Kapitel 35 - Traurige Geschichte

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Mario's Sich (30 Minuten später)

Niedergeschlagen kehrte ich zurück in das Esszimmer. Besorgt schaute Sandy mich an, während Sarah auf mich zukam und mir um den Hals viel. "Und?", fragte sie. Obwohl meine Freundin ihren Satz nicht vollständig beendet hatte, wusste ich genau was sie meinte. Bedauernd schüttelte ich den Kopf. Nein. Ich hatte meine Schwester nicht gefunden, obwohl ich überall im Haus nachgeschaut hatte.

Sie war weder in ihrem Zimmer, noch in ihrem Bad. In der Küche war sie auch nicht, ebenso wenig in ihrem Wohnzimmer. In meinem auch nicht. Schließlich war ich auch unten im Keller, in unserem Homekino -ein großer Raum mit vielen gemütlichen Sesseln- gewesen. Ich hatte alle Lichtschalter angeknipst und in jedem Sessel nachgeschaut, aber keine Spur von meiner kleinen Schwester. Nebenan, im Fittnessraum, war sie leider auch nicht, was mich aber nicht sehr wunderte.

Als wir das letzte Mal hier waren, war Venni gerade einmal 4 Jahre alt. Ich glaube, sie wusste gar nicht, dass der Fitnessraum überhaupt exestierte. Seit den ganzen Vorfällen hier in diesem Haus, waren wir nicht mehr hierher gekommen. In unserem Garten hatte ich auch überall geguckt, auch in der Einfahrt und... an dem Tor, doch es war klar, dass sie dort nicht war. Wenn doch, hätte es mich ebenfalls sehr gewundert. Aber sie würde da nie wieder hin gehen...

Ein Schluchzter riss mich aus meinen Gedanken. Erstaunt blickte ich auf. Venni? Nein. Es war Mia die mich mit tränenüberströmten Augen anschaute. "Es...es tut mir so leid", stieß Mia hervor. "Es ist nicht deine Schuld Mia. Du wusstest ja nicht, dass Venni so reagieren würde." Ich ging auf Mia zu und legte einen Arm um ihre Schulter. "Ich glaube ich muss euch etwas erklären", murmelte ich, während ich mich am Hinterkopf kratzte, was ich immer tat, wenn ich ratlos war. 5 Augenpaare schauten mich erwartungsvoll und mitfühlend zugleich an. Ich räusperte mich und begann zu erzählen.

"Es war letzte Woche vor 12 Jahren passiert. Wir, meine... Eltern, Venni und ich fuhren zu einem Fußballspiel. Da unser Vater der Trainer von FC Bayern war, hatten wir die Karten viel günstiger bekommen, was jetzt aber auch egal ist. Es war Vennis erstes Fußballspiel und sie freute sich schon so sehr darauf. Als wir dann im Stadion ankamen, saßen wir ziemlich weit vorne und hatten dadurch ein guten Blick auf das Spielfeld. Das Spiel fing sehr gut an und war auch richtig spannend. Nach der 17. Spielminute führte Bayern schon 1:0 und Venni rief mir zu, wie klasse das Spiel war und wie toll Dad trainierte. Ich sehe ihr Funkeln immernoch in den Augen. Sie fand es so toll, dass ihr Vater Trainer war."

Zitternd fuhr ich mir durch die Haare und redete weiter: "Wie gesagt, wir führten und nach der 70. Spielminute schon 3:0, doch dann geschah es. Wir wussten nicht von wem das kam und wissen es immer noch nicht. Es gibt keine Aufzeichnungen dafür, doch es war geschehen. Während Venni und ich uns noch über das dritte Tor gefreut hatten, kam der Fußball wie aus heiterem Himmel auf meinen Vater zugeschossen. Zu schnell. Zu schnell, um zu reagieren. Der Ball prallte auf dem Hinterkopf meines Dad's auf. Zu stark. Zu stark, um es schadenfrei zu überstehen. Unser Vater kippte um, während die Sanitäter sofort angerannt kamen. Meine Mutter schrie auf, ich sprang auf und Venni wimmerte. Es war ein schlimmes Gefühl gewesen. Doch dann setzte sich Dad wieder auf, und meinte, es sei alles ok. Das Spiel, welches unterbrochen war, wurde weitergespielt, allerdings mit einer bedrückten Stimmung.

Nach dem Abpfiff rannten wir auf das Spielfeld und Venni lief Dad in die Arme und er meinte erneut, dass alles ok sei, und wir glaubten ihm auch. Das war aber ein sehr großer Fehler. Auf dem Weg zum Mannschaftsbus taumelte mein Vater so stark, das meine Mutter unbedingt mit ihm zum Krankenhaus fahren wollte. Dad stritt es zwar ab, aber Mum bestand darauf.

Das nächste Krankenhaus war ca. eine Stunde entfernt und auf der Fahrt begann Dad noch mehr zu zittern und verdrehte seine Augen, aber nicht so generft, sondern einfach nur... unheimlich. Man sah nichts mehr von seinen Pupillen, nurnoch das weiße vom Augapfel.
Venni, die neben Dad saß, hielt andauernd seine Hand und Mum murmelte, dass alles gut werden würde. Doch dann geschah es. Der Bus fuhr um eine scharfe Kurve, Dad schrie auf und sein Kopf knallte gegen das Busfenster. Ich dachte am Anfang das er nur schlafen würde, und versuchte ihn zu wecken, doch er rührte sich nicht mehr. Und mit einem Schlag wurde mir klar, dass der Schrei das letzte gewesen war, was ich von ihm gehört hatte. Mein Dad war tot."

Ein Schauer durchzuckte mich, als ich mich an diese Busfahrt erinnerte. Es war so schlimm gewesen. Ich hatte zwar immer wieder versucht sie zu verdrängen, doch diese Fahrt hatte Auswirkungen auf mein gesamtes Leben! Das konnte man nicht einfach so vergessen!

"Später hatten wir dann erfahren, das Dad innere Blutungen im Kopf hatte, was man normalerweise hätte heilen können, doch bei ihm war irgendeine Verbindung durchbrochen und dadurch ging alles unaufhaltsam schnell."
"Oh mein Gott, Mario es tut mir soo leid", rief Sarah geschockt und umarmte mich mit tränenüberströmten Augen. "Oh Gott und ich hatte Venni auch noch auf ihre Eltern angesprochen. Ich bin so ein Idiot!" Mia sah so auf, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. " Du konntest es ja nicht wissen", flüsterte ich und unterdrückte erneuten einen Tränenstrom. "Es tut mir ja so leid! Das war doch bestimmt schlimm und das noch mit 4 und 13 Jahren!" Sophie starrte mich entsetzt an.

"Ja, es war schon ein Schock für uns, aber ich glaube, wir waren noch zu jung um es zu verstehen, aber Mum...", ich musste noch einmal tief Luf holen, denn das war eigentlich das Schlimmste, "Mum kam nicht damit zurecht, ohne Dad zu leben und eine Woche später, also heute vor 12 Jahren, ich hatte gerade Schule aus, passierte es. Ich wurde von der Kindergärtnerin von Venni angerufen. Sie meinte, das unsere Mutter vergessen hätte, Venni abzuholen und zu Hause hätte sie auch keinen erreicht. Ich sollte meine Schwester doch abholen. Als ich Venni abgeholt hatte und mit ihr nach Hause gegangen war, war Mum nicht da, dachten wir zumindest.

Ich setzte Venni vor den Fernseher und suchte im ganzen Haus nach einer Nachricht von Mum, doch da war keine. Als ich nun im Schlafzimmer von ihr ankam, sah ich sie im Bett liegen, doch beruhigt war ich dennoch nicht. Wahrscheinlich wusste ich schon damals, dass sie nicht nur schlief, aber ich versuchte mich krampfhaft an den letzten Funken Hoffnung in mir zu krallen.

Ich ging zu Mum und wollte sie aufwecken, doch sie rührte sich nicht. Und mit einem Mal fühlte ich mich in die Szene aus dem Bus zurückversetzt, und es gab keinen Zweifel mehr; Mum war ebenfalls tot.

Ich begann zu weinen und Venni kam die Treppe hoch gelaufen und wollte wissen was los war, doch ich wollte ihr diesen Anblick ersparren. Ich hielt sie fest und rief: 'Venni, bleib hier! Geh da nicht rein!' Doch sie hörte nicht auf mich und als sie Mum sah, begann sie zu schreien und zu weinen und ließ sich nicht mehr trösten. Mit letzter Kraft rief ich den Krankenwagen und brach schließlich weinend zusammen. Doch mir war klar, das ich jetzt für meine Schwester da sein musste. Ich konnte sie nicht alleine lassen. Ich würde Zeit zum Trauern finden, aber nicht jetzt! Ich musste für Venni da sein! Ich musste stark bleiben! Ich war der einzige, den sie jetzt noch hatte und ich würde alles dafür tun, um sie wieder glücklich zu machen!"

Als ich meine Geschichte beendet hatte, hatten alle Tränen in den Augen. "Und dann?", hauchte Sophie "wer hatte dann das Sorgerecht für euch übernommen?" "Sophie!", rief Sandy ärgerlich, doch ich schüttelte den Kopf. "Ist schon gut Sandy. Ich hätte diese Frage auch gestellt, hätte mir jemand so eine Geschichte erzählt", entgegnete ich.

"Also, Bernd hatte für uns das Sorgerecht übernommen. Bernd war schon immer ein Freund der Familie gewesen und daher war es selbstverständlich für ihn. Wir waren nach Berlin gezogen, in die Villa, die ihr schon kennengelernt habt. Bernd hatte sich um uns gekümmert wie ein richtiger Vater. Und später, als ich dann anfing Fußball zu spielen, kümmerten sich er und Frank, unser Chauffeur, um Venni, die damals erst 9 Jahre alt war." "Das war nett von Bernd", unterbrach Sarah das Schweigen, welches nach meiner Antwort auf Sophie's Frage eingetreten war. "Ja, dass war wirklich nett und es fühlte sich so an, als hätten wir immernoch einen Vater. Aber den Platz von Dad konnte Bernd nie vollkommen füllen." Ich schluckte.

Als ich mich wieder gefasst hatte, meinte ich: "Naja, ich suche Venni dann mal weiter, also dann, bis später." Ich stand auf und wollte gerade den Raum verlassen, als Miro mir hinterher rief:"Mario, warte! Wir helfen dir!"

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