5. Kapitel (Caroline)

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„Ha!", hörte ich jemandem im Inneren der Wohnung schreien. „Jetzt hab ich dich...Tony?", erkundigte sich die Stimme, als ich den Eimer abnahm und ihn neben mir fallen ließ. „Ähm...nein. Ich bin hier", kam es von hinten und Tony betrat das Zimmer. Zuerst war ich zu keiner Reaktion fähig, da der Schock über die Kälte des Wassers mir den Atem raubte, doch dann begann ich hemmungslos zu lachen, während das Wasser eine Pfütze auf dem Boden bildete. Der Unbekannte, der wahrscheinlich Sam war, lächelte mich zögerlich an und entschuldigte sich, was ich mit einer Handbewegung quittierte. Julia, die ich bereits kannte und mit der ich schon einiges erlebt hatte, kam hinter Sam hervor und begrüßte mich herzlich, ohne mich zu berühren, da ich patschnass war. Kurz darauf ging sie auf Tony zu, der hinter mir zu und küsste ihn kurz, aber leidenschaftlich. „Seit wann seit ihr denn zusammen?"; erkundigte ich mich verwirrt. Ich freute mich für sie. Niemand hatte es so sehr verdient glücklich zu sein wie sie. „Seit ein paar Monaten, ist noch relativ frisch"; antwortet Julia. In ihren Augen konnte ich sehen, dass sie ihn wirklich liebte und daran wie Tony sie ihm Arm hielt konnte ich sehen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Nun kam Sam auf mich zu und reichte mir die Hand: „Ich bin Sam Drown. Schön, dich kennenzulernen. Tut mir leid wegen dem...Eimer und dem...Wasser." Er wirkte zerknirscht, wie er immer wieder zu Boden blickte, mir jedoch ab und zu verstohlenen Seitenblicke zu, die ich lächelnd erwiderte.

Tony zog meine Koffer in die Wohnung und ich musste daran denken, wie viel Glück ich hatte, dass ich den Koffer nicht gehabt hatte, ansonsten hätte ich nichts Trockenes zum Anziehen für meinen ersten Schultag morgen. Ich trat mehr in die Wohnung und sah mich um, während Tony und Julia mir alles erzählten, was passiert war, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, wobei ein ehemaliger Vampirclan in der Stadt nicht das Schlimmste war. Sie führten mich durch cremefarbene Gänge in mein neues Zimmer, ein erdbeerfarbener Raum mit hoher Decke und einem großen Bett mit vielen Kissen an der einen und einem Schreibtisch mit einer hübschen kleinen Lampe auf der anderen Seite. Sofort wurde mir klar, dass Julia für die Zimmereinrichtung gesorgt hatte. Sie kannte mich immer noch am besten. Von der Decke hing eine schwarze Lampe und neben ihr spendete ein Fenster an der Nordseite des Raums ebenfalls Licht, mit dem man über die Stadt blicken konnte.

Tony hatte mir den Koffer ins Zimmer geschoben und sagte mit freundlichem Ton: „Richte dich erst mal ein. Später gehen wir dann feiern." Bevor ich ablehnen konnte, schloss er auch schon die Tür und war verschwunden. Zufrieden ließ ich mich auf mein Bett fallen und knuddelte die weiche Decke. Kurz bevor ich einschlafen konnte, fiel mir schlagartig, dass ich mich zu recht machen und noch ein wenig auspacken musste, bevor wir ausgingen und Memphis unsicher machen würden. In meinem Koffer wühlte ich nach meinem Schminkkoffer, den meine kleine Schwester ausgesucht und Timothy mir als Abschiedsgeschenk gekauft hatte. Während ich das übliche Make-Up auflegte, ließ ich nebenbei meine Lieblingssongs auf dem Handy laufen. Danach, als ich einigermaßen zufrieden war, kämmte ich mir kurz die Haare und wühlte ihm meinem Koffer nach einem dunkelgrünen Kleid mit V-Ausschnitt. Die anderen hatten sich auch zurechtgemacht und plötzlich konnte ich es kaum erwarten, mehr von der Stadt zu sehen. „Gehen wir zuerst Pizza essen", schlug Tony vor und wir alle nickten zufrieden.

Das Lokal, welches Tony aussuchte, war ein Self-Service Lokal und nachdem wir uns alle einen runden Tisch in der Ecke ergattert hatten, ging ich zur Theke um zu bestellen. Dort stand aber bereits jemand. Ein sehr, sehr hübscher Jemand. Da ich ihn nur von hinten sah, konnte ich nicht viel erkennen, abgesehen von den dunkelbraunen Haaren und seinen breiten, muskulösen Schultern. Er trug eine dunkle Jeans und eine braune Lederjacke, die gut zu seinen schwarzen Schuhen passten. „Eine Familienpizza, bitte. Mit extra viel Käse", sprach er mit tiefer, samtweicher Stimmer, bei der ich eine Gänsehaut bekam. Um mit ihm ins Gespräch zu kommen, was in meiner Situation sicher jedes weibliche Wesen, das nicht lesbisch ist, tun würde, sprach ich ihn an: „Ist die Pizza für deine Familie?" Als er merkte, dass ich mit redete, drehte sich dieser wahnsinnig heiße Typ um, blickte mich kurz aus so hellen Augen an, dass sie silbern wirkten, an, wurde rot und erwiderte: „Nein...für meinen Bruder." Unterdrückt musste ich lachen, als ich an seinen Bruder dachte, der vermutlich nicht der Sportlichste war und wahrscheinlich den ganzen Tag auf der Couch lag. Dagegen sah sein Bruder richtig gut aus, wie ich nur immer wiederholen konnte. „Wie heißt du?", unterbrach er meine Gedankengänge peinlich berührt und seine von Bartstoppeln bedeckten Wangen nahmen wieder eine normale Farbe an. „Carry und du?" „Ronan." Ich ließ mir den Namen durch den Kopf gehen und fand ihn ziemlich ungewöhnlich. Bevor das Schweigen unangenehm werden konnte, kam der Pizzatyp und überreichte Ronan die Pizza, der sich mit einem freundlichen „Komm mich doch mal im Puzzles besuchen. Ich arbeite dort." und einem Lächeln verabschiedete und gleichzeitig die Pizza seines Bruder bezahlte. Erst nachdem ich bestellt hatte und wieder auf dem Weg zu unserem Tisch war, erinnerte ich mich daran, dass nur Engel solche Augen hatten wie er.

Den ganzen Abend über konnte ich nicht vergessen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben einen vermeintlichen Engel getroffen hatte und dieser mich sogar eingeladen hatte, ihn zu besuchen. Den anderen hatte ich noch nichts von Ronan erzählt, da Engel zwar nicht zu unserem Jagdgebiet gehörten, dennoch würden sie sicher mit ihm reden wollen und ihn somit vermutlich auch vergraulen. Am Ende wusste ich vor lauter Alkohol und silbernen Augen nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen war. Jedenfalls schlief ich um vier in der Früh zum ersten Mal in meinem neuen Bett.

Am nächsten Morgen hatten wir alle ziemlich viel Stress und einen Kater, sodass wir jedes laute Geräusch verfluchten. Irgendwann flüsterte Tony kaum hörbar: „Wir müssen los. Sonst schaffen wir es nicht mehr pünktlich zur Schule!" Mit so starken Kopfschmerzen, dass mir vorkam, mein Schädel müsse explodieren, fuhr ich ihn an: „Pssst!" Sam holte, bevor wir gingen, seinen Kopf aus dem Eimer, in dem wir zuvor kaltes Wasser gegeben hatte. Julia gab auf dem Weg zur Schule in Tonys Auto auf dem Beifahrersitz Geräusche von sich, als würde sie jeden Moment sterben und ich konnte es ihr nicht mal verdenken. Als Tony, dem es am besten von uns ging, auch nur Anstalten machte, das Radio anzuschalten, flüsterte: „Ich liebe dich ja Schatz, aber wenn du das machst, wirst du in Zukunft für immer alleine schlafen müssen." Hastig zog er die Hand zurück und fuhr schweigend weiter, bis wir zwanzig Minuten nach Unterrichtsbeginn in die Schule kamen. Tony zeigte mir eilig, wo mein Klassenzimmer war, bis auch er mit Julia schnell in ihre Klasse eilte. Sam wünschte mir noch viel Glück mit meinem neuen Klassenlehrer Benedict Allen, wobei er ein mitleidiges Lächeln unterdrückte, was mich misstrauisch machte. Als ich die Tür aufriss und den Mund öffnete, um mich für meine Verspätung zu entschuldigen, empfing mich ein hochgewachsener Mann mit bereits ergrautem Haar und aufmerksamen hellbraunen Raubvogelaugen mit einem sarkastischen: „ Ich nehme an Sie sind Caroline Black? Ich freue mich, dass Sie uns die Ehre erweisen, uns mit Ihrer Anwesenheit zu beglücken, Miss Black."

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