Kapitel 11

392 17 0
                                    


stand there like a ghost, shaking from the rain


Sie blieb für den Rest des Abends auf ihrem Zimmer und versuchte, aus seinem Verhalten schlau zu werden, aber es gelang ihr nicht wirklich. Dann irgendwann, es musste kurz vor halb 12 gewesen sein, fasste sie sich ans Herz. Und mit dem Mantra, wer nicht wagt, der nicht gewinnt,machte sie sich auf den Weg zu Harrys Zimmer. Aber auf ihr Klopfen öffnete niemand. So trieb es sie in die Hotelbar, sich ein bisschen Mut anzutrinken, schadete ja nicht. Sie traute ihren Augen nicht, als sie ihn erblickte. Ganz alleine und einsam, saß er an der Bar, in sich zusammengesunken. Er schaute nicht auf, als sie sich zu ihm setzte. Der Barkeeper bemerkte sie sehr wohl, und sie bestellte mit einem einfachen Handzeichen, dasselbe, was Harry bereits in mehrfacher Ausführung vor sich hatte. So schlecht konnte es also nicht sein. Dann räusperte sie sich, um sich bemerkbar zu machen. Sein Kopf fuhr augenblicklich herum, sein, vom Alkohol vernebeltes Gehirn brauchte einen Moment bis es begriff, wen es vor sich hatte. Als Harry klar wurde, dass Taylor vor ihm saß, weiteten sich seinen Augen für einen Augenblick. Dann starrte er wieder auf den Boden seines leeren Glases.


Der Alkoholpegel stieg seit zwei Stunden stetig. Wer behauptete denn, zu einem richtigen Urlaub gehöre kein richtiges Besäufnis? Harry vertrug zwar mehr als sie, aber deutlich weniger als erwartet. Er war ja kein Strich in der Landschaft, er hätte etwas aushalten müssen, aber seine Alkoholverträglichkeit kam nach einem Strich in der Landschaft. Außerdem hatte er ja schon ordentlich vorgelegt, bevor sie dazugestoßen war. Irgendwann signalisierte der Barkeeper deutlich, dass er auch endlich nach Hause gehen wolle. Also machten sich Taylor und Harry auf den Weg zu ihren Zimmern. Nein, sie stolperten. Sie stützten sich aufeinander, anders hätten sie sich vermutlich nicht auf den Beinen halten können. Plötzlich war es für Taylor ganz normal, dass Harrys Hand auf ihrer Hüfte lag, und sein Gesicht so nah, wie bei ihrem beinahe Kuss vor wenigen Tagen, war. Sie kamen nur langsam voran, erst stiegen sie im falschen Stockwerkaus, dann verliefen sie sich mehrmals in den weitläufigen Fluren des Continental Hotels, und doch schien es Taylor, als ginge alles viel zu schnell vorbei. Schon standen sie vor den richtigen Türen, und es wäre Zeit gewesen, sich zu verabschieden.

»Also dann... schlaf gut«, ein peinliches Schweigen entstand, plötzlich war sie viel zu nüchtern. Sie zog ihre Schlüsselkarte durch das Schloss, aber als sie die Türklinke drückte, griff Harry auf einmal nach ihrer freien Hand, und zog sie zurück zu sich. Taylor konnte ihr Gleichgewicht durch sein plötzliches Handeln nicht halten und stieß gegen ihn. Er taumelte von ihrem Gewicht und musste sich an der Wand abstützen um nicht hinzufallen. Sie waren sich ganz nah. Plötzlich fand sie sich wieder, eingeklemmt zwischen Harry, der schwer atmete und der Flurwand. Sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt, seine grünen Augen leuchteten und im Schummerlicht,wirkten sie noch viel intensiver, als bei normalem Tageslicht. Dann ging alles sehr schnell. Er presse seine Lippen auf ihre, bevor sie reagieren konnte. Sie brauchte eine Millisekunde, um zu verstehen was passierte, dann erwiderte sie den Kuss unwillkürlich.

Alles Unausgesprochene, alle Zweifel, die Eifersucht, die gebrochenen Herzen, Alles fand in diesem Kuss platz. Sie küssten sich nicht, wie zwei Menschen, die sich endlich, nach langer Suche, gefunden haben.Sie waren zwei Schiffbrüchige, die sich verzweifelt aneinanderklammerten, wie ein heimliches Liebespaar, das niemals zusammen sein darf, und doch niemals jemand so lieben wird, wie den Gegenüber. Aber es fühlte sich nicht verboten an, sondern genau richtig. Der Kuss war so abrupt vorbei, wie er begonnen hatte. Taylor löste sich als Erstes, ihr Verstand hatte wieder eingesetzt. Harry war sehr betrunken, wer wusste, ob er sich morgen noch an diesen Abend erinnerte. Sie fuhr morgen mit Connor in den Urlaub, sie sollte das nicht für einen einzigen Kuss, egal wie gut er gewesen war und wie richtig er sich angefühlt hatte, wegwerfen. So kopflos konnte sie nicht sein. Taylor stolperte irgendwie zurück in ihr Zimmer und verschloss die Tür.

Just A Little Bit Of Your HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt