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Drei Silmaril schuf Feanor, viele tausend Jahre zuvor. Einer fährt an Earendils Stirn als Gil-Estel über den Himmel. Der Zweite fiel ins Große Meer und ward nie wieder gefunden. Der Dritte gelangte tief in die Erde und wurde erneut aus ihr geschürft. Die Quenta Silmarillion ist noch nicht beendet. Diese Steine aus dem Licht aus Tag und Nacht, aus dem Licht der zwei Bäume, sie spielten eine große Rolle in der Geschichte Mittelerdes. Und dies tun sie auch weiterhin.

"Wir müssen handeln." Durins Miene ließ keinen Widerspruch zu. Eldarion sank in seinen Thron zurück. Nach Durins Nachricht war die Feier abgebrochen worden und die Fürsten Mittelerdes hatten sich im Thronsaal versammelt.
"Durin hat recht", meinte Celeborn. "Wir müssen Morgoth zur Strecke bringen. Ruft eure Vasallen zusammen, Eldarion, der Rat muss sich erneut zusammensetzen."
"Seid ihr euch ganz sicher, Zwerg, dass es Orks waren, die unter Morgoths Befehl standen?", fragte Thranduil spöttisch. "Wie soll das geschehen? Wie soll Melkor Morgoth aus seiner Verbannung zurückkehren?"
Thranduil machte eine Pause und sah in die ratlosen Gesichter der anderen. "Ich war dabei, damals vor all der Zeit, als das Heer der Valar die Streitkräfte Morgoths zerschlug. Er wurde in die Leere geworfen, außerhalb der Welt. Von dort gibt es kein Entrinnen."
"Habt ihr nicht auch diese dunkle Präsenz gespürt? Habt ihr nicht vom Traum der Tochter Eldarions gehört und von dem Verhör, das Durin mit dem Ork führte? Ich fürchte wir müssen das Schlimmste annehmen, Thranduil, auch wenn es keinem von uns gefallen mag", entgegnete Celeborn.
Betrübt sah Thranduil zu Boden.
"Weise Worte habt ihr gesprochen, alle beide", schaltete sich Théoden II. ein. "Doch um den Feind auszuschalten, müssen wir wissen, wo er ist."
"Ich werde die Menschen im Süden und Osten benachrichtigen. Sie müssen vor Morgoth gewarnt werden und könnten uns vielleicht bei der Suche helfen", meinte Eldarion.
"Das ist eine gute Idee", setzte Durin an, "doch vielleicht kommen wir auch von selbst auf die Lösung. Die Orkheere, die Moria überrannten, kamen aus einem Stollen in nordwestlicher Richtung." Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Ich werde diesen Stollen auskundschaften. Wenn ich sein Ende finde, finde ich Morgoth."
"Seid ihr euch sicher, dass ihr das tun wollt?", fragte Eldarion.
"Nun, eigentlich wäre es vonnöten, die sieben Heere der Zwerge zu versammeln und nach Moria zu führen, um den Weg freizukämpfen und Khazad-dûm dem Feind zu entreißen. Danach wird es mir leichter fallen, in den Stollen vorzudringen", antwortete Durin ihm.
"Ihr wollt ganz alleine durch einen Stollen voller Orks und anderer schrecklicher Geschöpfe?", meldete sich Edmar Tuk, der Thain des Auenlandes erstmals zu Wort.
"Er wird nicht alleine gehen!"
Die Türen öffneten sich und Alassen trat mit grimmiger und entschlossener Miene herein, gefolgt von Tingilya und Aiya.
"Wir werde mit ihm kommen."
Eldarion sah die Entschlossenheit in den Augen seines Sohnes und wusste, dass er ihn nicht davon abzubringen vermochte.
"Dann werde auch ich mich dieser Gemeinschaft anschließen", sagte Thranduil zum Erstaunen aller. "So viele Jahre habe ich in meinem Königreich verbracht, nur darauf bedacht, es zu schützen. Ich war starrsinnig, doch nun, wo Mittelerde größeres Unheil als je zuvor bevorsteht, muss auch ich zu den Waffen greifen."
"Dem schließe ich mich an", sprach auch Celeborn. "Ich werde ebenfalls mit euch kommen."
"So wie auch ich", meinte Théoden.
Eldarion sah sie an, die sieben, die diese gefährliche Aufgabe zu bewältigen hatten. Seine zwei Kinder, Aiya und Alassen und seine neugewonnene Schwiegertochter Tingilya sollte er dorthin schicken? Schweren Herzens fügte er sich.
"Ein Zwerg, drei Elben und drei Menschen...so sei es also."
"Ich werde die Heere der Zwerge am Erebor versammeln. Sobald wir auf Moria zumarschieren, werde ich euch benachrichtigen", sagte Durin.
"Kurz war euer Aufenthalt hier, Durin. Wollt ihr euch nach eurem mühsamen Ritt nicht etwas ausruhen?", fragte Eldarion.
"Kurz war er, in der Tat und doch habe ich viel Zeit verloren. Ich breche sofort auf."
Mit diesen Worten verließ Durin den Thronsaal.
Eldarion seufzte. Der Friede in Mittelerde, der über zweihundert Jahre Bestand gehabt hatte, war vorüber. Das Böse erwachte immer von Neuem und Widerstand zu leisten war schwer. Doch für diesen Frieden, den sein Vater geschaffen hatte, lohnte es sich zu kämpfen. Seine Kinder hatten das erkannt, sie würden losziehen, um den Krieg, ohne den kein Friede möglich ist, zu führen. Was konnte er tun? Die Menschen des Ostens und Südens mussten benachrichtigt werden. Der Krieg würde viele Leben kosten und Eldarion wusste nicht, wie groß und mächtig Morgoths Streitmacht war. Er rief seinen Herold.

"Eilvolle Nachricht Eldarions, Sohn Aragorn II. Elessar, Hochkönig von Gondor und Arnor an die Fürsten Umbars, Harads, Khands und Rhûns: Mit brennender Sorge trete ich heute vor euch, ihr Fürsten des Ostens und Südens, einerseits, um euch zu warnen, andererseits, um die Erfüllung der Verträge, die ihr mit meinem Vater, dem ersten Hochkönig des Wiedervereinigten Königreiches, Aragorn II. Elessar, geschlossen habt zu erbitten. Krieg wird kommen über Mittelerde, Krieg über Gondor, Arnor, den Düsterwald, den Erebor und auch über eure Lande. Denn Melkor Morgoth, der schwarze Herrscher, der Herr Saurons ist nach Mittelerde zurückgekehrt, um es zu unterjochen. Keiner wird mehr sicher sein und viele Leben werden verloren gehen für den Frieden, doch das ist es wert. Also zieht mit mir in den Krieg gegen die Dunkelheit! Haltet euer Wort, das ihr meinem Vater einst gabt! Eure Hilfe ist dringend nötig, denn noch wissen wir nicht, wo sich der Feind aufhält. Ich bitte euch um eine Beteiligung an der Suche und um Unterstützung im Kriege. Ich hoffe auf eine baldige Antwort. Gezeichnet mit dem Königssiegel des Königreiches von Gondor und Arnor, Eldarion, Hochkönig des Wiedervereinigten Königreiches."
Der Bote hatte geendet und sah auf. Die Rolle, auf der die Nachricht seines Herrn gestanden hatte, hatte sich von selbst wieder aufgerollt und zog nun die Blicke der vier Fürsten, die vor dem Boten saßen, auf sich. Der Herr von Rhûn, Merac III., Arnasûl von Khand, der Fürst der Haradrim, Nirành und Ar-Pharazôn II., der eigentlich Engnarn hieß, aus Umbar schauten weiterhin schweigend zu ihm auf.
"Meine Herren, wie lautet eure Antwort? Werdet ihr dem Ruf meines Herrn folgen? Werdet ihr an seiner Seite in den Krieg ziehen, wie es in den alten Bündnissen steht?", fragte der Herold mit zitternder Stimme. Die Blicke der Fürsten, die auf ihn gerichtet waren, waren dunkel und drohend und der Bote fürchtete bereits, etwas falsches gesagt zu haben. Doch auf einmal erhob sie Nirành und sah ihn noch tiefer an. Seine dunklen, fast schwarzen Augen bohrten sich tief in sein Gesicht. Das Gesicht des Haradrim-Fürsten war steinhart und das krause, schwarze Haar stand wild vom Kopf ab.
"Geh und berichte deinem Herrn dies: Die Fürsten der Menschen aus dem Osten und dem Süden Mittelerdes werden eine Entscheidung treffen, was die Bedrohung der Dunklen Hand angeht. Wenn diese Entscheidung getroffen ist, wird er sie erfahren, ohne das er weitere Boten schicken muss."
Nirành sah den Boten weiterhin unbeirrt an.
"Lasst uns nun allein. Wir müssen Rat halten, wie dieser Krieg am besten zu führen ist."
Der Herold verneigte sich tief, nahm seine Schriftrolle und verließ schnellstens den Saal. Als sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten, drehte sich Nirành zu den anderen Fürsten der Ostlinge und Südlinge um. Ein hinterhältiges und listiges Grinsen umspielte seine Lippen.
"Ihr Fürsten aus dem Osten und Süden Mittelerdes, ich sage euch: Der Tag, an dem ganz Mittelerde dem Einen unterjocht wird, er ist nicht mehr fern. Die Zeit, die wir als Sklaven für das Wiedervereinigte Königreich verbracht haben, sie ist schon bald um. Dann gibt es nur noch einen König in Mittelerde, denn Melkor Morgoth, der Schaffer und Herrscher von Arda ist erneut erwacht."

Der letzte Silmaril: Morgoths ErweckungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt