9. Kapitel (Caroline)

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Auf dem Heimweg musste ich immer wieder an Ronan und Derek denken. Abgesehen davon, dass sie unglaublich heiß aussahen, und das alle beide, war ich nicht so weit gekommen, sie zu fragen, ob sie Engel seien, obwohl das auf normale Sterbliche merkwürdig wirken würde und auch falsch verstanden werden könnte. Und ab diesem Moment beschloss ich, dass ich mit keinem der beiden Brüder ein besseres Verhältnis aufbauen würde, sollten sie tatsächlich Engel sein, da ich wusste, dass gutes Aussehen in Verbindung mit Übernatürlichem nie gut ausging und meistens mit dem Tod einer der beiden Parteien enden würde. Wobei ich mir auch nicht mal einbilden wollte, dass auch nur einer der beiden etwas mit mir zu tun haben wollte. Sie spielten in einer völlig anderen Liga. Als es leicht zu regnen begann, spielte ich mit dem Gedanken, ein Taxi zu holen, da ich nur leicht bekleidet war und keinen Schirm mithatte, als ich von hinten auch schon ein Auto hörte, welches langsamer wurde und letztendlich neben mir hielt. Ein Volvo, in welchem Tony, Julia und Sam saßen. Tony ließ die Fensterscheibe runter und steckte seinen Kopf heraus: „Willst du mitfahren?" „Klar. Wohin fahrt ihr?" Sam rief von seinem Platz auf dem Rücksitz, auf den er verbannt wurde: „Zum 'High Mountain'! Wäre echt lustig, wenn du auch kommst." Schnell stieg ich hinten neben Sam ein, der mir zulächelte. Im Auto band ich meine Haare mit einem Haargummi zusammen, während Julia Gas gab. Ich hatte keine Ahnung, was sie Tony gegeben hatte, damit er sie fahren ließ. „Was ist der 'High Mountain'?", fragte ich und fühlte mich unendlich dumm. „Ah, stimmt, du bist ja neu in Memphis", fiel Tony wieder ein. Erwartungsvoll wartete ich auf die Erklärung, bis Sam Erbarmen mit mir hatte und mich aufklärte: „Er ist ein Vergnügungspark, östlich von hier. Der beliebteste der ganzen Stadt." Zufrieden atmete ich auf, da ich schon einen Stripclub im Sinn gehabt hatte. Memphis soll ja ziemlich zügellos sein. Ich zog meine dünne Jacke aus, damit ich mich nicht erkältete und warf sie in den Kofferraum. „Na dann, los!"

Während der Fahrt hoffte ich, der Regen würde bald nachlassen, was er nach wenigen Minuten glücklicherweise auch tat. Um die Zeit bis zu unserer Ankunft beim 'High Mountain' zu überbrücken, fing ich ein Gespräch an: „Wo wart ihr eigentlich bis jetzt?" Tony antwortete: „Wir haben versucht, die Dämonen aufzuspüren, die ihr Unwesen in unserer Stadt treiben. Wir haben ein paar Hinweise ergattern können, aber leider nichts Konkretes. Nur, dass sie an den Randgebieten Memphis' leben sollen." „Und als wir so durch die Gegend patrouilliert sind, sind wir auf einen möglichen Standtort eines Werwolfrudels gestoßen. Wir wollen es heute Nacht auskundschaften, wenn du mitkommst, sonst sind wir möglicherweise zu wenige für ein ganzes Rudel", fuhr Julia fort. „Natürlich komm ich mit", freute ich mich schon darauf. Es würde meine erste richtige Jagd seit dem Bostoner Flughafen sein und ich könnte endlich wieder einige dieser Missgeburten in die Hölle schicken. Einer der Vorteile dieses Jobs. Die Nachteile: ein relatives kurzes Leben. Verschiedenste Häuser schossen an mir vorbei und ich wäre der Nerd im Auto, wenn ich auf die Geschwindigkeitsbegrenzung aufmerksam machen würde. „Und wo warst du?", erkundigte sich Sam neugierig. Einen Tick zu neugierig. „Mit Freunden, die ich in der Schule kennengelernt habe, etwas trinken." Jedenfalls betrachtete ich sie als Freunde. „Ach, daher die Alkoholfahne", kam es sarkastisch von Tony. Meinen vernichtenden Blick nahm er leider nicht zur Kenntnis. „Mit wem?", fragte Sam wissbegierig. „Shade und Alex, falls ihr sie kennt." „Alex geht mit mir und Julia in eine Klasse. Er ist ganz korrekt", stellte Tony fest. Ich konnte nur nicken, als ich an den beidseitig unerwünschten Kuss dachte. Ich hoffte, es hatte deswegen nachher keinen Stress gegeben.

Geschmeidig hielt Julia auf dem Parkplatz und ich schaute zum großen Eingang des 'High Mountain' hoch. Er war gigantisch. Hinter dem Tor konnte ich einige Attraktionen bereits erblicken und freute mich auf einen vergnügsamen Spätnachmittag, bestehend aus Achterbahnfahren und sich danach übergeben. Bevor ich auch nur die Autotür öffnen konnte, war Sam bereits um das Auto herumgesprintet, um mir die Tür zu öffnen. Ungeschickt stieg ich aus dem Auto aus und wäre beinahe gestürzt, hätte Sam mich nicht gestützt. Ob es Zufall war, dass seine Hand dabei etwas in die Richtung meiner Brüste wanderte, ließ ich mal dahingestellt. In meine Wangen schoss Blut und Sam lächelte mich verlegen an. Julia und Tony, die Hand in Hand auf uns zukamen, unterbrachen das peinliche Schweigen, welches darauf folgte. „Alles klar?", erkundigte sich Julia unsicher. Schnell stellte ich mich gerade hin, zupfte meine Bluse zurecht und versicherte, dass alles ok sei. Übertrieben aufgedreht ging ich auf das Paar zu, drängte mich zwischen sie und legte meine Arme um ihre Schultern. Zu dritt hielten wir auf den Eingang zu, vor dem eine lange Schlange stand und wir stöhnten zugleich frustriert auf. Sam folgte uns immer noch verdutzt, schloss jedoch bald zu uns auf und bemerkte: „Das ist ja eine lange Schlange. Was für ein Glück, dass ihr mich dabeihabt." „Inwiefern?", drehte ich mich misstrauisch zu ihm um. Ein stolzes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und er fuhr mit stolz geschwellter Brust fort: „ Ich kenne da jemanden..." „Sollte ich mir Sorgen machen?", fragte ich immer noch misstrauisch. Gekränkt warf er mir einen kurzen Blick zu und meinte: „ Für wen hältst du mich?" Ich zuckte nur mit den Schultern: „Also, wer ist es?" Langsam wurde ich ungeduldig. Noch gekränkt sagte er: „Mein Onkel ist der Sicherheitschef. Er bringt uns im Handumdrehen rein." Sam bedeutete uns, ihm zum Securityeingang zu folgen und zu meiner Verblüffung machte der Wachmann dort, als Sam seinen Namen nannte, uns keinerlei Probleme, als wir einfach hindurch marschierten. In diesem kurzen Moment fühlte ich mich echt cool und lächelte Sam dankbar zu, was er vielleicht auch falsch aufgefasst haben könnte.

Im 'High Mountain' war es noch größer, als ich es mir vorgestellt hatte und eine Attraktion reihte sich an die nächste. Ich folgte den dreien, da sie anscheinend schon öfters hier gewesen waren und ich vertraute auf ihr Urteil. Nachdem wir uns, umringt von kleinen Kindern und genervten Eltern, Zuckerwatte gekauft hatte, wobei die beiden Jungs sich beschwert hatten, dass sie rosa war, machten wir uns auf zur größten und spektakulärsten Achterbahn in Memphis, die gleichzeitig auch dem Vergnügungspark seinen Namen gegeben hatte. Während wir darauf warteten, ein Ticket für die Achterbahn zu bekommen, wobei Sam mir immer wieder auf die Pelle rückte, ließ ich meinen Blick durch den Park schweifen und erblickte aus den Augenwinkeln zwei mir bekannte Gestalten, Alex und Shade, die gerade um eine Ecke bogen. Sie wurden von zwei breitschultrigen Männern verfolgt, die ich von hinten nicht erkenne konnte. In dem Moment, als ich sie beobachtete, begann es wieder zu regnen.


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