielerisch mit den Schultern: "Daddy ist halt kein Sternekoch. Daddy ist eher ein Schafskopf!" "Nein, Dad! Du bist der coolste Dad auf der Welt!" Er umarmte mich erneut. Voller Liebe betrachtete ich meinen Sohn und strich ihm mehrmals sanft über den Kopf. Ich fragte: "Hast du Hausaufgaben auf?" "Nein.", lautete knapp die Antwort. "Gut, dann geh ruhig spielen. Mommy und ich machen das Mittagessen fertig." Das ließ Philip sich nicht zweimal sagen und schoss aus der Küche. Ich hob den Topf vom Boden auf: "Soso, Daddy ist also ein Schafskopf... Sonst lässt er aber nie den Topf fallen." Ich seufzte: "Ich war in der Anstalt..." Sofort wurde Loreen ernst: "Aber warum?" "Ich wollte Lena von dem Autounfall erzählen." "Verstehe. Wie hat sie reagiert?", fragte sie weiter. "Sie hat gelacht. Ich glaube, sie ist schon so abgestumpft, dass sie nicht mehr trauern kann." "Hast du mal überlegt, dass das vielleicht ihre Art ist, die Sache zu verarbeiten?" Ich zuckte mit den Schultern: "Loreen... Sie hat nach Philip gefragt. Sie will ihn sehen. Und dich auch." Loreen schien zu überlegen: "Was ist daran so schlimm?" "Ich will nicht, dass sie ihn zu Gesicht bekommt!" "Jason, was soll ihm schon passieren? Sie sitzt in ihrer Zelle und wird dort auch nie mehr herauskommen. Und ich denke, er sollte seine Tante kennenlernen." "Meinst du nicht, das schadet ihm mit elf Jahren?", fragte ich. Mir gefiel der Gedanke kein Stück weit! Loreen überlegte: "Es wird für ihn schlimmer sein, wenn er es durch einen dummen Zufall allein herausfindet." "Aber das, was sie getan hat..." Loreen griff nach meinen Händen: "Er muss ja nicht unbedingt jetzt erfahren, was sie getan hat. Außerdem schreckt ihn das vor gewissen Taten ab." "Na ja. Heute in der Schule hat er über einen geplanten Autounfall geschrieben." Loreen nickte: "Siehst du? Deswegen sollten wir Lena morgen noch einen Besuch abstatten. Gemeinsam. Das wäre vielleicht für dich auch etwas einfacher, als wenn du ihr allein gegenüber stehst." Ich ließ entkräftet den Kopf hängen: "Der Junge darf nicht so werden wie sie... Das würde ich mir nie verzeihen!" "Mach dir keine Sorgen, Jason. Ich denke, Familienmitgliedern begegnet sie normal?" "Eigentlich schon. Aber ich weiß nicht, was sie ihm erzählen wird. Oder wie sie es sagt." "Dann gehst du kurz vor, weihst sie ein und bittest sie, ihn nicht gleich zu beladen. Sie soll ihn nicht anlügen, sondern bloß so manches erst einmal für sich behalten." "Okay. Aber mir gefällt die Idee immer noch nicht." "Einen Versuch ist es aber wert.", murmelte Loreen und lächelte leicht. Ich nahm sie in die Arme. Sie flüsterte: "Ich weiß, du willst ihn beschützen. Aber irgendwann muss er es wissen." "Aber noch nicht morgen! Morgen wird er nur das nötigste erfahren, das versichere ich dir!" "Gut, wie du meinst. Und jetzt lass und das Mittagessen vorbereiten. Der Junge hat bestimmt Hunger. Hast du mit ihm noch einmal über die Geschichte in der Schule gesprochen?" "Ja. Ich habe ihm gesagt, er soll sich mit solchen Themen noch nicht auseinander setzen." "Toll, dann brauche ich das
ja nicht.", grinste sie. "Und jetzt - Spaghetti." Ich nickte. Doch ließ mich die Furcht nicht los. Sie kochte in mir hoch und ich wusste, dass sie berechtigt war. Bei Lena fing es auch mit einfachen Geschichten an. Es kam schleichend, hatte ich das Gefühl. Würde es nun bei Philip das gleiche sein? Mir blieb nur, den morgigen Tag und Philips Reaktion auf Lena abzuwarten...

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