„Wie lange noch?“, fragt Lindi hoffnungsvoll und beugt sich zu unserem Vater rüber.
Dieser sieht etwas genervt aus, was auch kein Wunder ist, denn wir saßen soeben 5 Stunden an der serbischen Grenze.„Kann noch dauern.“, entgegnet er ihm dennoch.
Lindi scheint mit dieser Antwort trotzdem nicht zufrieden zu sein und lehnt sich mit einem Seufzer wieder zurück. Mami und Viola sind immer noch im Halbschlaf und ich versuche zu lesen, was sich mit der albanischen Musik im Hintergrund doch als schwer heraustellt. Ausmachen möchte ich sie trotzdem nicht, es gehört nämlich einfach dazu und ob meinem Vater diese Stille zusagt weiß ich auch nicht.
Lorik fährt sein eigenes Auto dicht hinter uns, dieses Jahr hat er darauf bestanden und da der Platz in unserem Wagen auch nicht der größte ist, hatten meine Eltern nichts dagegen einzuwenden.Einige Zeit später..
Ich steige aus dem Wagen und erblicke direkt meine Verwandten väterlicherseits. Oma, Opa, Tante Diellza, Onkel Faton, Alban und seine Schwester Blerina.
Sofort werden Umarmungen und Küsschen ausgetauscht, meine Oma weint beinahe vor Freude und wir setzen uns alle draußen am Garten hin. Da wir 12 Leute sind reichen nicht alle Stühle und deswegen müssen ein paar Hocker her. Ach, selbst die Plastikhocker in Kosovo liebe ich.
Die Koffer im Auto werden erst später rein getragen und so kommt es, dass wir uns erstmal erkundigen wie es den anderen so geht und ob es etwas neues zu erzählen gibt.
„Und, schon aufgeregt? Bald bist du kein freier Mann mehr!“, fragt Lorik Alban mit einem Zwinkern.
„Geht eigent-.“, entgegnet dieser, wird aber direkt von unserem Opa unterbrochen.
„Ach was! Der schläft vor Aufregung kaum noch!“
Tante Diellza lacht auf. „Ist doch selbstverständlich!“
Ich versuche ein Kichern zu unterdrücken, was mir zwar etwas misslingt, doch als ich mir ein Glas Wasser nehme geht es schon wieder. Erst als ich das sehr kalte Wasser trinke, fällt mir auf wie durstig ich war.
„Und, Eliza, wie läuft's eigentlich bei dir mit den Jungs?“, kommt es auf einmal von meiner Oma.
Vor Schreck hätte ich beinahe die Flüssigkeit aus meinem Mund gespuckt, jedoch blieb es bei einem peinlichen Verschlucken, gefolgt von einem lange andauernden Hustenanfall und einem Gesicht, das von der Farbe her einer Tomate ähnelt. Meine Wangen glühen und ich schäme mich so sehr.
Inzwischen bin ich 16 Jahre alt. War ja zu erwarten, dass solche Fragen kommen. In dem Alter fangen die meisten an sich für jemanden zu interessieren; Es war dumm von mir sich nicht darauf vorzubereiten.
Aber was sollte ich auch sagen? Um ehrlich zu sein, gibt es in Deutschland nicht viele Jungs mit denen ich etwas zu tun habe. Ich bin einfach zu schüchtern um jemanden anzusprechen und selbst werde ich auch selten angesprochen.
Mein Vater schaut mich sowohl prüfend als auch abwartend an. Wie der ganze Rest.
„Ich, äh, warte noch ein bisschen, denke ich.“
Oma lächelt mich warm an.
„Wozu? Du bist jung, hübsch und hast nicht ewig Zeit, nicht wahr?“
„Mutter, sie is-“,
„Nicht wahr?“, wiederholt sie noch einmal, um klarzustellen, dass sie keine Widerrede duldet.
Mein Vater rollt mit den Augen. Er ist sichtlich genervt, denn ich weiß, dass er mich noch als Kind ansieht und Angst hat, ich mache folgenschwere Fehler. Dabei weiß er doch, dass ich intelligent genug bin, um auf mich aufzupassen.
Lorik beobachtet das Ganze nur ziemlich still. Ich wüsste gerne, was er denkt.
Wessen Meinung er ist.Meine Mutter lenkt schließlich vom Thema ab und wir reden weitere drei Stunden bis es Abendessen gibt. Während wir Frauen den Tisch decken, bringen die Männer die Koffer in die einzelnen Zimmer.
Um es kurz zu veranschaulichen: In Kosovo ist es im Vergleich zu Deutschland nicht allzu teuer, ein großes Haus zu bauen/kaufen. Da die wirtschaftliche Lage momentan nun mal nicht gut aussieht, greifen Albaner, die im Ausland Leben, ihrer Familie unter die Arme und lassen ihnen bestimmte Summen an Geld zukommen. So kommt es beispielsweise, dass wir hier in einer (ohne es zu übertreiben) Villa wohnen und es uns gut gehen lassen.
Also habe ich mein eigenes Zimmer, das groß und pompös eingerichtet ist. Mit allem drum und dran.
Nachdem ich mich vollgestopft habe, meine Klamotten eingeräumt sind und ich meinen Eltern Bescheid gegeben habe, entscheide ich mich raus zugehen.
Wir leben in Prizren, und ich liebe diese Stadt unendlich.Draußen an der frischen Luft kann ich mein Glück immer noch kaum fassen. Endlich bin ich hier.
Ich habe so lange darauf gewartet, albanischen Boden unter den Füßen zu spüren.Es wird etwas windiger, mein weißes Carmen Oberteil flattert und ich fühle mich der Freiheit so nahe wie noch nie zuvor. Ich schließe meine Augen und versuche den Moment einzusaugen, ihn niemals zu vergessen. Der Wind weht weiter durch meine Haare und ich vergesse die Welt um mich herum. Ich muss grinsen, denn eigentlich muss das ziemlich bescheuert aussehen, wie ich einfach mit gehobenem Kopf dastehe und mich nicht bewege. Wie ich mich an einem Zaun anlehne, vor einem wunderschönen Feld und die Augen schließe. Doch es ist mir egal. Ich fühle mich endlich komplett.
Mein Frieden mit mir selbst hält aber nicht lange an, denn ich höre ein merkwürdiges Geräusch und erschrecke deswegen. Als ich mich umschaue ist da jedoch nichts. Ich bin wahrscheinlich einfach nur paranoid.
Ich spaziere weiter und weiter durch die Stadt, sehe Leute an verschiedenen
Plätzen und entscheide mich wieder zurück zu kehren, als ich mein Handy anschalte und zwei verpasste Anrufe von Lorik sehe. Auf dem Heimweg rufe ich ihn an.„Hallo?“
„Hey, ich bin gleich da. Mein Handy war ausgeschalten, sorry.“, sagte ich etwas verunsichert.
Ohne auf meine Erklärung zu reagieren, fragte er augenblicklich: „Soll ich dich abholen?“
Lorik hat einen sehr stark ausgeprägten Beschützerinstinkt. Er will es nicht zugeben, aber er scheißt sich innerlich immer in die Hosen wenn ich mal länger wegbleibe. Ja, ich bin manchmal auch nachts bei Freunden oder feiern. Meine Eltern lassen mir gewisse Freiheiten, auch wenn sie es manchmal bereuen, doch sie wissen, dass ich sehr vorsichtig bin.
Schon wieder höre ich einen komischen Laut. Dennoch ignoriere ich es.
„Passt schon. Ist nur noch ein Stü-.“
Es folgt ein Brummen und ich sehe ein Licht immer näher auf mich zukommen. Mein Herz rast.
„Sicher? Eliza, ist alles okay?“, kommt es von der anderen Leitung.
Ich antworte nicht, sondern starre nur auf die Scheinwerfer sich mir nähern. Und nähern. Und nähern.
„ELIZA!“, brüllt Lorik.
Und ich hauche nur ein „Warte“, obwohl ich es selbst tue.
-
Oh Oh Oh..
Was hält ihr von der Geschichte? Lasst es mich doch bitte wissen, es würde mich mega freuen und Motivation zum weiter schreiben hätte ich dann gleich viel mehr :)Mögt ihr Eliza?
Von Viola und Lindi kam jetzt nicht so viel, aber das ändert sich bald wieder.
Und btw, ich folge den ersten 100 Votern meines Buches hier auf Wattpad. Nicht weil ich famegeil bin, sondern weil das für mich etwas besonderes ist. Danke fürs lesen :)
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Eliza und Blerim
RomanceEliza Hoxha ist wunschlos glücklich als die langersehnten Sommerferien beginnen und sie endlich mit ihrer Familie für vier Wochen nach Kosovo in den Urlaub fährt. Dass dieser Monat unvergesslich wird, ist schon vorprogrammiert. Auf der Suche nach si...