Die ersten Tage nach Harrys Verschwinden waren am schlimmsten. Gegen meinen Willen drehte sich jeder einzelne meiner Gedanken nur um ihn. Nachts konnte ich nicht schlafen, und wenn die Müdigkeit doch einmal siegte, dann war er es, der die Hauptrolle in meinen Träumen spielte. Jeden Morgen drehte ich mich im Hörsaal um, sah zu seinem üblichen Platz, doch jedes Mal wurde ich auf ein neues enttäuscht. Harry war weg. Und nach unserem letzten Gespräch bezweifelte ich, dass er jemals wiederkommen würde.
Obwohl ich die meiste Zeit mit Louis, Beth und Niall verbrachte, konnte ich es nicht über mein Herz bringen, den Kontakt mit Zayn abzubrechen. Auch er hatte einen Freund verloren. Auch er war zurück gelassen worden.
"Weißt du, dass er mich quasi verlassen hat, ist nicht weiter wild. Ich komme auch ohne ihn bestens zurecht. Aber ich hätte echt gedacht, dass du ihm mehr bedeutest.", sagte er, als wir eines Tages in der Mittagspause auf dem Campus saßen und zusahen, wie immer mehr Blätter zu Boden fielen. Seufzend zuckte ich mit den Schultern. "Ich verstehe es auch nicht. Er hat noch sein ganzes Leben vor sich, warum musste er ausgerechnet jetzt gehen? Jetzt, wo er weiß, dass ich ihn brauche." Obwohl mein Vater sich noch immer nicht wieder gemeldet hatte, wusste ich, dass es früher oder später passieren würde. "Wenn irgendwas ist, wenn du reden willst... ich bin hier für dich. Okay?" Lächelnd nickte ich. "Danke Zayn."
Die Tage verstrichen, es wurde immer kälter und Harry kam nicht wieder. Mit jedem Tag sank meine Hoffnung, dass er doch auf einmal wieder in meinem Zimmer stehen würde. Im Laufe der Zeit freundete Zayn sich mit Louis, Niall und Beth an, sodass wir nun viel Zeit zu fünft verbrachten. Natürlich fehlte Harry mir weiterhin, doch aus meiner Trauer wurde schnell Wut. Die ganze Zeit über hatte er gewusst, was ich für ihn empfand. Und nie war ihm in den Sinn gekommen, mir zu sagen, dass er diese Gefühle alles andere als erwiderte. Stattdessen hatte er mir eine glückliche Beziehung vorgespielt, nur um dann auf einmal für immer zu verschwinden.
Ja, ich vermisste ihn. Aber gleichzeitig hoffte ich, dass er sich nie wieder hier blicken lassen würde.
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'cause you only need the light when it's burning low,
only miss the sun when it starts to snow,
only know you love her when you let her go.
only know you've been high when you're feeling low,
only hate the road when you're missing home,
only know you love her when you let her go...
HARRYS SICHT:
Eine Woche waren wir bereits unterwegs. Eine Woche lang auf hoher See. Eine Woche, in der ich endlich das tat, wovon ich mein Leben lang geträumt hatte. Ein Traum, der in dieser Woche zum Albtraum wurde.
Ich war ein Feigling. Eliza hatte mir gezeigt, dass es einen anderen Weg gab. Dass weglaufen nutzlos war. Und doch hatte ich genau das getan. Ich war ein Feigling und ich war ein Idiot. Als hätte sie es nicht schon schwer genug. Nein, ich musste sie ja unbedingt noch mehr verletzen.
"Harry?" Ich sah nicht auf und reagierte auch sonst in keinster Weise. Was auch immer Liam von mir wollte, es interessierte mich nicht. Natürlich war ich ihm dankbar für sein Angebot. Doch gleichzeit war diese Reise der schlimmste Fehler, den ich hätte begehen können. Auch als er sich neben mich setzte, blickte ich weiterhin stur hinaus auf den weiten Ozean. "Mir ist es ja ziemlich egal ob du mit mir redest oder nicht, aber so langsam nervt deine ewige schlechte Laune." Lustlos zuckte ich mit den Schultern und gab ihm keine Antwort. "Ich dachte du wolltest das? Mit dem Segelschiff nach Amerika?" - "Wollte ich." Liam schnaubte verärgert. "Wo liegt dann dein Problem?" - "Mein Problem liegt darin, dass es nicht immer darum geht was ich will. Nur weil das hier mein Traum war, heißt es noch lange nicht, dass es das Richtige ist." Das brachte ihn zum Schweigen. Ob wegen meinen Worten oder deswegen, dass ich seit Tagen nicht mehr so viel auf einmal geredet hatte, wusste ich nicht. "Es geht um das Mädchen.", stellte er schließlich fest. Wieder zog ich es vor, ihm nicht zu antworten. "Okay, hör zu. Du hast einen Fehler gemacht. Aber ändern kannst du das jetzt nicht mehr. Also mach wenigstens das Beste aus dieser Reise. Versuch einfach, nicht an sie zu denken. Du wirst über sie hinweg kommen." Er klopfte mir auf die Schultern, stand dann auf und ging wieder.
'Versuch einfach, nicht an sie zu denken.'
Unmöglich.
'Du wirst über sie hinweg kommen.'
Nein.
Wie in Trance griff ich nach dem mittlerweile vergilbten Foto in meiner Jackentasche. Es war etwa zwei Wochen vor meiner Abreise entstanden.
"Du hast eine Polaroid Kamera? Warum hast du mir das nie erzählt?", empört holte sie die Kamera meines Vaters aus einem der Kartons, die ich vor ein paar Tagen nach London geholt hatte. Seit seinem Tod hatte ich sie nicht angerührt. Doch aus irgendeinem Grund störte es mich überhaupt nicht, dass Eliza sie nun in der Hand hielt. "Erbstück.", murmelte ich schulterzuckend. Grinsend hob sie die Kamera vor ihr Auge. Sobald ich realisierte was sie vorhatte, schüttele ich den Kopf und nahm sie ihr aus der Hand. "Kommt gar nicht in Frage." Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Das ist nicht fair. Ich hab kein einziges Foto von dir!" Wieder zuckte ich mit den Schultern. "Dafür hast du mich." Auf ihrem Gesicht bildete sich ein Lächeln, dass mir die Sprache verschlug. Sie war so wunderschön. Blitzschnell und bevor sie reagieren konnte, hatte ich schon auf den Auslöser der Kamera gedrückt und dieses atemberaubende Lächeln eingefangen. "Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Doch ich streckte ihr nur die Zunge raus, während das noch schwarze Bild langsam zum Vorschein kam. "Du schmeißt das sofort weg!", befahl sie mir. Stur schüttelte ich den Kopf. "Niemals."
Wütend wischte ich die Träne weg, die langsam meine Wange hinunterlief. Weshalb hatte ich ihr nie gesagt, was ich in Wahrheit für sie empfand? Weshalb hatte ich sie verlassen? Liam hatte Recht. Ich konnte meinen Fehler nicht rückgängig machen. Aber ich musste kämpfen. Ich musste kämpfen für das Mädchen, das ich liebte.
got a polaroid picture in my wallet,
I'm not going to tear it no I'm not gonna spoil it.
it's an unspoken heartbreak,
a heartbroken handshake I'll take with me where I go.
and three words on the tip of my tongue,
not to be spoken nor sung,
or whispered to anyone.
'til I scream them at the top of my lungs.
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nur um missverständnisse zu vermeiden: die szene, in der das foto entstanden ist, ist ein rückblick auf die woche nach dem "albtraum-wochenende" und vor dem wochenende, an dem lizzy das gespräch zwischen harry und zayn hört :)
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DARK turns to LIGHT
FanfictionEr streckte seinen linken Arm in meine Richtung. "Was siehst du?", fragte er. Etwas verwirrt betrachtete ich seinen Arm. "Tattoos?!" Harry schüttelte den Kopf. "Nein. Was siehst du wirklich?" Ich beugte mich etwas mehr nach vorne. "Ehm... eine Rose...