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"Hey ihr zwei, kommt rein!" Freudestrahlend winkt Ashs Vater uns ins Haus und führt uns in die Küche. Britta, ihre Mom, steht summend am Herd und ein herrlicher Duft kommt uns aus dem Ofen entgegen. Über ihrem Kopf hängt ein Kreuz an der Wand und ich versuche verkrampft nicht ständig hinzuschauen. Ich werde nie verstehen, wie man so tief gläubig sein kann. Nicht das ich irgendjemanden dafür verurteile. Jeder Mensch hat etwas oder jemanden an den er glaub, woraus er Hoffnung gewinnt, was ihn stärkt. Aber allein der Gedanke ist für mich unbegreiflich - Religion steht in meinen Augen für so viel Schlechtes, das ich es kaum lassen kann dieses kleine Kreuz mit tödlichen Blicken zu bedenken. Kriege brechen aus. Menschen sterben - das alles im Namen Gottes? Es ist witzig wie den Menschen klar ist, dass homosexuelle Menschen existieren und sie sich dennoch nicht trauen sie anzuerkennen oder gar zu unterstützen, denn es könnte Gott verärgern. Ich atme tief durch und versuche mich zu beruhigen. Das ist bloß die Nervosität, sage ich mir. Ich sollte mich entspannen.
Ich werfe Britta ein gezwungenes Lächeln zu und versuche meine Unsicherheit zu überspielen, indem ich den wundervollen Duft des Essens lobe. Ich habe mich immer sehr gut mit Ashs Eltern verstanden und mit einem Mal bekomme ich unglaublich Angst, was sie in wenigen Minuten von mir denken werden. Mir ist klar, dass ich mich ganz umsonst quäle. Ich kann es sowieso nicht ändern. Trotzdem lastet dieser Gedanke unendlich schwer auf mir. Ich atme tief ein und ermahne mich. Das einzige was ich tun kann, ist für Ash da sein und sie unterstützen. So wie sie es jederzeit für mich tut. Das hier ist ihr Moment.

Seit wir das Haus betreten haben ist sie ungewöhnlich still und ich spüre wie ihre Hand zittert, als sie mich sanft zum Stuhl schiebt, sodass wir gegenüber ihrer Eltern sitzen. Unter dem Tisch verschränke ich sofort unsere Finger und streiche beruhigend mit meinem Daumen über ihre Haut.
"Atmen." flüstere ich ihr zu und ringe mir ein Lächeln ab, obwohl ich innerlich nicht mehr weit von einem Nervenzusammenbruch entfernt bin. Ich denke an gestern Abend zurück, daran wie selbstsicher sie gewirkt hat und wie sehr es mir bei meinen Eltern geholfen hat, also versuche ich mich so ruhig und zuversichtlich zu geben wie nur möglich. Für sie. Zittrig atmet sie ein und versucht mein Lächeln zu erwidern. Sie scheitert kläglich. Ihre Eltern huschen durch den Raum und sind mit dem Essen beschäftigt. Dabei schenken sie uns nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Es kommt oft vor, dass wir zu viert Essen oder ich zu Besuch bin. Es ist ein Abend wie jeder anderer. Es ist beinahe ironisch. Nur wenige Worte trennen uns davon, diese Normalität zu durchbrechen. Genervt schüttel ich den Kopf in dem Versuch, die aufdringlichen Gedanken zu verscheuchen. Auch Ash kann sich nicht wirklich entspannen. Ihr Atem ist schwer und ihr Bein wippt nervös auf und ab. Intuitiv fange ich ein lockeres Gespräch mit Ash's Vater an. Er erzählt mir von seinem Job und fragt nach der Schule. Nicht viel später schaltet Britta sich ebenfalls ein und berichtet von einem Kunden, der sie heute fürchterlich aufgeregt hat. Nervös lachend frage ich nach mehr Details, während ich stolz wahrnehme, wie Ash sich neben mir langsam wieder beruhigt.

Als ihre Mutter schließlich das Essen aus dem Ofen genommen hat, bricht es schließlich aus ihr heraus: "Ich - ich muss euch etwas sagen."

Sofort dreht Britta sich besorgt zu uns und überschüttet uns mit Fragen. "Seid ihr in Schwierigkeiten? Geht es euch gut? Habt ihr etwa Drogen genommen? Hat es mit der Schule zu tun?"
"Nein, alles ist gut Mom, uns geht's gut." versucht Ash sie zu beruhigen.
"Du hast einen Freund?" wirft ihr Vater ein. "Ach du lieber Himmel, du bist schwanger!" schreit Britta panisch.
"MOM! Ihr seid unmöglich!" schreit Ash zurück und verdreht nervös die Augen. "Natürlich bin ich das nicht." fügt sie genervt hinzu, als ihre Mom uns weiterhin angespannt anstarrt.

"Nein, das ist es nicht. WIR haben euch was zu erzählen." verbessert sie sich und hebt unsere verschränkten Hände in die Höhe, sodass ihre Eltern sie sehen können.
Völlig verblüfft gucken sie zwischen unseren Gesichtern und unseren verwobenen Fingern hin und her. Einen Moment denke ich, sie verstehen nicht worauf sie hinaus will. Dann wird mir klar, dass es ihnen einfach komplett die Sprache verschlagen hat. Unruhig rutsche ich auf meinem Platz hin und her und versuche in ihren Gesichtern zu lesen.
Als nach einigen Momenten immernoch beide schweigen, ergreift Ash erneut das Wort und nutzt die Stille, um die Situation etwas aufzuklären.
"Lia und ich sind zusammen. Fast schon ein halbes Jahr. Wir hatten eine ziemlich schwere Zeit, aber wir lieben uns und wir hoffen ihr könnt das respektieren. Ich weiß, dass es schwer für euch ist. Ich weiß..."

Ashs Vater hatte seine Position bis zu diesem Augenblick nicht einmal verändert. Doch nun ballt er plötzlich die Fäuste und springt wütend auf, sodass sein Stuhl scheppernd auf die Fliesen kippt. Erschrocken zucke ich zusammen. Mit vor Wut bebender Stimme fällt er ihr ins Wort: "Gott bewahre, Ash. Wie kannst du uns das nur antun?"

Forbidden Love || GirlxGirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt