2. Kapitel

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Er beruhigte sie. Obwohl er sie nicht einmal richtig im Arm hielt, hatte er eine entspannende Wirkung auf sie. Und diese Fast-Umarmung war ihr im richtigen Moment zur Hilfe gekommen. Sie hatte sich so verloren und allein gefühlt, dass seine Hände auf ihren Armen und seine Wärme an ihrem Rücken eine beruhigende Wirkung hatten.
Natürlich musste sie sich allein dem Schmerz des Verlustes ihrer Mutter stellen, doch im Moment spendete er Kraft. Und gab ihr Halt, zumindest in diesem Augenblick.
So standen sie eine Weile da, beide hingen ihren Gedanken nach, während sie den Sonnenuntergang betrachteten.
"Ivar?"
"Mmmm?"
"Morgen wird meine Mutter bestattet. Und ich würde gerne anwesend sein. Ich möchte mich von ihr verabschieden."
Er erkannte den Grund dieser Aussage, und ging darauf ein.
"Soll ich dich begleiten?"
Er spürte, wie sie sich wieder verspannte, doch er hielt sie fest und forderte eine Antwort.
"Wenn ... Ihr wollt?"
Sie ärgerte sich, weil es sich wie eine Frage anhörte, doch so hatte sie es nicht ausdrücken wollen.
"Bist du sicher?", hakte er nach.
"Ihr habt alles Recht, hinzugehen. Ihr habt sie ja schließlich auch gekannt, also wüsste ich nicht warum ich Euch davon abhalten sollte, mitzukommen."
"Es hätte sein können, dass du mich nicht dabei haben möchtest oder meine Anwesenheit nicht erträgst. Dann wäre ich hier geblieben."
"Nein, kommt mit."
"Wir müssen bald nach England. Wir werden erst abreisen können, wenn wir wieder Zuhause sind. Aber ich denke, die Königin wird sich sicher zwei bis drei Tage mehr gedulden können."
"Wird sie wohl müssen."
"Allerdings. Wir werden mit dem Schiff reisen, damit wir den langen Weg so schnell wie möglich hinter uns bringen können."
Sie nickte nur und merkte, wie ihr eine Träne über die Wange ran. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie wieder angefangen hatte, zu weinen. Verärgert wischte sie die salzige Flüssigkeit mit dem Handrücken vom Gesicht, was Ivar nicht verborgen blieb. Er lehnte seinen Kopf an ihren, und beruhigte sie allein durch seine Anteilnahme.
"Tyra, du darfst weinen. Du hast allen Grund dazu. Du darfst nicht denken, dass es mir damals anders ging."
Jetzt schluchzte sie auf und presste sich den Handrücken auf den Mund, um weitere Schluchzer zu unterdrücken, doch sie brachen dennoch hervor und ließen ihren zarten Körper an seiner Brust erzittern. Seine Arme schlangen sich um ihre Taille und so hielt er sie fest, während sie weinte und weinte und sich schämte, dass sie damals zu feige gewesen war, um ihn zu trösten, als seine Eltern gestorben waren.
"Mach dir keine Vorwürfe", flüsterte er in ihr Haar.
"Tu ich aber doch!"
"Musst du doch aber nicht. Ich weiß doch nicht einmal, ob ich mich damals von irgendwem hätte trösten lassen. Und jetzt bin ich da, um dich morgen zu begleiten."
Sie konnte nur noch nicken. Es kam ihr alles so surreal vor. Er hielt sie ja fast schon im Arm und diese Unterhaltung war die längste, die sie seit ihrer Heirat geführt hatten. Sie fühlte sich durch seine Beschwichtigung nicht besser, was ihn anging, aber dass er ihr jetzt eine Stütze war und sie nicht einfach links liegen ließ ... Das gab ihr das Gefühl, als wäre sie ihm doch etwas wert.
"Kommst du jetzt mit mir runter?"
Zaghaft nickte sie und seine Arme zogen sich wieder zurück. Nur eine Hand blieb auf ihrem Arm liegen, scheinbar um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich mitkommen würde.
"Lass die Fenster noch ein wenig offen. Dann ist es ausnahmsweise nicht so finster sie sonst."
Sie nickte nur leicht mit dem Kopf und ging zur Tür, Ivar in ihrem Rücken. Er wollte also tatsächlich sicherstellen, dass sie auch wirklich aus diesem Zimmer ging. Aber was kümmerte es ihn denn eigentlich, wo sie sich aufhielt und aus dem Fenster sah? Vielleicht ... Nein, das wäre absurd.
Sie hatte nicht gedacht, dass er es durchziehen würde, doch als sie auf der Treppe kurz zögerte und stockte, war er sofort ganz nah bei ihr und legte eine Hand auf ihre Taille, um sie zum Weitergehen zu bewegen.
Er brachte sie auf ihr Zimmer, das am gegenüber liegenden Seite des Hauses lag, und somit so weit weg wie nur möglich. Dabei war das nicht einmal Absicht gewesen. Vor über drei Jahren, als Ivar und Tyra gerade verlobt waren, hatten seine Eltern dieses Zimmer entrümpeln und neu einrichten lassen, um Tyra ein angenehmes Wohnen ermöglichen zu können. Zumindest daran sollte die Ehe nicht scheitern. Denn so, wie Tyra es sich immer gewünscht hatte, konnte sie nicht auf ihren Prinzen und Eroberer ihres Herzens warten, sondern wurde mit 22 Jahren mit Ivar verlobt. Dieser sah damals allerdings überhaupt nicht ein, dass er sich sein ganzes Leben lang nur noch mit einer Frau begnügen sollte, und so wurde Tyra bei jedem Besuch auf der Burg seiner Eltern eine neue Frau vorgeführt. Tyra hatte sich deshalb nach jedem Besuch bei sich Zuhause in ihrem Zimmer eingeschlossen und hatte geweint. Vor Kummer. Vor Zorn. Vor Angst. Sie hatte sich auch nicht mit Ivar verloben wollen, da bis nach England bekannt gewesen war, was für ein Frauenheld er war. Und mit diesem Mann wollte sie einfach nichts zu tun haben, vor allem nicht, wenn er sie betrog. Sie wollte eine Ehe mit Liebe und Achtung und allem drum und dran. Doch dies brachte Ivar ihr nicht entgegen. Er achtete sie nicht einmal so viel, dass er seine Liebeleien vor ihr versteckt hielt. Und von Liebe konnte erst recht nicht die Rede sein. Dann waren seine Eltern bei einer Überfahrt nach England umgekommen, und sein Verhalten hatte sich grundlegend verändert, auch ihr gegenüber. Auf einmal waren seine ganzen Gespielinen verschwunden, wenn sie ihn besuchen kam. Er versuchte sich für sie zu interessieren und brachte ihr Aufmerksamkeit entgegen. Sie bekam wieder Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch eine angenehme Ehe führen konnten.
Doch sobald sie verheiratet waren, zerschlugen sich ihre Hoffnungen. Sie kamen nicht besonders gut an,  stritten sich über jede Kleinigkeit und gingen sich deshalb so gut es ging aus dem Weg.
Und jetzt auf einmal, nach drei Jahren Ehe voller Streit und ohne Liebe, jetzt stand er ihr zur Seite und wollte sie begleiten, wenn sie ihrer Mutter für immer auf Wiedersehen sagte. Vielleicht, weil er wusste, wie schwer es war, einen geliebten Menschen zu verlieren. Und wie wichtig ein Mensch an der Seite des Trauernden war, um ihn immer wieder aufzubauen und ihn auf die immer noch schönen und wundervollen Dinge im Leben hinzuweisen, auch wenn der Verlust im Moment der Trauer alles zu verdecken scheint.
Und als Ivar Tyra, die Hand in ihrem Rücken, nun die Treppe des Turms hinunterbegleitete, wurde ihr bewusst, dass sie ihn im Moment mehr als in den vergangenen Jahren an ihrer Seite brauchte.

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Hey Leudis :)
Soooooo jetzt ist das 2. Kapitel auch mal geschafft:)
ich würde mich freuen, wenn ihr mich weiterhin verfolgt und einen Kommentar dalassen würdet.
Danke:)
Bis bald
eure Lovingslover2000

WeekingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt