XXV

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“Macht euch bereit!“, schallte es durch das dunkelgraue, fast schwarze Gestein des Morannon, der Stelle, an der die nachtschwarzen Berge des Schattengebirges aus dem Süden und die grauen Gipfel des Aschengebirges aus dem Osten aufeinandertrafen. Hier, am einzig bekannten Westausgang aus dem Lande Mordor nach der Zerstörung Minas Morguls, waren mehr als achthundert Soldaten Gondors versammelt, alle in Erwartung des bevorstehenden Gefechts. In der Mitte des Landes marschierten ihre Widersacher über die durch den Ausbruch des Orodruin erneuerte Ebene von Gorgoroth, scheinbar unendliche Reihen an Soldaten. Dies war der eine Teil der Heerschar von Rhûn, Harad und Khand, jener Länder, die sich zur eigenen Befreiung vom Wiedervereinigten Königreich mit der Dunkelheit des Melkor Morgoth verbündet hatten. Nun sollte ihr Heerzug an dieser Stelle, wo vor über zweihundert Jahren Saurons letzte Streitmacht zunichte gemacht worden war, aufgehalten werden. Das Tal von Udûn, welches nach dem Ausbruch des Orodruin mit vulkanischem Gestein gefüllt wurde, sollte nun erneut zum Schauplatz einer entscheidenden Schlacht werden. Auch wenn diese Menschen, die soeben den Rand der Isenmünde betraten und an den Ruinen Durthangs, der alten Festung Gondors und den Überresten des Gorthaur, der Statue Saurons vorbeizogen, nur in etwa die Hälfte des gesamten Heeres der Ostlinge bildeten, so waren sie doch enorm wichtig für die kommende Schlacht, da sie die Ruinen Osgiliaths als Erste erreichen würden. Die andere Hälfte des Heeres machte einen großen Umweg und umging die Dagorlad nördlich über die Braunen Lande, da die mitgeführten Mûmakil, also die Olifanten, den Weg über die Gorgoroth und durch das Tal von Udûn nicht passieren konnten. So harrten also die Soldaten Gondors rechts und links des Udûn, an den Überresten des Schwarzen Tores, aus und erwarteten das bevorstehende Gefecht. Inzwischen hatte sich der Mond zu den dunklen Wolken hinzugesellt und das Tal von Udûn lag in beinahe vollkommener Dunkelheit. Bis auf die noch leisen Marschschritte des anrückenden Heeres war kaum ein Geräusch zu vernehmen, nahezu lautlos bezogen die in schmutziges Grau gehüllten Soldaten aus Gondor rechts und links des Tales ihre Stellungen. Viele der achthundert Mann waren Bogenschützen, trainiert darauf, mit höchster Präzision mehrere Ziele so schnell wie nur möglich auszuschalten. Auf Schnelligkeit würde es heute ankommen, waren die Männer aus dem Westen Mittelerdes doch weit in der Unterzahl.
“Schickt einzelne Leute weiter nach vorne, bis hin zur Durthang“, gab der Kommandant des Trupps im Flüsterton an ein paar seiner Männer weiter. “Sie sollen die Späher der Ostlinge ausschalten.“
Ein kurzes Nicken, dann verschwanden die Männer in der Dunkelheit. Truhon blieb allein zurück und richtete seinen Blick wieder auf das stetig näherrückende Heer. Er zweifelte nicht am Willen und an der Stärke der achthundert, die ihm unterstellt waren, doch das Heer der Ostlinge war so viel größer, dass ihm diese Aufgabe mit jeder Minute unmöglicher erschien. Dennoch würden sie alle ihr Bestes tun, um den Feind aufzuhalten oder wenigstens zu schwächen. Nun war die vorderste Reihe der Krieger nicht einmal mehr eine halbe Meile entfernt und Truhon gab den Befehl zum Bereitmachen. Langsam hob er die Hand. In etwas weniger als vier Minuten würden sich die ersten Krieger in Reichweite ihrer Pfeile befinden. Auf beiden Seiten des Tales zitterten zweihundert Pfeile auf den Sehnen der Bögen und weitere zweihundert Schwerter ruhten in den Händen ihrer Träger. Der Moment zum Angriff war nicht mehr fern und langsam begannen die ersten Schweißtropfen von Truhons Stirn zu perlen. Während seine linke Hand immer noch auf Höhe seines Kopfes verharrte, fuhr die rechte zur Scheide und zog lautlos die matt glänzende Klinge hervor. Das Schild stand griffbereit an sein Bein gelehnt, gleich war es soweit. Die ersten Krieger des Heeres befanden sich bereits fast auf einer Höhe mit den vordersten Bogenschützen Gondors. Die Zeit war gekommen. Truhon packte sein Schild und riss das Schwert in die Höhe. Sogleich ertönten von allen Seiten her der durchdringende Laut von einem Dutzend Hörnern und vierhundert Pfeile verließen ihre Sehnen. Es war atemberaubend, wie gut die Überraschung des Angriffs wirkte. Etwa dreihundert Soldaten fielen unter dem Pfeilhagel und viele weitere unter den Klingen der heranstürzenden Krieger Gondors. Laute Rufe waren im Heer der Ostlinge zu hören und es war offensichtlich, dass sie ob dieses plötzlichen Angriffs mehr als überrascht waren. Weitere Pfeile flogen und noch mehr Ostlinge fielen, bevor die ersten der Menschen aus dem Osten und Süden Mittelerdes die ersten Pfeile an die Sehnen ihrer Bögen gelegt oder ihre Schwert gezogen hatten. Die Schlacht verlief bis jetzt zu ihnen Gunsten und voll Zuversicht sprang Truhon den Abhang des Udûn hinab. Mit blitzendem Schwert und feuriger Miene stürzte er in den Kampf und hieb sogleich einem Ostling den Kopf von den Schultern. Um ihn herum drängten weitere Soldaten Gondors das Heer der Ostlinge immer weiter zurück, sodass sie schon bald die engsten Stellen des Tales von Udûn passiert hatten. Truhon tötete noch sechs weitere Ostlinge, bevor er die erste Wunde zugefügt bekam: Ein großer, bärtiger Mensch mit dunkler Haut und den Zeichen von Harad an der Rüstung streifte mit seiner gewaltigen Axt Truhons linken Oberschenkel und schnitt ihm ins Fleisch. Auch wenn Truhon seinen Gegner danach mit einer geschickten Finte ins Leere laufen ließ, verspürte er doch deutlich den Schmerz, den ihm dieser Schnitt zugefügt hatte. Er holte kurz Luft, dann parierte er den nächsten Schlag seines Widersachers. Dieser kam genauso wuchtig und präzise wie die vorherigen und auch wenn Truhon den Hieb erneut abwehren konnte, spürte er doch, wie seine Arme langsam die Kraft verließ. Wieder fuhr die Axt mit Wucht auf ihn nieder und seine verzweifelte Parade fuhr dazu, dass ihm das Schwert aus der Hand glitt. Den nächsten Schlag wehrte er geistesgegenwärtig mit seinem Schild ab, doch nach einem weiteren, noch heftigeren Schlag barst dessen Holz. Ein hämisches Grinsen stahl sich auf das Gesicht seines Gegners und in Erwartung des sicheren Todes sah Truhon ein letztes Mal auf. Gerade als der Ostling die Axt zum Schlag erhob, fuhr seitlich, zwischen Brustharnisch und Kettenhemd wenn Schwert. Röchelnd sank der Haradrim zusammen uns Truhon blickte auf zu seinem Retter. Ein junger Soldat Gondors, verschmutzt und am Arm blutend, sah zu ihm herunter. Truhon schenkte ihm ein kurzes Nicken als Zeichen seiner Dankbarkeit, dann griff er erneut nach seinem Schwert und rappelte sich auf. In diesem Moment ertönte plötzlich ein Schrei von seiner rechten, instinktiv drehte Truhon sich um. Soldaten der Ostlinge hatten die Felswände links und rechts des Tales von Udûn erklommen und attackierten die Bogenschützen, die dort standen. Truhon erkannte, dass sie die Isenmünde schon beinahe erreicht hatten, doch um die Soldaten Gondors war es schlecht bestellt. Etwa zwei Dutzend von ihnen waren noch am Leben und leisteten verzweifelt Widerstand, doch gegen die Übermacht der Feinde waren sie wehrlos. Zwar hatten sie viele Ostlinge mit in den Tod genommen, doch dieses Heer war immer noch nicht viel schwächer als zuvor. Gerade als er sich wieder umdrehte, rammte ein Ostling Truhons Retter eine Klinge zwischen die Rippen, gerade noch so konnte der Hauptmann selbst einen Angriff abwehren. Dennoch war er am Ende seiner Kräfte und nach zwei weiteren Hieben fiel sein Schwert zum zweiten Mal klappernd zu Boden. Ein Schwertknauf traf hart auf seinen Helm, dann sank er zu Boden und die dunkle Landschaft um ihn herum wurde endgültig schwarz.

Der letzte Silmaril: Morgoths ErweckungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt