67 - klärende Gespräche

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„Foo Fighters?", fragte ich neugierig, als Harry und ich uns in Schneidersitz auf die Couch gesetzt und die Pizzapackung zwischen uns ausgebreitet hatten. Ich hatte die Band in seinem Klingelton gehört, der vorhin erklungen war und konnte noch immer nicht glauben, dass Harry sie tatsächlich kannte.

„Was denn? Die sind gut!" Er dachte, er müsse sich verteidigen, dabei wuchs sein Ansehen in meinen Augen nur noch weiter.

„Ich weiß, dass die gut sind, ich höre sie schließlich dauernd." Zwar kamen sie lange nicht an Kurt Cobain heran, doch da der ehemalige Schlagzeuger von Nirvana die Band gegründet hatte, waren sie automatisch eine der besten Bands, die ich kannte.

„Echt? Ich dachte die ganzen Nirvana-Shirts wären nur eine Überkompensierung deiner Rebellion.", sagte Harry lachend und erntete dafür einen beleidigten Blick meinerseits.

„Ich rebelliere nicht!", meinte ich trotzig, wusste jedoch, dass er mich nur aufziehen wollte. Harry schmunzelte, doch so einfach wollte ich ihn nicht davon kommen lassen. „Und nur zu deiner Information: Ich würde dich verlassen, nur um einmal die Chance zu bekommen, mit Kurt Cobain sprechen zu können."

„Das nehme ich als Bestätigung.", meinte Harry schmunzelnd und gab mir wieder einmal zu spüren, wie viele Fehler ich machte, sobald ich meine Worte aussprach, bevor ich darüber nachgedacht hatte. Ich biss mir auf die Lippen und hoffte noch immer auf ein Missverständnis, vielleicht meinte er etwas völlig anderes. Vielleicht hatte er gerade aus dem Fenster gesehen und die Regentropfen für die Bestätigung des schlechten Wetters genommen.

„Ich weiß nicht was du meinst.", gab ich daher selbstsicher zurück, doch sein selbstgefälliges Grinsen verriet mir, dass er sehr wohl auf meine genaue Wortwahl geachtet hatte.

„Du würdest mich für Kurt Cobain verlassen, aber das kannst du nur, wenn wir offiziell zusammen sind." Natürlich hatte er mir ganz genau zugehört, warum sollte ich auch Glück bei so etwas haben? Harry achtete auf jedes meiner Worte, als könnte ich ihm den Weg zu einem Schatz diktieren. Jetzt hatte ich den Salat.

Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Harry die Hand hob und mir damit signalisierte, dass er noch nicht fertig war: „Zerstöre diesen Moment bloß nicht, Thalia!", mahnte er lachend. „Ich kann damit leben, dass du in die Vergangenheit reist, falls jemals eine Zeitmaschine erfunden wird, um mich für Kurt Cobain zu verlassen – der Typ war eine Legende! – aber dafür müssen wir tatsächlich zusammen sein."

Resigniert biss ich in das letzte Stück der Pizza und sah meinen Prinzen beleidigt an – warum hörte er auch immer so genau auf meine Wortwahl?! „Und wenn schon, was macht das für einen Unterschied?" Ich versuchte die ganze Situation herunter zu spielen, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich nun scheinbar eine richtige Beziehung führte. Die erste richtige meines Lebens.

Harrys Grinsen wurde breiter, als er mein verstecktes Einverständnis fand und ihm bewusst wurde, was das bedeutete: „Dann kann ich dich jetzt jedem als meine Freundin vorstellen!", beschloss er lachend und ich hielt mir beschämt die Hände vor mein Gesicht.

„Bloß nicht", murmelte ich durch einen kleinen Spalt – ich hatte nicht übertrieben, ich war wirklich kein Beziehungstyp. „Und nur zu deiner Information: Mache bloß nichts kitschiges, oder ich werde diese Beziehung schneller verlassen, als du „Smells like Teenspirit" singen kannst."

„Hat es weh getan, als du vom Himmel gefallen bist?", fragte mein fester Freund prompt und versuchte eine ernste Miene zu bewahren, doch ich konnte ganz genau erkennen, wie sehr er sich zusammen reißen musste, um nicht lauthals loszulachen.

„Du bist unmöglich!" Leider brachten mich seine Worte trotzdem zum Schmunzeln, sodass ich frustriert nach einem der Kissen griff und es Harry gegen sein wunderschönes Gesicht warf.

„Das hast du nicht getan!", schrie er sofort empört und sah mich mit einem Mix aus Überraschung und Belustigung an. Noch bevor ich reagieren konnte, griff er nach der leeren Pizzaschachtel zwischen uns, legte sie auf den Tisch und revanchierte sich mit einem weiteren Kissen.

Ich stieß automatisch ein quieken aus, auf das ich definitiv nicht stolz war, doch nun hatte Harry den Krieg eröffnet und ich war nicht bereit die Schlacht zu verlieren.

Ich konnte mir nicht erklären, wie wir in seinem Schlafzimmer landeten, doch unsere Kissenschlacht wurde durch die gesamte Wohnung getrieben, bis Harry irgendwann auf sein Bett fiel und ich automatisch über ihn stieg, um zu einem letzten Siegesschlag anzusetzen.

Erst als er sein Gewicht mühelos verlagerte, sodass ich auf den Rücken gedreht wurde und nun er derjenige war, der Oben lag, wurde mir unsere Situation bewusst. Wieso hatte ich das nicht früher bemerkt? Was war nur los mit mir?

Ehe ich mir mehr Vorwürfe machen konnte, senkte Harry seinen Kopf zu mir herab. Ich dachte, dass er mich küssen wollen würde und fing an, meine verletzliche Position gar nicht mehr so schlimm zu finden, doch sein Mund traf nicht auf meinen. Stattdessen legte er sich an meinen Hals, der auf einmal so unglaublich empfindlich war, dass ich mich automatisch unter ihm wandte.

Er führte langsam seinen Weg zu meinem Mund fort, küsste meine nackte Haut immer wieder, brachte mich dazu unregelmäßiger zu atmen und selbst als sich seine Hände mit meinen verschlangen und sie somit über meinem Kopf fixierten, protestierte ich nicht.

Als seine weichen Lippen dann endlich auf meine trafen, konnte ich nicht verhindern, einen erleichterten Laut auszustoßen, der Harry dazu brachte, in unseren Kuss hinein zu grinsen. Der Kuss zwischen uns wurde automatisch fordernder, unsere Lippen bewegten sich im Gleichklang doch unsere Zungen fochten fordernder. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich spürte Harrys ganzen Körper, wollte für immer weiter machen und hoffte inständig, dass wir dieses Mal nicht gestört werden würden.

Ich fühlte wie Harry unsere Hände voneinander löste und langsam versuchte einen Weg unter meinen – besser gesagt: seinen – Pullover zu finden, doch als sich seine Finger langsam auf meiner Haut bewegten, wurde ich wieder an den Grund erinnert, weshalb er mich überhaupt zu sich eingeladen hatte.

Für einen kurzen Augenblick dachte ich darüber nach, ihn einfach machen zu lassen, dachte darüber nach, wie es wohl werden würde, wenn ich meinen Mund hielt und heute Abend mit ihm schlief. Es erinnerte mich an meinen anfänglichen Wunsch meine Jungfräulichkeit an einen wildfremden Typen zu verlieren, damit ich einem ernsten Gespräch aus dem Weg ging, doch das konnte ich Harry nicht antun. Ich weiß nicht genau, was mich davon abhielt schon wieder zu Lügen, normalerweise griff ich immer lieber zu einer schnellen Lüge, als eine unangenehme Wahrheit auszusprechen, doch jetzt konnte ich das einfach nicht.

„Ist alles okay?", fragte Harry besorgt und rollte von mir herunter, sodass er nun neben mir lag. Er war genauso aus der Puste, wie ich, doch seine Augenbrauen waren fragend zusammen gezogen und bildeten die Falten auf seiner Stirn, die mich in meiner Entscheidung verstärkten, ihm die Wahrheit zu sagen. Wie könnte ich dieses wunderschöne und, auf seine eigene Art, verletzliche Gesicht, nur anlügen?

Daher atmete ich einmal tief durch und sah meinem Prinzen in die Augen, als ich bemüht selbstsicher die nächsten Worte aussprach: „Ich will nicht mit dir schlafen, Harry. Noch nicht." Es war vermutlich nicht die ganze Wahrheit, doch wenigstens ein Anfang, den er hoffentlich akzeptierte, ohne mir weitere Fragen zu stellen.

Fading Princess || H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt