T H I R T Y - S I X

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"Also, wie ging es dir letzte Woche?"
Zaghaft nippte ich an der neuen heißen Schokolade, die er mir unbedingt kaufen wollte, da die alte kalt geworden war. Ich hasste es, wenn man Geld für mich ausgab. "Nun ja", antwortete ich, "eigentlich ganz okay. Ich war bloß etwas müde von der ganzen Lernerei, aber ich komm schon klar."

Ich lächlte ihn an. Schon wieder. Aber seit dem Szenario, dass sich gerade vor dem Café abgespielt hatte, bekam ich mein dummes Grinsen einfach nicht mehr aus meinem Gesicht. Ich konnte legitim sagen, dass das einer der schönsten Momente seit sehr, sehr langer Zeit gewesen war. So dumm es klingen mochte. Aber vorallem machte es mich glücklich, dass es ihm genauso zu gehen schien. Seine braunen Augen strahlten eine Wärme aus, die mich von außen einlullte, wie eine warme Daunendecke.

"Okay Tiana, gehen wir ans Eingemachte." Verdutzt hob ich beide Augenbrauen, was ihm ein kleines Lachen entlockte. "Du weißt schon, diese Fakten über einen, nach denen man eigentlich niemals fragt, aber von denen man am Schluss doch glücklich ist, sie zu wissen."

Eine Gänsehaut jagte über meine Arme. Er klang so aufrichtig und interessiert, das mein persönliches Glücksbarometer den höhsten Ausschlag sprengte.

An welche wundervolle Person bin ich bloß geraten?

"Aha", ich beschloss, ein kleines Spielchen mit ihm zu spielen, "dann bist du also wirklich daran interessiert, unnötiges Zeug über mich zu erfahren?" Meinem ironischen Ton fügte ich ein verschmitztes Grinsen hinzu.
"Naja, schließlich sollte ich wohl wissen, wen ich mir da aufgegabelt habe."
"Die Frage ist, ob ich mich überhaupt aufgabeln lassen", lachte ich.
"Das kannst du nur wissen, wenn du ein paar unnötige Sachen über mich erfahren hast." Er fiel in mein Lachen mit ein. Ich nahm einen Schluck heiße Schokolade.

"Also gut, aber nur, wenn du die Fragen stellst. Darin bin ich unglaublich schlecht."
"Ich weiß gar nicht, was du hast! Ich habe gerade unnötiges Erfahren, dass du schlecht im Fragen stellen bist."
Ich musste einfach Lachen bei seinem albernen Humor.
"Aber ich habe deinen Wink verstanden, deswegen tue ich mal so, als hättest du dir gerade nicht selbst widersprochen."

Er räusperte sich kurz, bevor er fortfuhr. "Fangen wir klein an: Was ist deine Lieblingsfarbe?"
"Grün."
"Ernsthaft?"
"Magst du Grün denn nicht?"
"Hm, darüber habe ich noch nicht nachgedacht, aber gleichzeitig hätte ich auch nicht gedacht, das Grün deine Lieblingsfarbe ist."
Ich lachte. "Was man denn nicht alles für merkwürdige Dinge herausfindet."
"Warum ausgerechnet Grün?"
"Ich glaube", fing ich an, "es liegt daran, das die Farbe mich an so viele Dinge erinnert, die ich liebe und die ich erleben möchte. Ich liebe den Geruch von frisch gemähtem Graß zum Beispiel, oder es erinnert mich daran, das ich unbedingt einmal Nachts auf einer Wiese sitzen und Sterne ansehen möchte."

Meine Wangen röteten sich etwas bei meinen offenen Bekundungen, während er mich mit seinem intensiven Blick musterte.
"Und was ist deine Lieblingsfarbe?"
"Es ist Blau."
"Und wieso?"
"Es gab einen prägenden Moment in meinem Leben, und seitdem ist mir die blaue Farbe einfach präsent."
An der Art, wie das Strahlen seiner Augen sich etwas dämpfte und er in seiner Körperhaltung einsackte, wusste ich, dass wir einen wunden Punkt erreicht hatten. Ich fragte nicht weiter.
"So langsam finde ich gefallen an dieser unnötigen Conversation. Nächste Frage." Ich lächelte ihn an. Ich wollte ihm signalisieren, dass er sich nicht vor mir entblößen musste, das ich ihn respektierte und ihn keine Schuld traf. Und tatsächlich schaffte er es wieder, mir zurück zu lächeln.
"Einzelkind?"
"Zwei kleine Schwestern. Bei dir?"
"Eine kleinere Ausgabe von mir selbst", lachte er. Mir wurde warm ums Herz bei dem Gedanken, dass er seinen Bruder als einen kleineren Teil seiner selbst betrachtete.
"Eltern?"
"Geschieden."
"Das tut mir leid."
"Das muss es nicht!", meinte ich schnell, "deine?"
"Seit bald 17 Jahren verheiratet."
"Das ist so wundervoll. Sie haben so Glück, sich gefunden zu haben. Ich hoffe auch ständig, jemanden zu finden, den ich so glücklich mache, dass er den Rest seines Lebens mit mir zusammen sein möchte."
"Ja, ich auch", sagte er nachdenklich, "so eine Liebe konnte ich mir bis jetzt nie vorstellen."
"Wie meinst du?" Seine Aussage brachte mich ins Grübeln, aber er machte sofort zu. Er zuckte bloß mit den Schultern. Auch dies schien ein heikles Thema zu sein.
"Oh," ich war etwas überrascht, obwohl ich selbst keine Antwort auf diese Frage hatte. "Das heißt, du wirst niemals heiraten?"
"Wer weiß", seufzte er mit einem Lächeln, "wenn ich jemanden finde, der es mit mir auf Dauer aushält."

Ich lachte, obwohl ich auch etwas geschockt war. Wusste er denn nicht, wie unglaublich er war? Es müsste seine geringste Sorge sein, einen Partner fürs Leben zu finden.
"Wir sind abgeschweift", bemerkte er.
"Ja stimmt, fahren Sie fort, bitte", neckte ich ihn.
"Wie Sie wünschen. Größter Traum?"
"Ein erfülltes Leben."
"Erläutere."
"Meinen Abschluss machen, ein erfolgreiches Medizinstudium ablegen, die Welt bereisen, die große Liebe finden und niemals meine Inspiration verlieren."
Seine Augen leuchteten plötzlich auf. "Was hat es mit der Inspiration auf sich?"
"Nun ja," ich kratzte meinen Nacken, "ich möchte einfach nie verlernen das zu wertschätzen, das mich immer wieder inspiriert. Ich möchte nie aus den Augen verlieren, was mich dazu antreibt weiter zu machen."
Sein Blick intensivierte sich wieder, was meine Nervosität in die Höhe schraubte. Ich konnte seinem Blick nur kläglich standhalten.
"Die Literatur, die Kunst und vorallem die Musik und die Menschen um mich herum. Das ist es, was ich für immer in meinem Herzen behalten will."
Er öffnete seinen Mund, um mein Gesagtes zu kommentieren, aber ich ließ es nicht zu. Ich wollte kein Risiko eingehen. "Und was ist dein Größter Traum?"
"Ich schätze, meine Eltern stolz zu machen."
Schlagartig wurde ich traurig. Sein Lebenstraum war es, seine Eltern stolz zu machen? Das sollte er niemals sein. Seine Eltern sollten schon jetzt mehr als stolz auf ihn sein. Darauf, das er ihr Sohn war.
"Wieso, sind sie es nicht bereits?" Ich versuchte mich nicht zu sehr in meine Traurigkeit für ihn einsinken zu lassen.
Er zögerte, aber ich gab ihm die Zeit. Es musste schwer für ihn sein.
"Nein, nein sind sie nicht. Das Einzige, das sie irgendwo berührt, sind meine schulischen Leistungen. Und ich will nicht, dass sie es in irgendeine Geburtstagskarte kritzeln. Ich will das sie es sagen, dass sie stolz auf mich sind. Das sie froh sind, das ich tue, was ich tue und das ich gut darin bin. Nur einmal. Ich will sie es nur einmal sagen hören." Ich musste mich bemühen, meine Tränen zurückzuhalten. Ich spürte sein Bedauern so sehr in mir, als wäre es mein eigenes. Zaghaft rückte ich ein Stück näher an ihn heran. "Das tut mir so leid. Ich hätte mir so vieles anders für dich gewünscht", sagte ich und nahm seine Hand, um sie sanft zu drücken. Ich wollte jetzt nicht schüchtern sein. Ich wollte ihm so sehr zeigen, das man jeden Grund hatte auf ihn stolz zu sein. Mit unendlicher Traurigkeit und gebrochenem Stolz in den Augen blickte er auf meine zierliche Hand, bevor er sie zwischen seine nahm, und sanft kleine Kreise mit seinem Daumen auf meinen Handrücken malte. "Das muss es nicht", zitterte seine Stimme leise, "die meisten Träume gehen irgendwann in Erfüllung." Ich drückte seine Hand etwas fester. Schweigende Sekunden vergingen. "Weißt du was?", begann er, "ich glaube, dass war genug für heute. Ich meine, wir haben noch unendlich viel Zeit um die Antworten für diese ganzen unnötigen Fragen zu finden! Lass uns verschwinden."
Ich hatte keine Zeit überhaupt etwas zu erwidern, denn im nächsten Moment hatte er sich schon unsere Mäntel über die Schulter geworfen, und zog mich in Richtung Ausgang. "Jake!", lachte ich, "es ist total kalt draußen, wir werden erfrieren!"
"Solange ich mit dir zusammen erfriere, ist es mir total egal!"

Ich war viel zu geschmeichelt um noch weitere Ausreden zu finden. Dieser Junge war das reinste Abenteuer, und ich war noch nie so gewillt in meinem Leben, mich auf eines einzulassen. Ich freute mich auf jede einzelne Sekunde die ich mit Jake verbringen würde, denn eines war sicher: Wir hatten eine Zukunft.

- lliqhtred

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- 07.09.16 um 18:15 Uhr
#originaltext

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