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"Du bist sicher das du das machen willst?" frage ich noch ein letztes Mal.
Nervös lächelt sie und drückt meine Hand.
"Nein."
Ihr Blick ist dunkel vor Sorge und Unsicherheit, aber ich sehe auch Entschlossenheit darin.

Die letzen Monate haben uns als Paar noch enger zusammengeschweißt, als wir es durch die Umstände sowieso schon waren. Wir haben gelernt Stolz zu sein und uns aufeinander zu verlassen, mehr als je zuvor. Die Unterstütztung meiner Eltern, war dabei unverzichtbar.

"Ich weiß du bekommst das hin und falls es zu viel wird, warte ich gleich hier und wir fahren wieder, okay? Du bist das mutigste und liebevollste Mädchen, das ich kenne und ich werde direkt hinter dir sein, alles hören und dir wenn nötig zur Hilfe kommen."

Zögernd wippt sie auf ihren Füßen auf und ab.
"Das letzte mal als ich mit meinen Eltern gesprochen habe, hat uns das fast zerstört." sagt sie mit zitternder Stimme.
"Das war vor drei Monaten, Ash. Sie haben dich ewig nicht gesehen und hatten genug Zeit, um ihre Einstellung zu ändern. Gib ihnen eine Chance."

"Nein. Sie hätten anrufen können, fragen können wie es mir geht. Sie hätten sich entschuldigen können." Sie schüttelt energisch den Kopf.
"Ich will nur meine Sachen abholen. Ich bin noch nicht bereit, mit ihnen darüber zu reden."
"Okay. Das ist okay."
Ich spüre wie sie zittert, als ich ihre Hand in meine nehme und gebe ihr einen langen Kuss.

"Dann mal los."
Wir steigen aus dem Auto, welches ich seit meinem 18. Geburtstag letzte Woche fahren darf und gehen händchenhaltend die Straße runter. Es ist noch immer ein komisches Gefühl uns anderen Menschen als Paar zu zeigen, aber es ist auch ein kleiner Sieg.
"Ich warte hier." sage ich, als wir nurnoch ein Haus entfernt sind und mich bloß noch ein Busch vor ihren Blicken verstecken wird.

"Nein, bitte komm mit an die Tür. Mir ist es egal, was sie denken. Wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken."
Kopfschüttelnd lasse ich ihre Hand los.
"Ash, das macht das ganze nur komplizierter. Wir sollten sie nicht gleich mit dem Komplettpaket konfrontieren."
Trotzig zieht sie die Augenbrauen zusammen.
"So wie beim ersten Versuch? Entweder sie sind drüber hinweg oder für mich gestorben, bitte Lia!"
"Hey, ich weiß du bist wütend, aber gib ihnen eine Chance."
Sie schließt die Augen und reibt sich angestrengt die Schläfen, dann nickt sie langsam. Ich weiß wieviel Überwindung es sie kostet.
"Die letzte Chance."

"Du schaffst es. Sie sind immernoch deine Eltern Ash, keine Fremden. Hol schnell die Sachen, vielleicht entschuldigen sie sich ja. Wenn nicht, dann gehst du halt ohne weiteres wieder. Wenn du nicht bleiben willst, dann mach es nicht. Wenn du nicht reden willst, dann mach es nicht. Aber egal wie sauer du gerade bist, bitte gib ihnen noch eine Chance. Lass sie ausreden, hör dir an was sie zu sagen haben. Und wenn du es nicht für sie tust, dann mach es für mich, okay? Bereit?"
"Ja."

Ich wische eine Träne von ihrer Wange und drücke sie noch einmal fest. "Ich habe Angst, Lia."
"Ich weiß. Ich auch."
Tief atmet sie ein paar mal durch und geht zielstrebig auf die Haustür zu, doch ihr Finger bleibt unschlüssig vor der Klingel in der Luft hängen. Durch die Äste durch beobachte ich sie.

Als sie schließlich auf die Klingel drückt, atme ich zittrig aus.
"Ash?" höre ich die ungläubige Stimme von Britta, ihrer Mutter. Für einen Moment herrscht Stille und sie starren sich einfach nur an. Gespannt knete ich meine Hände, das wütende Geschrei noch frisch in Erinnerung.

Dann bricht Britta in Tränen aus und macht einen Schritt auf sie zu. Sofort weicht Ash zurück und hebt abwehrend die Hände. Ich kann spüren, wie verunsichert sie ist. Wie vor den Kopf gestoßen, hält ihre Mom einen Moment inne, schluchzend.
"Ich will nur meine Sachen holen. Schulzeug, Klamotten."
"Gib ihnen eine Chance." flüstere ich viel zu leise und muss an die letzten paar Monate denken. Den ersten Monat nach dem Streit mit ihren Eltern, war Ash unglaublich verletzt gewesen. Unzählige Male ist sie nachts weinend aufgewacht. Tagsüber konnte ich spüren, wie sie in jeder Situation mit meinen Eltern, ihre vermisst hat. Die letzten beiden Monate hingegen, hat sie eine Mauer aufgebaut. Sie hat ihren Schmerz in eine solche Wut umgewandelt, dass ihre Eltern kaum noch eine Chance haben. Ich habe so oft mit ihr darüber geredet, aber sie hat sich jedes mal abgeschottet. Jetzt stehe ich hier, innerlich betend, dass es noch nicht zu spät für eine Versöhnung ist.

Britta scheint ihre Meinung durch die Abwesenheit von Ash tatsächlich geändert zu haben und ich sehe eine reale Chance. Bei ihrem Anblick bin ich selbst kurz davor, ebenfalls zu weinen, doch Ashs Miene bleibt versteinert. Kalt. Verletzt.

"Es tut uns so unendlich Leid, mein Schatz", nimmt ihre Mom den zweiten Anlauf und fährt sich dabei durch die Haare, "ich weiß wir haben dich verletzt."

Mit diesen Worten überwindet sie dann doch den Meter, der noch zwischen ihnen liegt und nimmt ihre Tochter fest in die Arme. Schluchzend umklammert sie sie und ich sehe, wie Ashs Rücken ebenfalls zu beben anfängt. Das Eis ist gebrochen. Minutenlang wiegen sie sich hin und her, bevor Ash schließlich zurücktritt und sich über die Augen wischt. Widerwillig lässt Britta sie los.

"Nicht nur mich." antwortet Ash nach weiteren bedrückend stillen Sekunden und guckt dabei kurz über ihre Schulter.
"Ihr habt nicht nur mich verletzt!" Tränen rollen ihre Wangen herab.
"Du musst verstehen... "
"Nein, Mom. Lia ist das beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ich gebe mir alle Mühe nicht zu verstehen, wie ihr uns das antun konntet."

Soviel zu 'das Eis ist gebrochen' denke ich und seufze.

"Ich möchte doch nur erklären...bitte hör mich an. Ash. Wir vermissen dich."
Ich beiße nervös auf meiner Lippe herum und warte. Die Spannung zerreißt mich.
"Ich komme nicht zurück, nur damit ihr mich zur Therapie schickt und von Lia vernhaltet. "
"Ist sie hier?"

'Komm schon Ash.' flehe ich innerlich.
"Wieso willst du das wissen?"
"Ash, ich will doch nur..."

Innerlich fluchend gebe ich mein Versteck auf und trete langsam neben Ash. Ich fühle mich schlecht, als würde ich der weinenden Mutter ihr einziges Kind entreißen. Ich weiß, dass es Quatsch ist. Das Gefühl lässt sich jedoch nicht abschütteln.
'Es ist nicht meine Schuld' sage ich mir und grüße Britta nervös, unschlüssig wie ich mich am besten verhalten soll. Unerwartet zieht sie mich ebenfalls in eine Umarmung und wir beide schweigen, nicht sicher was zu sagen ist.
"Weißt du wie fake das ist?", schreit Ash auf einmal, "erst wünscht ihr uns in die Hölle und aufeinmal ist alles vergessen? Nein ist es nicht."
"Süße.." flüstert Britta verzweifelt und greift nach ihrer Hand, die Ash weinend zur Seite schlägt.
"Ash, bitte." flüstere ich und kann die Tränen selbst nicht mehr länger zurück halten. Ich will nicht, dass sie wegen mir für immer mit ihren Eltern zerstritten ist.

Sie guckt mir einen Moment in die Augen, verzweifelt und wütend, doch ich spüre wie sie langsam nachgibt und schließlich nurnoch die Trauer bleibt.

"Es tut mir Leid."
"Nein, das muss es nicht." erwidert Britta sofort. Erleichtert greift sie erneut nach den Händen ihrer Tochter und diesesmal lässt sie es zu.

Forbidden Love || GirlxGirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt