Zwischenspiel I: Von Babysittern und Neffen

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Er war bei seinem Vater zu Besuch. Sie hatten einige Tage frei und die wollte er nutzen um seine Familie zu sehen, ehe sie wieder aufbrachen und Konzerte auf der ganzen Welt gaben. Besonders auf seinen Neffen freute er sich. Die Stunden im Kreise seiner Familie waren immer schön und für ihn eine Möglichkeit seine Akkus aufzuladen. Er brauchte keine luxuriösen Hotels oder Wellnessbehandlungen um sich gut zu fühlen oder sich zu erholen. Alles was er benötigte waren friedliche Stunden daheim mit seiner Familie oder seinen Freunden. Sie hielten ihn auf dem Boden der Tatsachen und sorgten dafür, dass er nicht abhob. Hier war es nicht wichtig, wie viel er auf dem Konto hatte oder welche Kontakte er pflegte. Alles was zählte war das Herz und die Familie.

Entspannt lag er auf der Couch im Wohnzimmer seines Vaters. In der Hand hielt er die Fernbedienung und zappte sich durch die Programme des Fernsehers. Aber nichts schien seine Aufmerksamkeit fesseln zu können. Nicht einmal das Sportprogramm. Er liebte Sport. Er liebte Sport wirklich und konnte sich stundenlang ansehen wie Fußballer über das Grün jagten, wie Tennisspieler einen kleinen gelben Ball schlugen oder wie Dartspieler kleine Pfeile auf eine Scheibe warfen. Aber an diesem Tag sprach ihn nichts an. Nicht einmal die Sendung mit den lustigsten Internetclips, was ihn sonst immer zum Lachen brachte.

Womöglich spielte das Wetter eine entscheidende Rolle für seine Lustlosigkeit, denn draußen klatschte der Regen mit dicken Tropfen gegen die Fensterscheibe. Sein Vater war noch auf der Arbeit und er wollte nicht schon wieder bei Greg aufkreuzen um sich Theo auszuleihen. Andererseits konnte sein großer Bruder ihm nicht übel nehmen, dass er jede freie Minute mit seinem Neffen verbringen wollte. Daher rollte sich Niall schließlich doch von der Couch, schaltete den Fernseher aus und schlüpfte in seine Schuhe. Er schnappte sich seinen Schlüssel und verließ das Haus. Mit hochgezogenen Schultern lief er zu seinem Auto, schloss es auf und stieß einen erleichterten Seufzer aus als er aus dem Regen hinauskam. Der Motor startete und er rollte die kleine Auffahrt hinunter auf die Straße um sich auf den Weg zum Haus seines Bruders zu machen. Die Fahrt dauerte fünfzehn Minuten und durch den starken Regen kam es ihm weitaus länger vor. Er erkannte kaum etwas vor sich auf der Straße und er war heilfroh, als er endlich das bekannte Haus durch den Regenschleier erkennen konnte. Erleichterung durchströmte ihn als er schließlich den Wagen parken konnte. In den wenigen Minuten, in denen er unterwegs gewesen ist, schien sich der Regen nur noch verschlimmert zu haben. Er sprang aus dem Wagen und eilte den kurzen Weg nach oben. Vor der Tür blieb er stehen. Heilfroh, dass Greg ihm einen Schlüssel gegeben hatte, schloss er die Tür auf und trat über die Schwelle ins Haus. Dort schüttelte er sich wie ein nasser Hund und schlüpfte aus den Turnschuhen, die vollkommen durchnässt waren. Er zog sich auch die Socken von den Füßen und tapste durch den kleinen, aber gemütlichen Flur, in die Küche aus der er das fröhliche Plappern seines Neffen hörte. Zwar konnte Theo mit seinen guten eineinhalb Jahren noch nicht sprechen, aber er gluckste und gab undefinierbare Laute von sich.

„Überraschung", kam es von Niall und trat in die Küche um dann allerdings auf der Türschwelle zu verharren. Denn in der Küche befand sich nicht – wie angenommen – Denise, die Frau seines Bruders, mit ihrem Sohn, sondern eine ihm fremde Frau, die Theo auf dem Arm hatte.

„Was? Wer bist du und was hast du mit Theo vor?"

Theo, der bei der Stimme seines Patenonkels den Blick von der jungen Frau abwandte, fing an zu Strahlen und streckte seine kleinen speckigen Ärmchen nach Niall aus. Niall trat schnell auf ihn zu und nahm ihn entgegen. Er setzte ihn auf seine Hüfte und wippte ihn leicht auf und ab. „Na Großer?", lachte er und musterte ihn eingehend, ehe er sich wieder der Frau zu wandte. Er kniff leicht die Augen zusammen. „Wer bist du?"

Die Frau hatte, sobald Niall Theo entgegengenommen hatte, die Arme vor der Brust verschränkt und musterte ihn von oben bis unten. „Die Frage ist wohl eher, wer du bist und weshalb du mir einfach das Kind aus den Armen reißt. Denn du bist weder Greg noch Denise."

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