Im Vergleich zu den nächsten Tagen war der erste pure Entspannung. In jedem Kurs wurde von Anfang an höchste Konzentration und Bestleistung gefordert. Selbst nach Unterrichtsschluss fand ich kaum Zeit mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als die Vorbereitung für den nächsten Tag. Es gab Momente, in denen ich mich zurück ins einfache Schulleben wünschte, doch es gab auch Momente, in denen ich stolz darauf war, es an eine so qualifizierte Uni geschafft zu haben.
Der wahre Vorteil dieses engen Zeitplans war, dass ich kaum Zeit hatte, mich in irgendeiner Form mit Harry zu beschäftigen. Wenn wir uns irgendwo begegneten ignorierten wir uns einvernehmlich, im Unterricht saßen wir so weit voneinander entfernt, wie nur möglich. Mir war klar, dass wir uns früher oder später zusammen setzten mussten, um unsere Arbeit zu besprechen, doch ich bezweifelte, dass er bis jetzt irgendetwas dafür getan hatte.
Mein erster Eindruck von Beth bestätigte sich von Tag zu Tag. Es war angenehm unkompliziert mit ihr zusammen zu leben und auch außerhalb unseres Raumes verstanden wir uns perfekt. Von ihrer Beziehung zu Harry bekam ich kaum etwas mit, da er seit dem ersten Abend nicht mehr in unserem Zimmer gewesen war, zumindest nicht in meiner Anwesenheit. Beth erwähnte ich nur selten und ich bemühte mich, nicht nach ihm zu fragen, obwohl ich nur zu gern gewusst hätte, wieso sie überhaupt mit ihm zusammen war.
Am Wochenende fanden glücklicherweise keine Kurse statt, weshalb ich am Freitag automatisch bessere Laune hatte als am Tag zuvor. Wie bis jetzt jeden Tag der Woche ging ich auch heute vor Unterrichtsbeginn kurz zum Coffeeshop, obwohl ich nicht viel Zeit hatte. Demnach setzte ich mich gar nicht erst hin, sondern machte mich direkt auf den Weg zum Hörsaal. Weit kam ich jedoch nicht. Mein Blick war nach unten auf den gefüllten Pappbecher gerichtet, weshalb ich nicht sah, dass jemand von außen die Tür öffnete, bevor ich es von innen tun konnte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich meinen Griff verstärken, sonst wäre mein heißer Kaffee vermutlich auf Harrys Oberkörper gelandet. Er sah nur genervt zu mir hinunter und trat dann aus dem Weg. Ich murmelte ein flüchtiges: "Entschuldigung", und schob mich an ihm vorbei. Natürlich musste meine eigentlich gute Laune direkt zerstört werden.
Als eine der ersten betrat ich den Hörsaal und setzte mich auf meinen üblichen Platz. Es dauerte nicht lange, bis Niall sich zu mir gesellte. "Na, schläft Louis noch?", fragte ich grinsend. Bereits zweimal in dieser ersten Woche hatte Louis schon verschlafen. Vermutlich sollte mich das nicht wundern. Doch Niall schüttelte den Kopf. "Ich war so nett und habe ihn geweckt. Wenn er wieder eingeschlafen ist, ist das nicht mein Problem." - "Da hast du Recht.", stimme ich ihm zu. Wir redeten noch eine Weile über dies und das, bis meine Aufmerksamkeit von etwas, beziehungsweise jemand anderem in Anspruch genommen wurde. Denn dieser Jemand nahm in diesem Moment auf meiner anderen Seite Platz. Absolut irritiert und verunsichert sah ich Harry an. Wieso saß er nicht an seinem üblichen Platz neben Zayn, viel weiter hinten? Er erwiderte meinen Blick nicht, weshalb ich mich kurz darauf wieder zu Niall umdrehte. Auch er sah etwas verwirrt aus, schenkte Harry jedoch ebenfalls keine weitere Aufmerksamkeit. "Achja, was ich dich fragen wollte... hättest du Lust heute Abend irgendwo essen zu gehen?" Überrascht sah ich ihn an. "Eh, ja klar. Wieder mit den anderen?" - "Naja... ich hatte gedacht... vielleicht auch nur wir zwei?" Sofort spürte ich wie sich mein Herzschlag verdoppelte. Lud Niall mich gerade tatsächlich zu einem Date ein? Ungeschickt wie ich war, brachte ich kein einziges Wort heraus. Womit ich Niall offensichtlich ziemlich verunsicherte. "Ich meine, die anderen können natürlich auch mitkommen, ich dachte nur, dass- " Schnell unterbrach ich ihn: "Nein, nur wir zwei ist perfekt." Auf seinem Gesicht erschien ein erleichtertes Lächeln. "Gut, dann treffen wir uns um acht am Eingang?" Bevor ich antworten konnte, erweckte Harry erneut meine Aufmerksamkeit.
"Eliza?" Das Blut gefror förmlich in meinen Adern. Langsam drehte ich mich um und machte mir nicht einmal mehr die Mühe, ihn zu verbessern. Mir war klar, dass genau das seine Absicht war. Mich zu provozieren. "Was willst du?" - "Wir müssen unsere Arbeit für Literatur Montag abgeben." Das fiel ihm früh ein. Vermutlich hatte er noch immer nicht mit seinem Teil angefangen. "Ich weiß. Wir müssen das dann am Wochenende mal besprechen. Wenn du es überhaupt schon gemacht hast." Missbilligend verdrehte er die Augen. "Natürlich hab ich es gemacht. Und ich kann nur heute." - "Wie bitte? Wieso das?" Er zuckte desinteressiert mit den Schultern. "Bin am Wochenende unterwegs." Das konnte nicht sein Ernst sein. "Vielleicht solltest du lieber hier bleiben, denn ich kann heute nicht." Ich warf Niall einen kurzen Blick zu, der unsere Unterhaltung mit gerunzelter Stirn mitverfolgte. "Ich kann nicht hier bleiben." - "Und wieso nicht?" - "Das geht dich nichts an.", entgegnete Harry schroff. Für einen kurzen Augenblick funkelten wir uns nur wütend an. Doch dann mischte sich Niall ein. "Lizzy, meinetwegen können wir das auch wann anders machen. Ich denke eure Arbeit ist im Moment wichtiger." Nein. Ich wollte unbedingt heute Abend mit ihm weggehen. Aber natürlich hatte er Recht. Uni ging vor. "Wirklich? Ich würde wirklich liebend gern was mit dir machen, aber..." Ich machte eine Kopfbewegung in Harrys Richtung. Niall lächelte halbherzig und nickte. "Ich bin ja am Wochenende da. Irgendwann finden wir schon einen Zeitpunkt, an dem wir beide können." - "Danke Niall.", murmelte ich lächelnd und drehte mich dann wieder zu Harry um, der gelangweilt vor sich hinstarrte. "Also gut. Um wie viel Uhr?" - "Sieben. Wo mein Raum ist weißt du?" Zögernd nickte ich. "Schon, aber... wollen wir das nicht lieber in der Bibliothek oder so machen?" Bestimmend schüttelte Harry den Kopf. "Nein." Seufzend drehte ich mich von ihm weg. Es wäre absolut sinnlos, eine Diskussion mit ihm anzufangen.
Der Rest des Tages verging viel zu schnell. Ich wusste nicht weshalb genau ich so nervös war, vermutlich war es einfach die Aussicht auf ein paar Stunden nur mit Harry in einem Raum. Nicht dass ich Angst vor ihm hätte, es war nur so dass er jede Gelegenheit zu nutzen schien, um mich in irgendeiner Form zu verärgern. Beth hatte ich nichts von diesem Treffen erzählt. Weshalb wusste ich selber nicht genau. Vermutlich war es falsch. Aber jetzt war es sowieso zu spät. Mit meinem Ordner unter dem Arm stand ich vor Harrys Zimmer und klopfte nur bereits zum dritten Mal an die Tür. Doch auch dieses Mal bekam ich keine Antworte. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass es bereits kurz nach sieben war. Was lief falsch bei diesem Jungen? Nach einer weiteren Minute und zwei weiteren Klopfversuchen, drückte ich die Klinke herunter. Ich hatte fest damit gerechnet, vor einer verschlossenen Tür zu stehen, doch zu meiner Überraschung gab die Klinke sofort nach und die Tür schwank auf. Der Raum war leer. Zögernd ging ich hinein und schloss die Tür hinter mir. Obwohl es ein Einzelzimmer war, war es größer als das Doppelzimmer von Beth und mir. Anstelle des zweiten Bettes gab es hier ein breites Sofa und auch das Bett selber sah wesentlich größer und bequemer aus. An persönlichen Dingen konnte ich kaum etwas entdecken. Kein einziges Foto schmückte die Wand. Den einzigen Beweis, dass hier jemand wohnte, lieferten die Bücher, Ordner und Zettel, die den ganzen Tisch zu bedecken schienen. Neugierig trat ich näher an diesen heran. Bei den Büchern handelte es sich größtenteils um Unterrichtslektüre. Auch eine rechte zerfletterte Ausgabe von Stolz und Vorurteil befand sich auf dem Haufen. Vermutlich war es nicht einmal seine eigene. Aus purer Langeweile griff ich nach dem Buch und schlug irgendwie Seite auf. Fast wäre es mir aus der Hand gefallen. So gut wie in jeder Zeile hatte Harry mehrere Wörter angestrichen, teilweise ganze Abschnitte. Der gesamte Rand war vollgeschrieben mit Anmerkungen und Stichpunkten. Ich blätterte ein paar Seiten weiter. Dort sah es nicht viel anders aus. Es sah ganz so aus, als hätte Harry den gesamten Roman, Wort für Wort, genauestens analysiert. Gerade als ich seine Randbemerkungen näher betrachten wollte, knallte hinter mir eine Tür zu. Erschrocken drehte ich mich um, das Buch fiel mir dabei aus der Hand und landete auf dem Boden. Harry stand im Türrahmen und sah mich verärgert an. "Was machst du da?" Ich wollte antworten, doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Also starrte ich ihn einfach nur an. Keine allzu gute Idee. Offensichtlich kam er gerade erst aus der Dusche. Seine Haare waren nass und ein weißes Handtuch war alles, was seinen Körper bedeckte. Sein kompletter Oberkörper war freigelegt. Natürlich sah ich seine Tattoos nicht zum ersten Mal und natürlich hatte ich ihn bereits komplett ohne Kleidung gesehen, doch trotzdem verschlug es mir die Sprache.
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DARK turns to LIGHT
FanfictionEr streckte seinen linken Arm in meine Richtung. "Was siehst du?", fragte er. Etwas verwirrt betrachtete ich seinen Arm. "Tattoos?!" Harry schüttelte den Kopf. "Nein. Was siehst du wirklich?" Ich beugte mich etwas mehr nach vorne. "Ehm... eine Rose...