Changing life

Von vermissten Brüdern und Weltschmerz

„Aber er hat immer abgeblockt."

Ein Seufzen glitt über seine Lippen und er konnte sich selbst nicht erklären, weshalb er jetzt damit anfing. Ihre Hand strich über seinen Rücken. Die Berührung war beruhigend und er entspannte sich ein wenig. Seine Augen schlossen sich und er fuhr sich mit beiden Händen über sein Gesicht.

„Hast du noch Kontakt zu ihm?" Ihre sanfte Stimme drang an sein Ohr und er schüttelte langsam seinen Kopf. „Nein", kam die kurze Antwort. Nein, sie hatten keinen Kontakt mehr zu Zayn. Dabei hatten sie alles versucht ihn zu erreichen, aber niemand war durchgekommen. All ihre Anrufe und Nachrichten wurden ignoriert und als sie heimkamen war er nicht in Großbritannien, sondern von der Bildfläche verschwunden. Selbst seine Freundin war nicht zu erreichen und es machte ihn so unsagbar wütend, dass er nicht mit Zayn sprechen konnte.
Mit den Anderen hatte er gesprochen, aber das Thema war zu schmerzlich gewesen, dass es irgendwann einfach gemieden würde. Zayn wurde nicht mehr erwähnt und sie machten einfach weiter mit einem klaffenden Loch in ihrer Mitte.

„Warum? Hat er sich nicht gemeldet oder willst du dich nicht melden?" Liam zuckte mit den Schultern und richtete sich auf. Die Hand auf seinem Rücken verschwand und er drehte sich leicht. „Ich habe versucht ihn anzurufen. Aber er reagiert nicht. Er drückt jeden weg oder lässt es klingeln."

Sie nickte leicht. „Vielleicht muss er selbst mit der neuen Situation klar kommen."

Liams Augenbrauen zogen sich zusammen und er schüttelte den Kopf. „Er wollte seine Freiheit. Eine Auszeit und jetzt taucht er plötzlich mit neuem Material auf? Das sieht mir nicht nach einer Auszeit aus", sprach er nun bitter. „Er fährt gerade einen verdammten Egotrip und es ist ihm egal, auf wem er dabei herumtrampelt." Frustration und Wut lagen in seiner Stimme und er ließ sich nach hinten in die Couch fallen. Jules tat es ihm gleich und legte ihren Kopf auf die Lehne, während sie ihn weiterhin ansah.

„Was sagen deine Sängerfreunde dazu?"

Liam sah sie an. „Wir reden nicht darüber. Hab ich doch gerade gesagt."

Sie seufzte leise und nickte. „Ihr solltet aber darüber reden. Es wird nicht besser, wenn ihr es nicht ansprecht." Liam musterte sie und stieß die Luft aus. Er legte den Kopf in den Nacken und sah hoch an die Zimmerdecke.

Jules bewegte sich. Es raschelte leise als sie sich vorlehnte und die leeren Pizzakartons zusammenpackte. Sie nahm das Besteck um sich dann zu erheben. Schweigend verließ sie das Wohnzimmer und er konnte sie in der Küche hören, wie sie den Karton wegräumte und das Besteck in die Spüle legte. Der Wasserhahn rauschte und es klapperte als sie Messer und Gabeln abwusch. Kurz herrschte Stille, ehe er einige Geräusche hörte, die er nicht einordnen konnte.

Seine Augen schlossen sich langsam und er genoss dieses Gefühl von Normalität, das er hier fand. Es schien als würde seine Berühmtheit und One Direction in weite Ferne rücken, auch wenn es noch immer auf sein Gemüt drückte, dass Zayn nicht mehr da war. Er hatte mit Jules darüber gesprochen, weil er es nicht länger für sich behalten konnte. Zwar sprach er auch mit Sophia darüber, aber sie sagte immer nur, dass es seine Entscheidung und war Liam sie so akzeptieren musste. Er konnte ihn nicht zurückholen. Aber vielleicht hätte er es verhindern können.

Als so genannter Daddy Direction fühlte er sich für seine vier Brüder verantwortlich und er machte sich Vorwürfe, dass er Zayns Probleme und seinen Disput mit ihrer Musik nicht bemerkt hatte oder hatte er darüber hinweggesehen? Wenn er es eher bemerkt hätte, wären sie vielleicht einen anderen Weg gegangen und standen nun nicht auf zwei verschiedenen Wegen. Sie könnten noch immer eine Band sein. Brüder, die gemeinsam einen Traum träumten. Aber war es überhaupt noch ein Traum oder waren sie längst in der Realität angekommen?
Ja, es war noch immer toll auf der Bühne zu stehen. Er machte Musik und konnte davon gut leben. Aber was hatte er dafür aufgegeben? Jahre, die er auf Tour verbracht hatte. Er hatte seine Privatsphäre für die Musik und den Erfolg aufgegeben. Alles wurde der Welt auf dem Silbertablett präsentiert. Immer wieder stand er im Fokus der Öffentlichkeit und jeder kleine Fehler wurde gleich publik gemacht. Es war der Preis, den er zahlen musste und am Anfang hatte er ihn gerne gezahlt. Mittlerweile litt er darunter.