Eine Einführung

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"Dr. Lecter, ich nehme Ihr Angebot an. Allerdings stelle ich eine Bedingung..." "Und die wäre?" "Ich töte niemanden."
Da stand er vor mir, mein Sohn Philip, von dem ich so lange nichts wusste. Er war so selbstbewusst und stark - Und im gewissen Maße erinnerte er mich an Lena früher. Sie war genauso wie er, hatte genauso reagiert. Mit einem Grinsen dachte ich daran, wie ich sie zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Bei Philip würde ich ähnlich vorgehen. So antwortete ich: "Schade. Wir hätten gleich heute Abend mit der ersten Lektion in der Praxis beginnen können. Nun denn, dann wirst du dich heute mit der Theorie begnügen müssen... Sieh mir genau zu..." Er trat zurück und ließ mich tatsächlich machen. Ich ging grinsend auf mein Opfer zu: "So... Was denken Sie, wie sollen wir vorgehen?" Er starrte mich mit großen Augen an. Seine Stimme zitterte: "Bi-Bitte töten Sie mich n-n-nicht..." Ich seufzte: "So Leid es mir auch tut, aber Strafe muss sein. Ich lasse Ihnen sogar die Wahl... Möchten Sie die Eingeweide drinnen oder draußen? Wenn Sie sie drinnen lassen wollen, dann suche ich mir spontan etwas anderes... Fakt ist: Ich werde Ihnen die Flausen ordentlich aus dem Kopf treiben." "Lassen Sie s-sie bitte d-drin.", wimmerte der junge Mann zu meinen Füßen. Dann begann er, qualvoll zu schreien. Anscheinend ließ die Wirkung der Drogen nach und er spürte endlich, dass seine Sehnen durchtrennt waren. Ich zog schnell mein Stilett aus der Hosentasche und rammte es ihm in den Schädel, genauer gesagt in die Schläfe. Er erstarrte, sein Gesicht verzerrte sich und das Schreien verstummte abrupt. Eigentlich hätte ich jetzt noch weitergemacht, aber ich hörte Philip hinter mir panisch aufkeuchen und brach ab. Ich drehte mich zu ihm um: "Philip... Alles in Ordnung bei dir?" Mit großen Augen starrte er zu dem nun leblosen Körper neben mir, schien versteinert. Langsam regte er sich: "Was... was haben Sie getan? Sie haben ihn umgebracht?" "Ja. Ich hätte es auch dich übernehmen lassen, aber du wolltest ja nicht.", antwortete ich. Er schüttelte den Kopf: "Ich hatte auch nicht erwartet, dass Sie ihn wirklich töten würden..." Ich reinigte das Stilett und ließ es wieder in der Tasche verschwinden: "Möchtest du es dir lieber nochmal überlegen?", fragte ich. Ich hoffte, er würde Nein sagen. Und tatsächlich murmelte er nach einiger Zeit: "Nein... Ich ziehe das jetzt durch... Für meine Tante. Ich habe es Lena versprochen." Er holte tief Luft und hob den Blick. Er straffte seine jungen Schultern und wirkte gleich etwas größer. Ich beugte mich zu dem Leichnam herunter und beförderte diesen in den Container an der Häuserwand. Ich ließ Philip nicht aus den Augen: "Der Müll muss entsorgt werden... Wollen wir noch etwas spazieren gehen? Es hat doch einen Grund, dass du nachts noch draußen unterwegs bist. Und den möchte ich jetzt hören..."
Ich schlenderte an Philip vorbei aus der Gasse heraus. Er folgte mir, drehte sich aber nochmal um: "Was ist mit der Leiche? Wollen Sie sie dort einfach liegen lassen?" "Ja. Selbst wenn sie irgendwann gefunden wird, so wird man nie herausfinden, dass ich es war." "Und warum nicht?" Ich grinste: "Weil ich keine Spuren hinterlasse. Niemals. Außerdem geschehen hier viele Morde, da fällt es nicht auf. Und jetzt komm, Philip." Er eilte hinter mir her. Ich sah ihn an und fragte: "Warum läufst du nachts von Zuhause weg? Das machst du doch bestimmt zum ersten Mal, habe ich Recht? Natürlich. Es ist wegen deinem Vater, oder?" Er starrte mich an: "Verfolgen Sie mich etwa, Doktor? Oder warum wissen Sie das alles?" "Ich ziehe bloß logische Schlüsse, mein Junge. Du hattest heute eine heftige Auseinandersetzung mit Dennis. Dadurch hat Principal Gordon bei deinen Eltern angerufen. Dein Vater hat dich nicht so erzogen und vermutet, dass Lena dahinter steckt. Er traut ihr nicht über den Weg, das hat sie mir erzählt. Ich denke, er hat dich bestraft, weil du deine Tante aufgesucht hast. Und du warst darüber so sauer, dass du kurzerhand beschlossen hast, dich zur Wehr zu setzen, indem du dich ihm widersetzt. Ich sagte es ja: Reine Schlussfolgerung, basierend auf Fakten. Kannst du mir noch folgen?" Er runzelte die Stirn: "Ja, das kann ich." Ich lächelte: "Das lernst du noch. Irgendwann ziehst du auch einfach Schlüsse... Nun sag mir: Was genau hat dich jetzt so verärgert?" Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Es hat mich verärgert, dass mein Vater und scheinbar auch meine Mutter total gegen Lena sind. Sie zählen sie nicht mehr zur Familie - Ich denke, damit machen sie einen Fehler. Dann versuchen sie, mir den Kontakt zu ihr zu verbieten. Aber sie gehört für mich einfach dazu!" Ich bedachte meinen Sohn mit einem Seitenblick. So ein braver Junge war er, höflich und selbstbewusst. Genau so, wie ich es mir immer gewünscht hätte. Er glich Lena wirklich sehr.
Wie kamen zu meinem Haus. Ich sagte: "Ziemlich kühl heute Nacht, findest du nicht, Philip?" "In der Tat, Dr. Lecter." "Was ist, möchtest du noch kurz mit herein kommen?" Er wand sich: "Nun ja... ich muss rechtzeitig wieder Zuhause sein, sonst wird mein Vater richtig sauer..." Ich grinste: "Bis dahin hast du allerdings noch etwas Zeit. Komm doch mit herein. Ich tu' dir schon nichts, versprochen." "Das hatte ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet, Doktor... Na gut. Wenn ich wirklich nicht störe, dann komme ich noch kurz mit hinein." "Wenn du stören würdest, hätte ich es dir nicht angeboten. Komm, mein Junge." Gemeinsam traten wir ein...

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