7. Kapitel (Caroline)

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Als ich das hörte, erinnerte ich mich an Ronan, den Kerl, den ich gestern in der Pizzeria kennengelernt hatte. Der mit den hellen Augen. Der Vielleicht-Engel. Um meine Neugier über sein Geheimnis zu befriedigen, konnte ich gar nicht schnell genug „Ja, gute Idee" sagen. Den restlichen Schultag über, konnte ich an nichts anderes denken, als ihn wiederzusehen und ich schob es auf die Tatsache, dass er ein Engel sein könnte, anstatt auf sein Aussehen. Vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, mich auf meiner Suche nach Vergeltung, zu unterstützen. Vergeltung für meine Eltern, die von einem widerlichen Dämon getötet worden waren. Natürlich hatte ich Nachforschungen angestellt, doch bisher ohne Erfolg. Ich war mir sicher, dass ich ihn mit einem Engel an meiner Seite entlarven und endgültig zur Strecke bringen konnte. Bei dem Gedanken an meine Eltern wurde mir ganz komisch und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Die Trauer schien mich schier zu überwältigen. Man musste mir meinen Gefühlszustand angesehen haben, denn Shade erkundigte sich besorgt: „Alles okay?" Da ich einem beinahe wildfremden Menschen nicht meine gesamte, tragische Lebensgeschichte erzählen wollte, sagte ich nur: „Ja, klar. Ich hab nur an...Mr. Allen gedacht und dieses bescheuerte Referat, das wir halten müssen." Shade nickte, doch trotzdem wirkte sie misstrauisch. „Was denn für ein Referat?", fragte der Junge, der mich vor kurzem so überfallen hatte. Traurigerweise war das mein erster Kuss seit sehr langer Zeit. Wenn man die liebevollen Schmatzer meiner kleinen Schwester nicht mitzählte. Kurz und knapp erklärte Shade im die ganze Situation: „ Wir haben ein Referat als Strafe bei Allen aufgehalst bekommen, dafür, dass wir „angeblich" nicht aufgepasste hatten." Der junge Mann grinste selbstgefällig und meinte: „Das geschieht dir recht für meine sechs in Spanisch." Darauf ging Shade sofort ein: „Du hättest auch einfach ins Haus gehen und lernen können, Alex!" Sie zwinkerte ihm zu und dem Blickaustausch der beiden zu urteilen, wollte ich nicht genau wissen, was vorgefallen war. Als es klingelte, verabschiedeten wir uns von Alex und machten uns auf den Weg in die Klasse, damit wir Allen nicht noch einen Grund gaben, uns zu hassen.

Letztendlich klingelte es zum Ende der Schule und schnell packte ich meine Sachen zusammen. Der Kater von heute Morgen war inzwischen verschwunden und mein Kopf dröhnte auch nicht mehr so wie vorher. Alex wartete, lässig an die Wand lehnend, auf dem Schulflur auf uns. Kaum hatte er erkannt, dass Shade einen Stapel Bücher in den Armen hielt, kam er schnell auf sie zu und nahm sie ihr, trotz Proteste ihrerseits, von wegen sie sei doch kein kleines Mädchen, ab. Ich fand es einfach nur knuffig, erst recht, dass Alex gar nicht merkte, dass er die Blicke aller anderen Mädchen auf sich zog und sich nur für seine Freundin interessierte. Seufzend strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und folgte den beiden, als sie sich auf den Weg nach draußen machten. Nachdem wir unsere Bücher in die Spinde gebracht hatten, verließen wir die Schule und steuerten auf die Straße zu. Das Puzzles war nicht weit von hier, wie mir Alex erklärte. Außerdem meinte er, es sei seine Stammbar, da sie zwei Bekannten von ihnen gehörte. Auf dem Weg dorthin bemerkte ich, dass Alex und Shade sich nicht einmal berührten, was mich ziemlich verwunderte, da sie in der Schule nicht so zimperlich gewesen sind, ihre Beziehung öffentlich zu zeigen. Außerdem, wäre Alex mein Freund, könnte ich die Finger nicht von ihm lassen.

Von außen war die Bar mit großen Leuchtbuchstaben leicht auszumachen, neben den weniger auffälligen Geschäftseingängen, darunter ein Porzellanladen, der seltsamerweise „Teeservice" hieß. Zu dritt steuerten wir auf den Eingang zu, einer großen schwarzen Tür. Im Inneren der Bar war es dunkel und gelegentlich aufblitzenden Lichter wiesen den Weg zur Theke. „Geht ihr schon mal einen Tisch suchen, ok? Ich hol die erste Runde. Was wollt ihr?", erkundigte ich mich. Alex antwortete mit einem Lächeln: „Eine Flasche Whiskey und zwei Gläser...außer wenn du auch willst." Zweifelnd machte ich darauf aufmerksam: „Aber wir sind doch noch nicht volljährig." Vor den anderen wollte ich nicht wie ein richtiger Alkoholiker wirken. Alex schmunzelte: „Sag dem Barkeeper, Alex schickt dich. Dann gibt's keine Probleme." Misstrauisch stolperte ich zur Theke, hinter der tatsächlich Ronan mit einigen Flaschen hantierte. Auf den Hockern davor saßen einige Gäste, die entweder miteinander sprachen oder in ihr Handy blickten. Niemand würde mir zuhören. „Hey", begrüßte ich ihn fröhlich. „Bist du nicht der Typ mit der Pizza?" Als würde ich ihn nicht wiedererkennen. Er drehte sich um und sah genauso gut aus wie gestern Abend, wenn nicht besser. Sein schwarzes T-Shirt schmiegte sich an seinen muskulösen Körper und seine gleichfarbige Hose stand ihm ausgezeichnet. Natürlich, dachte ich neidisch. Erschrocken drehte er sich um und blickte mich, nach einem kurzem Moment der Verwirrung, mit einem Lächeln an: „Hast du also auch hierhergefunden?" In seine hellen Augen schauend konnte ich nur wie blöd nicken.

Im selben Moment fiel mir ein weiterer junger Mann auf, der aus Versehen ein Glas fallen ließ, das in tausend Splitter zerbrach. Genervt stellte er sein Tablett mit leeren Gläsern auf die Theke und holte hinter dieser eine kleine Kehrschaufel samt Besen hervor, um seine Sauerei wegzuputzen. Er hatte schwarze, verwuschelte Haare, die ihm immer wieder ins Gesicht fielen und breite Schultern. An seinem Ausschnitt konnte ich erkennen, dass er ein Tattoo auf der Brust hatte, welches sich bis zum Hals hinaufschlängelte. Sein Drei-Tage-Bart war genauso dunkel wie sein Haar. Ronan unterbrach meine Gedanken mit einem professionellen: „Und, was möchtest du?" Wie aus einer Trance gerissen, antwortete ich: „ Eine Flasche Whiskey und drei Gläser. Ähm...ich soll noch sagen...Alex schickt mich." Mit einem unterdrücktem Lachen meinte er, während er die Getränke holte: „ Ist er schon wieder hier?" „Ja. Ähm...", wieder vom anderen abgelenkt, der inzwischen die Scherben aufgekehrt hatte, fragte ich neugierig: „Wer ist das?" „Mein Bruder, Derek." Peinlich berührt blickte ich zur Seite, als Derek sich gerade umdrehte und ich seine Vorderseite mit den hellen Augen sah. „Was?", grinste Ronan. „Naja...ich hatte ihn mir ein bisschen anders vorgestellt." „Wie anders?", hakte er nach. „Etwas...fester." Als er das hörte, begann er schallend zu lachen und rief seinen Bruder her. Ich konnte gerade noch „Nein, bitte nicht"; sagen, als er dem herbeigerufenen Derek erzählte: „Carry hier hält dich für einen Fettsack." Vor Scham schoss mir das Blut ins Gesicht, doch Derek lachte so herzlich, dass es mir nichts mehr ausmachte. Kurz entschlossen packte er den Saum seines ebenfalls schwarzen T-Shirts, zog es hoch, entblößte kurz seinen muskulösen Bauch und schniefte gespielt mit großen Augen: „Seh ich darin wirklich so fett aus?" Während ich immer noch perplex auf seine nun bedeckten Bauch starrte, warf Ronan ihm genervt vor, er solle das nicht jedes Mal machen, wenn ein hübsches Mädchen zum Tresen kam. Dass er mich als hübsch bezeichnete, schmeichelte mich so sehr, dass ich die Getränke nahm, die Ronan auf den Tresen gestellt hatte und mich hastig verabschiedete, mit dem Versprechen, bald widerzukommen. Dereks tiefes Lachen hörte ich bis zu unserem Tisch.

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Shadow of LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt