Von Männern, die in Büschen hocken

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Es war tatsächlich der erste regenfreie Tag, den sie hier in London erlebte. In den letzten Wochen hatte sich das britische Wetter von seiner hässlichsten Seite gezeigt. Wasser fiel in langen Bindfäden vom Himmel und schien gar kein Ende zu finden. Als befände sich in den dunklen Wolken ein endloser Vorrat. Doch an diesem Donnerstag hatte es die Sonne doch tatsächlich durch die Wolken geschafft. Sie schickte der Erde und allem voran dem verregneten London einen Gruß mit der Botschaft, dass sie noch da war und ihren Dienst nicht aufgegeben hatte. Es schien sogar fast so als würde sie es besonders gut meinen, denn wo sich am Anfang des Tages noch zaghaft einige Strahlen zeigten, so schaffte sie es im Laufe des Vormittages immer weiter durchzudringen und die schweren grauen Wolken zu vertreiben. Mittlerweile konnte man sogar den blauen Himmel erkennen und deshalb hatte Jules die Gunst der Stunde genutzt um nach ihrem Feierabend aufzubrechen, damit sie die letzten Sonnenstrahlen einfangen konnte.

Mit einem Buch in der Hand, Kopfhörern in den Ohren und einem leckeren Smoothie hockte sie in dem kleinen Park, den sie vor zwei Tagen entdeckt hatte, auf einer Bank in der Sonne. Warm war sie schon lange nicht mehr, was erwartete man auch Ende April? Aber beschweren wollte sich Jules auch nicht, sonst würde sich die Sonne schnell wieder verziehen.

Sie streckte ihre Beine aus, rutschte etwas tiefer an der Rückenlehne herab und hockte so in einer gekrümmten Position auf der Holzbank. Ihre Fußknöcheln hatte sie übereinander geschlagen und leise summend half sie Adele durch ihre Songs, die diese in ihr Ohr hauchte. Leicht wippte sie mit den Fußspitzen und bevor sie die Seite umschlug, griff sie nach ihrem Smoothie um einen Schluck davon zu trinken. Ein genüssliches „mh", glitt über ihre Lippen als der fruchtige Geschmack sich auf ihrer Zunge ausbreitete und sie fuhr sich mit der Zunge darüber, damit auch kein Tropfen des Getränkes verloren ging. Blind stellte sie es zurück, ehe sie sich wieder in den Zeilen ihres Buches verlor.

Ein schwaches Lächeln zog sich über ihre Lippen als sich Sebastian Bergmann wieder einmal über seine Grenzen hinwegsetze und das tat, was er für richtig hielt. Eigentlich mochte sie keine Krimis, was sie immer wieder betonte, aber mit der Reihe um den eigenwilligen Kriminalpsychologen hatte sie einen Glücksgriff gelandet, der sie so schnell nicht wieder los ließ. In rasender Geschwindigkeit war sie durch den ersten Fall gestolpert nur um jetzt durch den Zweiten regelrecht zu fallen.

Zu fallen war ein gutes Stichwort, denn sie war so sehr darin versunken Sebastian zu folgen, dass sie nicht mitbekam, wie sich ihr ein junger Mann näherte. Er schien sehr in Eile zu sein und nicht auf seinen Weg zu achten, weshalb er auch die ausgestreckten Beine übersah, die zu Jules gehörten. So bemerkte er diese erst als sein Fuß gegen einen Widerstand traf und an diesem hängen blieb. Leider war er bereits dabei auch seinen zweiten Fuß nachzuziehen, weshalb er sein Gleichgewicht verlor und nach vorne stolperte. Zeitgleich schreckte Jules auf, zog ihre Füße zurück und starrte den jungen Mann an, der, auf eine recht unangenehme Art und Weise, Bekanntschaft mit dem Boden machte.

„Hast du dir wehgetan?", fragte sie und legte langsam ihr Buch zur Seite, während sie das männliche Wesen zu ihren Füßen betrachtete. Es war selten, dass sich diese Spezies Mensch ihr zu Füßen legte. Bislang war es genau... kein Mal passiert, weshalb sie diesen Augenblick eigentlich festhalten sollte.

Fluchend und wenig amüsiert, rappelte sich der junge Mann hoch und klopfte sich den Dreck von der Hose, was aber nicht viel half. Noch immer haftete Schlamm auf der Hose und gab ihr nun einen richtigen Used-Look. Wofür andere Leute viel Geld ausgaben, schaffte Jules lediglich mit ihren ausgestreckten Beinen. Vielleicht sollte sie daraus ein Geschäftsmodell entwickeln. Sie ließ Menschen über ihre Füße in Schlammpfützen fallen, damit sie den gefühlsechten Used-Look tragen konnten.

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