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"Wollt ihr... noch kurz bleiben?" fragt Britta vorsichtig, als wir mit den letzten zwei Kartons die Treppe runterkommen.

"Gerne." antworte ich, bevor Ash es tun kann. Innerlich bereite ich mich darauf vor, ihre Wut abzubekommen, sobald wir alleine sind. Doch als wir am Auto stehen und die Kisten auf die überladene Rückbank quetschen, bedankt sie sich bei mir.
Überrascht drehe ich mich zu ihr um und ziehe eine Augenbraue in die Höhe, doch mehr sagt sie nicht.
"Wofür?"
"Du hattest recht."

Breit grinsend legt sie ihre Arme um mich und schweigt. Zu sprechen wäre auch nicht nötig, ihre Augen sagen alles - ich kann sehen wie erleichtert und glücklich sie ist. Sie leuchten förmlich.
"Gern geschehen?" lache ich und puste ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Nach einer Weile löse ich mich aus ihrer Umarmung und schließe das Auto ab.

"Na komm, nicht das deine Mom so lange warten muss. Sie hat dich echt vermisst." sage ich und ziehe sie mit mir. Im gehen rede ich weiter: "Weißt du...irgendwie fühle ich mich schlecht, als ob ich dich ihr wegnehme. Ich weiß das klingt dumm, aber..."
"Nein, ich weiß ganz genau was du meinst. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat meine ganze Wut verpuffen zu lassen. Aber irgendwie habe ich auch ein schlechtes Gewissen, weil ich gehe. Ich habe sie so vermisst, nur habe ich mir das die ganze Zeit über ausgeredet. Und dann...in dem Moment als sie vor mir stand..."

Verständnisvoll nicke ich.
Ash fährt fort: "Aber du weißt, dass es Quatsch ist? Ich bin nicht wegen dir gegangen, sondern wegen ihnen. Der Streit war schuld. Und ich wäre sowieso bald ausgezogen."
Sie zwinkert mir aufmunternd zu.
"Stimmt." sage ich und nehme ihre Hand in meine. Sie hat natürlich Recht und ich fühle mich gleich etwas besser bei ihren Worten.

Zurück im Haus machen wir es uns auf dem Sofa bequem und reden eine Weile, bis ihre Mom dazukommt. Wir haben nicht erwartet, dass es so gut läuft. Das wir überhaupt mehr als ein paar Worte wechseln. Eigentlich dachten wir, es wird ein riesen Drama. Erst jetzt wo wir alle zur Ruhe kommen und uns unterhalten, spüre ich wie gut es tut. Wie die Anspannung langsam von mir abfällt, die sich schon seit Tagen aufgebaut hatte. Die Situation zuvor war eine größere Last, als wir zugeben wollten.

"Kaffee?" fragt Britta in die Runde.
Freudig stimme ich zu und gehe mit ihr in die Küche, um zu helfen. Ash telefoniert inzwischen mit ihrem Vater, der momentan auf Geschäftsreise ist und bleibt auf dem Sofa liegen. Auch Johann, ihr Vater, scheint seine Meinung geändert zu haben. Ich höre Ash bis in die Küche herzhaft lachen. Sie wirkt so befreit.

Glücklich summend hole ich Tassen und Zucker aus dem Schrank, während Britta den Kaffee brüht. Ashs fröhliche Stimme lässt mein Herz hüpfen und umso mehr erschrecke ich mich, als plötzlich Britta neben mir steht. Tränen laufen ihre Wangen hinab und sie nimmt mich schluchzend in die Arme. Überfordert erstarre ich und warte einige Sekunden, ob sie etwas sagen will, doch es bleibt still.

"Ähm, alles okay? Liegt es an mir? Es tut mir leid."
"N..nein. 'Tschuldigung, ich wollte dich nicht überrumpeln, es ist nur..."
Sie macht einen Schritt zurück und putzt sich die Nase, bevor sie weiterredet.
"Ich glaube Ash hasst mich und.. und ich kann das verstehen."

Erneut bricht sie in Tränen aus und mit einem Ruck überwinde ich mich und schließe sie in die Arme. Ohne etwas zu sagen, tätschel ich unbeholfen ihren Rücken und warte bis sie sich etwas beruhigt hat. Ich bin wirklich nicht gut in sowas. Absolut nicht. Krampfhaft überlege ich, wie ich sie aufmuntern kann. Schließlich rede ich einfach drauf los: "Sie hasst euch nicht. Gerade eben am Auto hat sie mir gesagt, wie sehr sie euch vermisst hat. Es war sehr schwer für sie, damit umzugehen, aber ich weiß ihr habt ihr gefehlt."

"Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht, immerhin bin ich ihre Mutter. Nichts sollte mir wichtiger sein, als mein Kind. Eltern sollten ihr Kind nie so behandeln, wie wir es getan haben. Wir waren schreckliche Eltern." Wieder sammeln sich Tränen in ihren Augen und sie dreht sich beschämt zur Seite. Auch ich spüre wie eine Träne meine Wange hinabrollt und schlucke schwer. Ich kann gut verstehen, was Britta meint. Sie spricht aus, was ich die letzten Monate gefühlt habe.

"Weißt du, wir hatten selbst Probleme damit uns zu akzeptieren." beginne ich langsam. "Es ist schwer zu akzeptieren, dass man nicht so ist,  wie die meisten anderen. Es wäre so viel einfacher. Ich bin mir sicher, Ash versteht es. Auch wenn die Reaktion... naja.. heftiger war als erwartet" versuche ich es diplomatisch auszudrücken.

Britta wischt sich eine Träne von der Wange und nickt stumm. Sie scheint darauf zu warten, dass ich fortfahre, also spreche ich unsicher weiter:
"Ash und ich haben nach der Nacht nicht mehr viel darüber gesprochen. Aber sie hatte ein Foto von euch mit und hat es jeden Abend angeguckt, wenn sie dachte ich sei im Bad und würde es nicht sehen. Sie war wütend und verletzt, ja, aber gehasst hat sie euch nie. Ihr seid immerhin ihre Eltern. Die Hauptsache ist doch, dass ihr jetzt für sie da seid."

Es entsteht eine unangenehme Stille und meine Worte scheinen in der Luft hängen zu bleiben. Ich senke den Blick, nicht sicher ob meine kleine Rede ihren Sinn erfüllt hat. Endlich räuspert Britta sich und bietet mir ein Taschentuch an, bevor sie antwortet.

"Danke Lia. Für alles."
Sie wischt sich die letzten Tränen von der Wange und scheint sich nach meinen Worten tatsächlich etwas besser zu fühlen. Lächelnd beruhige auch ich mich innerlich wieder etwas. "Ich bin froh das Ash dich hat. Es ist nur so.. schwer zu verstehen, weißt du? Wir versuche es, wirklich, aber es ist schwer für uns."
Ich nicke.
"Wir hatten ja auch nie so wirklich die Gelegenheit darüber zu sprechen, vielleicht sollten wir das nachholen?" biete ich an, "es würde uns allen helfen, denke ich."

Ash kommt mit einem breiten Grinsen in die Küche gelaufen und berichtet ausgelassen, dass ihr Vater in zwei Tagen zurück sein wird. Als sie unsere verweinten Gesichter sieht, bleibt sie verwundert stehen.
"Habe ich etwas verpasst?"
Ängstlich schaut sie zwischen ihrer Mom und mir hin und her.
"Nein Schatz, ich freue mich bloß, dass du hier bist. Wir haben wirklich hart an uns gearbeitet und es tut mir so leid was passiert ist."
"Oh. Ich.. Danke."

"Ich dachte wir könnten deine und meine Eltern mal zum Essen einladen, Ash? Sobald dein Vater zurück ist natürlich."
"Klar, gerne."
Ich lächle Britta zu und sehe, wie dankbar sie ist.
Noch immer verwirrt lässt sich Ash von ihrer Mom umarmen und wir verbringen den restlichen Nachmittag damit Kaffee zu trinken und gemeinsam eine Quizshow zu gucken.

Forbidden Love || GirlxGirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt