15. Kapitel (Caroline)

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„Wir sind da", informierte mich Ronan und lächelte zufrieden. Er schaltete den Motor aus und meinte: „So schnell war ich noch nie hier. Carry, alles in Ordnung?" Bis jetzt hatte ich nicht auf seine Worte reagiert, da ich zu sehr damit beschäftigt war, mich an meinen Sitz zu klammern und starr geradeaus zu schauen. Leicht schüttelte er mich an der Schulter: „Carry?" „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Schrottkarre so schnell fahren kann", flüsterte ich perplex und atmete einmal tief ein, um mich zu beruhigen. Während ich langsam versuchte, meine Finger vom Sitz zu lösen, meinte Ronan eingeschnappt: „ Schrottkarre?" Ich hatte ihn vermutlich in seinem männlichen Stolz gekränkt. „Ähm, ja...danke. Jedenfalls muss ich jetzt mal...los." Ungelenk öffnete ich die Autotür und taumelte auf die Straße, froh, mich endlich wieder auf meine eigenen Beine stützen zu können. Bevor die Situation noch unangenehmer werden konnte, verabschiedete ich mich und ging auf die unterirdische Kunstgalerie zu, deren Eingang im Dunkeln nur schwer zu erkennen war. Auf der Suche nach meinen Freunden ließ ich meinen Blick umherschweifen, doch konnte ich sie nirgends entdecken. Von wegen Pünktlichkeit... Hinter mir hörte ich den stotternden Motor und war recht überrascht, dass Ronan, obwohl er gerade noch beleidigt mit mir war, die Fensterscheibe runterließ, als er neben mir hielt. Er streckte den Kopf raus und fragte: „ Hey, ähm...ich wollte nur noch fragen, ob du morgen Abend schon was vor hast?" Überrumpelt erkundigte ich mich verblüfft: „Nein, warum?" Eine leichte Röte überzog seine Wangen und er fuhr fort: „Wie wär's, wenn wir morgen Abend was trinken gehen würden? Im Puzzles." Aufgeregt musste ich schlucken: „Du meinst...eine Art Date?" Etwas sicherer erwiderte er: „Nicht eine Art Date...ein Date." Zuerst brachte ich kein Wort heraus, bis ich mich erinnerte, wie lächerlich das war. „Ja, klingt gut", sagte ich, ohne darüber nachzudenken. Nachdem er mir noch einmal zugelächelt und ich mich dafür verflucht hatte, ohne Nachzudenken einfach ja gesagt zu haben, entdeckte ich schon, wie Tony, Sam und Julia um die Ecke bogen, um die Ronan gerade fuhr.

Alle waren sie in schwarz gekleidet, weshalb ich sie nur schlecht ausmachen konnte. Julias blonde Haare wirkten daher wie das Licht eines der Scheinwerfer der Autos, die gelegentlich an uns vorbeifuhren. Wahrscheinlich wunderten sich die Fahrer, was wir vorhatten. Hoffentlich würde keiner die Polizei alarmieren oder so. Um Tonys Schulter hing eine schwarze Sporttasche, in der ich meine Ausrüstung vermutete. Schnell eilten sie auf mich zu, wobei Sam einen misstrauischen Blick auf die Ecke warf, hinter der Ronan gerade verschwunden war. „Wie war das mit der Pünktlichkeit?", hakte ich selbstzufrieden nach. Julia verteidigte Tony, den ich spöttisch musterte: „Wir hatten, im Gegensatz zu dir, keinen mysteriösen Fremden, der uns hergefahren hat." „Sondern Tony", sagte Sam genervt und deutete mit einer unmissverständlichen Geste auf ihn. „Was willst du damit sagen, Sam?", wollte Tony beleidigt wissen. „Er will damit sagen, dass du dich akribisch genau an die Verkehrsregeln hältst", kam es von Julia , „ Zum Beispiel kann ich mich daran erinnern, dass du auf dem Weg hierher noch gesagt hast, dass du hier einen Gang runterschalten müsstest, weil hier Dreißigerzone sei. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei musstest du auch noch praktischerweise durch das Wohngebiet fahren und nicht die Schnellstraße nehmen. Und da es hier keine Parkplätze gibt, musstest du auch noch einen halben Kilometer entfernt parken." Nach Julias Tirade rechtfertigte sich Tony: „Auf der Schnellstraße hätte es ja Stau geben können! Und so weit ist der Parkplatz auch wieder nicht entfernt." Am Ende wurde er kleinlaut: „Ich dachte, du liebst mich." Julia schlang lachend die Arme um seinen Nacken und küsste ihn schnell: „Ich liebe jede einzelne Macke von dir." Kurze Zeit starrten sie sich in die Augen und Sam flehte: „Bitte...hier sind auch noch andere Menschen anwesend. Außerdem müssen wir uns noch um ein Rudel Werwölfe kümmern."

Hastig ließen sie voneinander ab und Tony warf mir die Tasche zu: „Zieh dich erst mal um. Diese fürchterliche Farbkomposition kann sich doch keiner mehr anschauen." Giftig sah ich ihn an, musste mir jedoch eingestehen, dass ich blau und orange nie wieder miteinander mischen würde, auch, wenn ich einen noch so schlimmen Kater hätte. Eilig zog ich die schwarze Leggings und das schwarze T-Shirt aus der Tasche und begann, mich umzuziehen. Als ich jedoch begriff, wie Sam mich immer wieder aus den Augenwinkeln beobachtete, bat ich sie alle, sich umzudrehen. Derweilen fragte ich: „ Woher wollt ihr überhaupt wissen, dass da unten ein Werwolfrudel ist? Und wieso glaubt ihr, dass sie zum Zeitpunkt alle hier sind?" „Uns, oder besser gesagt, dem Hexer, den wir bezahlt haben, sind zwei Straßenkünstler aufgefallen, die hier in der Nähe ihre Künste präsentiert haben. Und wie wir alle wissen, sind Werwölfe meistens sehr kreativ veranlagt und neigen dazu, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen, wie zum Beispiel...Straßenkünstler. Jedenfalls ist der Hexer den beiden gefolgt, da ihre bernsteinfarbenen Augen, wie er richtig vermutet hatte, auf Werwölfe hindeuten. Er hat für uns herausgefunden, dass diese beiden zu einem größeren Rudel gehören, welches heute Abend hier eine Versammlung abhält. Er konnte nicht herausfinden, wieso, obwohl wir ihm genug dafür bezahlt hätten", meinte er noch anklagend. Kurzerhand zog ich mir die Hose an. Zum Schluss holte ich aus der Tasche noch einen Silberpfahl und hoffte, einer der andere würde noch ein Feuerzeug erübrigen können. Kampfbereit informierte ich sie: „Ich bin fertig. Lasst uns ein paar Werwölfe töten."

Unsere „starken" Männer öffneten uns die Luke, die in die unterirdische Kunstgalerie führte, die schon länger geschlossen war. Der einzige Grund, weshalb sie noch nicht abgerissen worden war, war, da sie sich unter zwei der wichtigsten Verkehrsstraßen Memphis' erstreckte. Unbehaglich starrte ich in das schwarze, dunkle Loch, welches mich an den Brunnen von dem Horrorfilm „The Ring" erinnerte, während Sam mit einer einladenden Geste auf die den Eingang deutete und sagte: „Ladies first." „Damit der erstbeste Werwolf um die Ecke uns tötet und nicht euch, oder?", meinte ich spitz. „Ihr werdet doch wohl mit einem Werwolf zu Recht kommen?" Tonys Stimme triefte förmlich vor Spott. Ich verdrehte die Augen und ohne Tony eines weiteren Blickes oder gar einer Antwort zu würdigen, kletterte ich, durch den Silberpfahl in meiner Hand etwas langsamer als gewöhnlich, dicht gefolgt von Julia, die kaum sichtbare Leiter hinunter. Kurz darauf folgte Tony und Sam, wobei Sam immer noch ein wenig zerknirscht war. Die kalte unterirdische Luft hüllte mich ein und mir war ein bisschen klaustrophobisch zumute. Unten angekommen, sprang ich die letzten paar Sprossen hinunter, wandte mein Gesicht kurz dem dunklen Tunnel, den wir noch passieren mussten, zu und wartete darauf, dass die beiden Feiglinge von Männern sich herunterbequemten, während Julia bereits neben mir stand.

Letztendlich standen wir alle beisammen, die Silberpfähle in den Händen. „Hat einer von euch ein Feuerzeug?", erkundigte ich mich. „ Ich hab eins", bot Sam an. „Für nachher." Natürlich rechneten wir alle, ohne Verluste wieder aus der Sache herauszukommen. Leise, uns nur mit Handbewegungen und Blicken verständigend, schlichen wir den langen Gang entlang. Völlig unerwartet kamen uns drei dunkle Gestalten entgegen, welche sich im Näherkommen, durch ihre glühenden bernsteinfarbenen Augen, als Werwölfe auswiesen. Sie trugen verschlissene Straßenkleidung und wirkten irgendwie wild und ungezähmt. „Wer seid..."Weiter kam er nicht, da ein Silberpfahl ihn mitten ins Herz traf. Als ich zu meinen Freunden zurückblickte, konnte ich erkennen, dass Tony den Pfahl geworfen hatte. Die beiden anderen blickten kurz überrascht zu ihrem niedergestreckten Freund, der zuckend am Boden lag, und stürzten sich anschließend auf uns. Darauf vorbereitet, wichen Julia und ich aus und noch in der Drehung rammten wir ihnen in einer einzigen fließenden Bewegung unsere Pfähle ins Herz. Nachdem wir uns schnell die Silberpfähle zurückgeholt hatten, zündete Sam auch schon unsere drei Angreifer an. Als wir an den brennenden Leichen vorbeigingen, fragte Sam: „Wie viele Mitglieder glaubt ihr, hat dieses Rudel?" Da niemand Anstalten machte, zu antworten, bemerkte ich nur:" Genug für jeden von uns."

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