T H I R T Y

42 7 3
                                    

Ich hatte eine Woche lang jeden Tag von Ladenöffnung bis Ladenschließung hier gesessen und auf sie gewartet. Mehrere Stunden lang gehofft, sie würde kommen. Dieses bescheuerte Café war meine einzige Verbindung zu ihr gewesen, und nun lief sie vor mir davon.

Konnte sie wirklich so unsicher sein? Konnte sie wirklich so wenig von sich selbst überzeugt sein, das sie glaubte man würde sich nicht um sie bemühen? Konnte sie nicht sehen, das ich nur ihret wegen hier war, wie wundervoll sie war?
Aber dieses Mal würde ich sie nicht gehen lassen. Niemals.

Sie war gerade erst durch die Tür gegangen, als ich auch schon zum zweiten Mal los stürmte. Ich wusste draußen tobte der Sturm, aber ich achtete nicht darauf - Schal und Mantel blieben zurück.
"Tiana!", rief ich während ich die Tür auf schwang. Gerade ging sie um die Ecke, gegen den Schnee ankämpfend. "Tiana!", rief ich ein zweites Mal und folgte ihr um die Ecke. "Tiana, bleib stehen!" Ich ergriff sie am Arm.
"Jake, was machst du hier draußen? Und wo ist dein Mantel, du erfrierst hier draußen noch!" Schnell nahm sie ihren Schal ab und legte ihn behutsam um meinen Hals. Sie war unglaublich liebevoll.

So ist sie wohl. Denkt keine einzige Sekunde an sich selbst.

"Jake, du solltest wieder rein gehen. Dein Date wartet, und dein Getränk wird kalt. Tut mir leid nochmal, das ich mich einfach so unverschämt hingesetzt habe. Ich hätte erst fragen sollen, ob überhaupt frei ist."
Immer mehr Schnee bedeckte ihr Haar und sie zitterte vor Kälte, doch sie ließ mich nicht einmal zu Wort kommen. Sie plapperte einfach weiter.
"Nun geh schon rein! Und wegen dem Schal, behalt ihn einfach, ich komm schon klar. Solltest du ihn nicht behalten wollen, nächste Woche bin ich wieder-"
"Tiana, stopp." Mit großen Augen schaute sie mich an. Plötzlich musste ich einfach lachen. Das sie nicht wusste, wie toll sie eigentlich war, machte sie nur umso attraktiver.
"Tiana, du hast ja keine Ahnung."
"Jake...", fing sie an, doch ich wollte dem Allem ein Ende setzen.
"Nein, hör mir zu. Zu allererst, ich habe kein Date. Ich bin voll und ganz wegen dir hier. Und falls es dich interessiert, der zweite Becher auf meinem Tisch war für dich bestimmt." Ihr Gesicht lief komplett rot an, und ich wusste, dass das nichts mit der Kälte zutun hatte, die uns umgab.
"Ich weiß, das du dachtest ich würde nur hier sein, weil ich mich bedanken wollte, oder um weitere Hilfe zu bitten, aber ich habe nicht zu ende gesprochen."
"Oh nein Jake, das tut mir so-"
"Pscht. Ich bin nicht fertig."
Betreten blickte sie zu Boden, und ihre langen Wimpern warfen sanfte Schatten auf ihre Haut. Sie faszinierte mich immer wieder.
"Was ich eigentlich sagen wollte war, das ich dich echt..."

Und jetzt?! Wie sagt man einem Menschen - dazu noch einem Mädchen - das man ihn mag?!

Ich seufzte und versuchte mich zu entspannen. "Was ich sagen will ist, das ich dich nach unserem Treffen unbedingt nocheinmal sehen wollte. Einfach weil du so sympathisch bist, weil ich dich einfach mag. Aber ich Idiot habe dich einfach aus dem Café gehen lassen, ohne dich nach deiner Nummer zu fragen. Als ich dir nachgerannt bin, warst du leider schon verschwunden." Mit jedem Wort, wurde die Fassungslosigkeit in ihrem Gesicht immer größer.

"Du bist mir seitdem einfach nicht mehr aus dem Kopf, und deswegen bin ich hier. Und ich konnte dich einfach nicht noch ein zweites Mal gehen lassen."
Ich erwartete einen Schwall aus Worten aus ihrem Mund, aber stattdessen tat sie etwas Unerwartetes: Sie ging einen Schritt auf mich zu, ging auf die Zehenspitzen und viel mir um den Hals. Erst war ich so überrascht, das ich nicht wusste wohin mit mir selbst. Doch als sie die Arme fester um mich schlang, zog ich sie an ihrer Taille näher an mich. Ihr kleiner Körper passte perfekt in meine Umarmung. Meine starken Arme um ihren zierlichen Körper fühlten sich mehr als gut an. "Ich habe auch oft an dich gedacht", flüsterte sie verlegen und abermals breitete sich dieses ungewohnte, aber doch schöne Gefühl in mir aus.

Daran könnte ich mich gewöhnen.

Als wir uns voneinander lösten, blickte sie zu mir auf mit diesem atemberaudenen Lächeln auf den Lippen. Bedächtig strich ich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, und streichelte ihre zarte Wange. Ich konnte nicht anders, ich konnte nicht an mich halten. Sie war zu schön.
Doch als sie ihr Gesicht in meine Handfläche schmiegte, musste ich einfach grinsen. Sie war mehr als bloß schön, sie war atemberaubend.
"Komm", sagte ich und legte ihr ihren Schal um den Hals, bevor ich ihre Hand ergriff, "lass uns wieder hinein gehen, du bist ganz kalt."

Nachdem ich ihr unter Protest eine neue heiße Schokolade spendiert hatte, saßen wir wieder in unserer Niesche und redeten. Über alles mögliche! Unnötiges, interessantes Zeug eben.
Und während sie so von ihrem Lieblingsbuch schwärmte, ich aber einfach zu angelenkt war von ihrer Schönheit, wurde mir erst so wirklich bewusst, was sich hier eigentlich gerade abspielte.

Worüber hatte ich noch genau vor einer Woche nachgedacht? Sie wären alle gleich? Man würde nie aus der Offensive gehen? Falsch. Ich war ein Idiot gewesen. Schon jetzt hatte ich mehr für dieses Mädchen getan, als für jede Andere, und dies war erst der Anfang.

Sie war so interessant. Mich interessierte alles an ihr. Was sie liebte, was sie hasste, was sie bewegte und was sie zum Grübeln brachte. Und ich war so bedacht darauf, jede einzelne Sache herauszufinden, das ich mit guten Gewissen sagen konnte, das wir eine Zukunft hatten.

Wie diese aussehen würde? Keine Ahnung.
Vielleicht würden wir beste Freunde? Vielleicht würde ich mich in sie verlieben? Vielleicht aber auch würden sich unsere Wege schon bald wieder trennen.

Aber eines war sicher: Ich würde alles dieser Welt geben, um diese unglaubliche Frau kennenzulernen. Ganz egal, wohin uns dieser Weg führen würde.

- lliqhtred

~~~~~~~~~~~~~~~~

- 29.08.16 um 00:30 Uhr
#originaltext

lliqhtblueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt