Erschöpft warte ich einige Minuten, bevor ich meinen tränenverschleierten Blick hebe und mich in unseren Vorgarten schleppe. Vorsichtig lausche ich auf Stimmen, bevor ich leise die Haustür aufschließe und die Treppe hoch haste, um nicht meinen Eltern zu begegnen. Ich habe keine Kraft, um ihnen zu erzählen, was passiert ist. Keine Kraft, um Ashs Worte zu wiederholen. Um überhaupt an sie zu denken. Ich verschwinde im Bad und starre einen Moment die Wand an, versuche noch immer zu verstehen was passiert ist. Alles dreht sich und ich stütze mich zittrig auf das Waschbecken, bevor ich mich übergebe. Meine Augen brennen vom vielen Weinen und der Schmerz von meinem Sturz holt mich doch langsam ein. Meine Tränen rinnen mir über die Wangen und verzweifelt fahre ich mir durch die Haare, nicht wissend was ich tun soll. In meinem Kopf höre ich Ash's Stimme immer und immer wieder. Es ist vorbei. Verzweifelt stoße ich mich vom Waschbecken ab, unfähig meine Gedanken noch eine Sekunde länger zu ertragen und schmeiße mein nutzloses Handy von mir. Der Spiegel geht durch das rücksichtslose Ausleben meiner Gefühle zu Bruch und zerspringt in tausend kleine Scherben. Verwirrt starre ich sie an, registriere die Verwüstung die ich angerichtet habe und mit einem mal ist meine Wut verpufft. Ersetzt wird sie von einer Erschöpfung und Müdigkeit, wie ich sie noch nie gespürt habe.
"Lia, Schatz, ist alles in Ordnung? Seit wann bist du wieder hier?" ertönt die Stimme meiner Mom.
"Nein. Em, ja! Eben gerade." stottere ich mit heiserer Stimme.
"Lia?" ruft nun auch mein Dad, alarmiert durch meine verweinte Stimme.
Mein Blick fällt zurück auf den mit Scherben übersehten Boden und vorsichtig knie ich mich hin, schiebe die Splitter mit den Händen zur Seite bis ich ein großes Stück in der Hand halte. Meine geröteten Augen starren daraus zurück, müde. Mein Gesicht ist entstellt von der verschmierten Schminke und angewiedert drehe ich die Scherbe etwas, um den Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Reagiere ich über, oder übersehe ich etwas? Es waren ihre Worte.Was wir getan haben war falsch.
Aber das ist jetzt vorbei.
Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen und ich beginne erneut zu weinen.
Es fühlt sich an als wäre mein Leben eine einzige Lüge. Zusammengekrümmt knie ich in dem Scherbenmeer und mir wird klar: das einzige was ich gerade will, ist in Ashs Armen zu liegen und mich trösten zu lassen. Ich ringe nach Luft. Der wichtigste Teil meines Lebens ist mit einem Schlag verschwunden und hinterlässt eine klaffende Lücke.
"Lia! Machst du bitte die Tür auf und redest mit uns?" ruft meine Mom und klopft leise an.
"Wir machen uns Sorgen!" fügt mein Dad hinzu.
"Alles okay." versuche ich sie loszuwerden und spüre, wie die Scherbe meine Haut einschneidet, als ich die Hand bei meiner Lüge fester zusammen balle.
"Wir hören doch das etwas nicht stimmt! Mach die Tür auf Schatz, du weißt du kannst immer mit uns reden."
Am ganzen Körper zitternd lasse ich die Scherbe schließlich fallen und vergrabe meinen Kopf in meinen Armen. In dem hoffnungslosen Versuch, das Chaos zu beseitigen, schiebe ich die Scherben etwas von mir, bevor ich auch das aufgebe.
"Die Tür ist offen." flüstere ich schließlich und bereite mich innerlich auf das Gespräch vor, das ich nicht führen möchte. "Oh mein Gott, Lia, was ist mit dir passiert?" Erschrocken schlägt Mom die Hand vor den Mund.
Sie hat Recht, ich sehe schrecklich aus. Mit meinen aufgeplatzen Ellenbogen und Handknöcheln, den roten Augen und der verlaufenen Schminke. Sie kniet sich zu mir und drückt mich einfach nur ganz fest an sich, wiegt mich hin und her und streicht mit einer Hand beruhigend über meinen Rücken. Mein Dad steht noch immer in der Tür und schaut mich besorgt an, bevor er sich ebenfalls zu uns setzt und uns beide umarmt. Sie sagen nichts, sie sind einfach nur da für mich. Irgendwann fange ich wieder an zu schluchzen und langsam kommen die Worte aus mir herausgeflossen, beschwören die Bilder des Nachmittags wieder herauf. Nachdem ich alles erzählt habe und es nichts mehr zu sagen gibt, hilft Mom mir ohne große Fragen dabei, mich abzuschminken und zwingt mich anschließend, eine heiße Dusche zu nehmen. Danach versuche ich Ash zu erreichen, um eine Erklärung zu verlangen. Ohne würde ich nicht zur Ruhe kommen. Sie geht jedoch nicht an das Telefon - niemand hebt ab. Ich knalle den Hörer unseres Telefons zum dritten mal zurück in die Aufladestation und weiß nicht so recht, wie ich mich fühlen soll. Ich bin nicht mehr wütend und auch nicht mehr traurig. Es ist als hätte ich meine Gefühle in mir begraben. Jetzt bin ich einfach nurnoch leer.
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Forbidden Love || GirlxGirl
Teen Fiction[abgeschlossen] Lia und Ash verstecken ihre Beziehung seit Monaten, doch ihnen ist klar früher oder später wird es ans Licht kommen. So entscheiden sie sich den nächsten Schritt zu wagen und es Ash's stark religiösen Eltern und ihren gemeinsamen Fr...