Kapitel „12"

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Es ist zwei Tage her, denke ich. Zwei Tage, seit ich aufgewacht bin, immer noch am Leben. Leider. Ich wünschte, ich könnte einfach gehen, weg aus dieser Welt. Sie beschützen mich, die beiden Personen, die schon bei meinem Erwachen hier waren. Ich kenne mittlerweile ihre Namen. Sie heißt Minea und ihr Vater Dyaus. Sie haben nicht viel mit mir sprechen können, doch haben sie mir gesagt, dass sie mich nicht ewig schützen können. Irgendwann werde ich Snow und seiner endlosen Grausamkeit wieder begegnen müssen. Dann wird mich unglaublicher Schmerz wiederfinden und ich sitze dort und kann nichts tun. Schon zwei Tage. Wie lange werde ich noch Zeit haben? Wie lange werde ich noch verschont bleiben? Einen Tag? Weniger? Ich erwarte jeden Moment das Ende meiner Zeit und lässt mich nicht meine Angst verlieren. Zwei Tage schon. Wie komme ich hier raus, raus aus dieser Hölle?
„Katniss, meine Schicht ist um. Ich muss gehen. Es tut mir leid. Mineas Schicht beginnt erst in vier Stunden.", erklärt Dyaus mit entschuldigenden Blick auf mich. Mir ist klar, was das bedeutet. Zwei Tage. Das war alles, was ich bekommen habe. Eigentlich länger als ich erwartet habe.
„Jemand anders hat Schicht, doch ich weiß nicht wer. Vielleicht eine Freundin." Ich nickte bloß. Ich starre an die weiße Decke des Krankenzimmers und fühle meinen Körper zittern. Ein Weg ins Freie gibt es nicht. Ich und Snow, bis in alle Ewigkeit. Und er geht als Sieger hervor, ohne dass es je enden wird. Dyaus geht und ich denke daran, was ich aufgegeben habe, indem ich alles getan habe. Ich habe eine friedliche, wenn auch nicht glückliche, Welt aufgegeben. Ich habe Gale als meinen Weggefährten aufgegeben. Ich habe meine Familie aufgegeben. Ich habe Peeta als Retter in der Not, als Junge mit dem Brot, aufgegeben. Ich habe das Leben vieler aufgegeben und zerstört. Ich habe mich hier hinein gebraucht. Wie soll ich nur das Ganze durchstehen? Wie soll ich überleben? Verdiene ich Freiheit? Ist es überhaupt wichtig, wer was verdient? Oder sollte jeder gleich behandelt werden, egal, was er getan hat? Ist es wichtig, was ich darüber denke? Sollte ich darüber nachdenken?
„Guten Morgen, Katniss. Schön, dass du wach bist.", sticht die kalte Stimme in den Ballon meiner letzten Menge Hoffnung. Jetzt ist meine Zeit komplett vergangen. Ich habe nicht mal bemerkt, dass er hinein gekommen ist. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Snows kalter Blick ist fast schon voller Vorfreude und lässt meine Angst unbeschreiblich werden. Ich weiß, dass ich weine, auch wenn ich nicht darauf achte. Ich werde wohl nicht von hier weg können. Nicht vor dem Tod. Ich werde niemanden mehr sehen, mir etwas bedeutet. Ich kann mir kaum vorstellen, wie Freiheit sich angefühlt hat. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie die Gesichter aussehen, von denen, die ich zu lieben glaube. Ich kann mich an keine Stimme erinnern. Mein Leben vor der fürchterlichen Gefangenschaft ähnelt einem Film, der beim Rennen aufgenommen wurde. Alles ist verwackelt und ungenau, doch noch da. Das Meiste zumindest. Nichts lässt sich wirklich genau erkennen. Ich will flüchten, irgendwie, seit ich hier bin, doch wie ist mir nicht ganz klar. Angst ist meine ständige Begleiterin.
„Nehmt sie mit!", befiehlt Sniw und ich versuche meiner Umwelt auszublenden. Ich schließe meine Augen und mein schwacher Körper ist wie eine Stoffpuppe in den Armen der Friedenswächter.
Das nächste Mal öffne ich meine Augen, als wir in meiner Zelle angekommen, inder ich schlaff zu Boden falle. Die Friedenswächter haben mich losgelassen. Außer Ihnen und mir ist niemand hier, nicht Snow. Ich rühre mich nicht mal einen Millimeter, aus Schwäche, Angst und einem dritten, unbekannten Grund.
Die Zellentür schließt sich und ich bin verwirrt. Warum werde ich in Ruhe gelassen? Alleine in meiner Zelle, die Friedenswächter sind weg, ich bin nicht an die Wand gekettet. Warum? Die vermeintliche Ruhe war ein Irrtum. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Die Friedenswächter sind wieder da. Nicht nur die zwei. Es sind fünf Friedenswächter, die alle bepackt sind. Nebeneinander herlaufend füllen sie den Gang gerade mal so aus, zumindest in der Breite gesehen. Ein Friedenswächter trägt einen Stuhl in den Händen und einen Rucksack auf dem Rücken. Ein anderer schiebt einen Fernseher vor sich her. Der nächste hat in jeder Hand einen großen Kasten. Der vierte und der fünfte trägt jeweils einen Rucksack auf den Rücken und je einen pro Hand. Was sie mit den ganzen Zeug vorhaben?
Ich beobachte sie, wie sie den Fernseher aufbauen und anschließen, sodass ich den Bildschirm genau sehe. Ich beobachte, wie sie die Zellentür öffnen und die Gegenstände, die noch nicht benutzt wurden, in meine Zelle mit hinein bringen. Ich spüre, wie sie meinen wehrlosen Körper auf den Stuhl setzen und mit Handschellen und Fußfesseln befestigen. Ich spüre jeden der Dornen sich in meine Haut bohren, die in die Fesseln eingearbeitet sind. Während des ganzen Vorgangs gebe ich keinen Ton von mir. Ich sehe, wie sie noch viel mehr anschließen, nur nicht an den Fernseher, sondern an mir. Drei der Friedenswächter gehen wieder und ich spüre etwas mein Körper rauschen. Panik kommt hoch. Ich kann das ganze nur über mich ergehen lassen, während sich mein Körper in mir streitet. Es könnten Wochen vergangen sein, bis mir schwarz vor Augen wird.

Um euch eine Vorstellung zu geben, wie lang das Buch noch wird: Die Originalen sind ja immer durch drei geteilt. Ich bin mit meiner Fanfiktion gerade kurz vor Ende des ersten Teils!

Pausiert gefangener SpotttölpelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt