„Ist gut. Auf Wiedersehen!" Ich stoppe die Verbindung und verstaue das Gerät im Safe im Schrank. Dann verlasse ich die Wohnung meines Vaters. Plötzlich hält jemand mein Handgelenk fest. Ich schaue mich um und sehe Carnifexo.
„Hi!", sage ich ganz warm und fröhlich. Doch er sieht nicht fröhlich aus.
„Mit wem hast du gesprochen? Was hast Du hier getan? Du wohnst nicht hier!", will er wissen.
„Mit niemandem... Ich meine, nichts... Ich meine, ich habe bloß auf die Katze aufgepasst und mit jemanden telefoniert. Mit Angel.", antworte ich schnell. Carnifexo ist ein muskulöser, mittelgroße, stämmiger Mann am Ende der Vierziger. Er hatte schon immer eine Ausstrahlung, die andere fürchten. Angsteinflößend, bedrohlich, einschüchtert. Gerade deshalb ist er ein so guter Friedenswächter.
Er holt mit der Hand aus und ich zucke zurück. „Nein", schreie ich.
„Sag die Wahrheit, sonst knallt's!", ruft er. Carnifexo muss etwas von meinem Gespräch mitbekommen haben oder mich sowieso in Verdacht haben. Ich kann mich nur schlecht verteidigen und ihn nicht loswerden. Er hält mein Handgelenk immer noch fest und lässt sich nicht losreißen.
„Lass mich los, was soll das!? Ich sage die Wahrheit!", erwidere ich.
Wieder holt er aus und schlägt mit Mitten ins Gesicht. Zunächst bin ich bloß geschockt, dann spüre ich, wie sich der Schmerz in meinem Gesicht ausbreitet. „Was soll das?", frage ich. Der Schmerz benebelt mich vollständig.
„Ich glaub' die kein Wort!", brüllt er. „Mit wem hast du gesprochen?"
„Mit niemanden, lass mich!", schreie ich.
„Ich habe dich gehört!"
Meine Nase, die er getroffen hat, pulsiert. Es rauscht in meinen Ohren und von meinen Augen verschwimmt alles. „Soll ich dich noch mal schlagen?", sagt er und holt wieder aus. Ich antworte nicht. „Ich will die Wahrheit wissen!" Wieder antworte ich nicht. „Ansonsten..." Er holt zum vierten Mal aus und ich weiche vor ihm zurück, soweit wie möglich. Ich treffe mit den Rücken an die Wand. Er hält mich noch einmal fest und lässt sich nicht abschütteln. Ich schweige und sehe ihn nur an, eingeschüchtert. Wie soll ich hier nur rauskommen? Er glaubt mir einfach nicht!
„Ich kann dir auch viel Schlimmeres antun, wenn du jetzt nicht sofort mit der Sprache rausrückst!", droht er.
„Ich sage die Wahrheit! Ich habe bloß mit Angel gesprochen, während ich auf die Katze meines Vaters aufgepasst habe!", spreche ich flehend aus.
„Na schön! Ganz wie du willst!", ruft er aus und schlägt mich erneut, diesmal in den Magen. Ich krümme mich vor Schmerz und habe das Gefühl, dass ich mich gleich übergeben muss. In meiner Wertlosigkeit schafft er es problemlos, mich mitzunehmen und meine Hände in Handschellen zu legen. Die Menschen auf der Straße, auf der wir mittlerweile sind, ohne dass ich mich wehren konnte, starren uns an. Und ich starre auf das Auto, auf dass Carnifexo mich zuschiebt. Ich bekomme endlich wieder Luft und versuche irgendwie zu kämpfen, mich irgendwie zu befreien.
„Lass mich los! Loslassen! Hilfe! Helft mir doch! Ich habe die doch gesagt, ich habe nichts getan! Nur auf die Katze aufgepasst!"
„Ruhe, du Miststück!", brüllt er und tritt mich. Ich habe Angst. Sie wissen nicht, dass sie nach mir suchen müssen, wenn sie hier sind, ich weiß aber eine ganze Menge über sie und ihre Pläne. Wie lange könnte ich in so einer Befragung standhalten? Wie lange würde es dauern, bis ich alles sage, was ich weiß? Was würde dort aus mir werden?
Wie hielt Miss Everdeen nur diese ständige Angst aus? Wie hält sie es noch heute aus?
Er schubst nicht durch die Autotür, die ein anderer Friedenswächter aufhält, und steigt nach mir durch die Tür ein.
„Was willst du von mir?", stelle ich die Frage.
„Sei bloß still!", mahnt er mich und schnallt mich an. Dann holt er weitere Fesseln, mit deren Hilfe er mich im Zaum halten kann. Mit weit aufgerissenen Augen beobachte ich seine Hände, die meinen Körper jegliche Bewegungsfreiheit nehmen, bevor er sich anschnallt und dem Friedenswächter vorne ein Zeichen gibt, damit wir losfahren.
„Du hast wohl gar kein Gewissen, oder? Wir waren mal Freunde.", werfe ich ihm an den Kopf. Und er holt Klebeband raus und versiegelt so meinen Mund.
„Ich brauche keine Freundin, die mich außen vor lässt, während sie den armen, armen Mördern hilft."
Ich würde gerne etwas erwidern, doch das Klebeband lässt kein Wort durch. Ich kann ihn nur ansehen, während wir fahren. Es ist ein kurzer Weg, bis wir aussteigen müssen und die Beiden mich in meinen eigenen Arbeitsplatz hinein bringen. Nie habe ich mir vorstellen können, dort Gefangene zu sein. Ich wusste, dass es jederzeit passieren könnte, ich als wichtige Person des Untergrunds, doch ich habe mir nichts vorstellen können. Und jetzt ist es soweit.
Sie zerren mich in eines der ersten Befragungsräume ein Stockwerk tiefer. Es ist ein kleiner Raum. Zwei Stühle, einer davon mit Eisenfesseln, dazwischen ein Tisch mit Knöpfen. Vielen Knöpfen. Zehn. Der zweite Friedensrichter nimmt meine Fesseln ab und stößt mich auf meinen Stuhl. Bevor ich reagieren kann, sind meine Hände bereits befestigt. Weitere Fesseln legt er mir an meinen Fußgelenken, meinem Brustkorb und meiner Stirn an, sodass ich mich nicht bewegen kann und Carnifexo direkt ansehen muss, der auf dem Stuhl gegenüber platznimmt.
„Wenn wir dir das Klebeband abnehmen wirst du nur die Wahrheit sagen.", ermahnt er mich und nickt den anderen Friedenswächter zu. Dieser zieht das Klebeband ab. „Mit wem hast du gesprochen?" Ich schweige und Carnifexo nickt. Ich spüre ein Schlag gegen meine Schulter, schweige aber weiter. Mein Mund bleibt geschlossen, auch wenn ich Schmerzen habe und die Luft durch die Nase ziehe.
„Wer ist noch Spion?", will Carnifexo wissen. Ich bleibe stumm. Erneut nickt er und ein Schlag trifft meine Lippe. Sie platzt auf und das Blut läuft herrunter.
Carnifexos Finger schwebt in der Luft über den Knöpfen. „Wir haben Zeit oder Ende, Minea. Und eine große Auswahl. Jeder Schmerz wird schlimmer sein als der letzte. Aber du kannst es stoppen. Sag nur die Wahrheit: mit wem hast du gesprochen?"
Ich bin einem Avox gleich, lautlos. Wenn ich tatsächlich einer wäre, müsste ich nicht so sehr darum kämpfen, nichts zu verraten. Carnifexo drückt den Knopf, der von mir aus ganz links ist.
Eine unglaubliche Qual. Jedes meiner Muskeln tut weh. Mein ganzer Körper scheint zu brennen. Messer scheinen mich überall aufzuschneiden. Ich könnte schreien, doch darf ich nicht. Ich darf mein Schweigen nicht brechen, sonst werde ich noch etwas verraten. Ich darf nicht zeigen, was für Schmerzen ich habe, sonst gewinnen sie. Mein Kopf scheint zu bersten, mein Körper zu verätzen. Der Schmerz ist unberechenbar und unbeschreiblich.
Dann ist es vorbei. Durch meinen verschwommenen Blick sehe ich den lächelnden Carnifexo an. „Na? Hat's Spaß gemacht?" Ich entgegne nichts. „Schweigen kannst du ziemlich gut. Vielleicht wurdest du deshalb für die Gehirnwäsche ausgewählt. Aber du musst noch lernen, wann es besser ist, zu reden. Es scheint dir ja keinen Spaß machen. Nun gut." Er macht eine Pause. „Was haben sie vor?" Ich hülle mich ins Schweigen, versetze mich zum Avox. Ich werde nicht reden. Carnifexo drückt auf den nächsten Knopf und ich muss mit Grauen feststellen, dass er nicht gelogen hat. Jeder Schmerz wird schlimmer sein als der letzte. Unüberwindbarer, grausamer Schmerz.
Ich kann kaum atmen, doch halte ich meinen Mund geschlossen. „Was hat Coin vor? Was ist ihr Plan?" Ich rede nicht.
Bis zum siebten Knopf halte ich so durch, dann schreie ich. „Er gehört noch zu dir?", fragt Carnifexo.
„Ich werde niemanden verraten!", bringe ich trotz des Schmerzes heraus. Er drückt den nächsten Knopf und wieder schreie ich.
Nachdem ich trotz des letzten Knopfes nicht spreche, spricht Carnifexo: „Wir haben noch sehr viel mehr auf Lager!" Und er geht hinaus. Die anderen Friedenswächter lösen die Fesseln und machen neue dran. Schleifen mich heraus.
Sie zerren mich zwei Stockwerke hinunter, bevor alles dunkel wird. Dunkelheit, auf die ich vorbereitet bin.
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Pausiert gefangener Spotttölpel
FanfictionZur Adoption freigegeben Was wäre wenn Katniss im Kapitol wäre? Das wundervolle Cover hat SailingFan mir gemacht! Vielen lieben Dank! »Ich spüre seinen Atem in meinem Gesicht und dann einen heftigen Schlag im Gesicht. Ich reiße meine Augen auf und...