Kapitel 47

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Harry antwortete mir nicht. Stattdessen drehte er sich endlich zu mir um und im nächsten Augenblick war ich in seinen Armen. Er zog mich eng an sich, ohne dabei ein Wort zu sagen. Nach einem kurzen Moment der Überraschung, erwiderte ich seine Umarmung. Es tat gut, ihn endlich wieder so nah bei mir zu haben. Einige Minuten später hob ich meinen Kopf, um ihn anzusehen. Noch immer waren seine Augen gerötet und glasig. Kopfschüttelnd sah er zu mir hinunter. "Es tut mir so leid. Du verdienst etwas besseres als mich." - "Hör auf, Harry. Hör auf." Warum sah er selbst nicht, was für ein toller Mensch er war? Er kniff die Lippen zusammen und wich meinem Blick aus. Schließlich seufzte er. "Ist doch wahr. Du verdienst jemanden der immer für dich da ist und nicht einfach so abhaut." Ich zuckte mit den Schultern. "Dann bleib ab jetzt bei mir." - "Klingt nach einem Plan.", entgegnete er, während seine Mundwinkel sich um ein paar Millimeter hoben. 

"Du hast also mit meinem Vater gesprochen?", fragte ich nach einer Weile. Harry nickte und gab ein spöttisches Lachen von sich. "Allerdings. Ich kann kaum glauben, dass dieser Idiot dein Vater sein soll. Er dachte allen ernstes, dass du ihm verzeihen würdest wenn er für immer verschwindet." - "Danke Harry. Du hättest das nicht tun müssen." Er runzelte die Stirn. "Doch. Ich habe dir in letzter Zeit genug Sorgen bereitet. Du sollst endlich wieder in Ruhe schlafen können. Und glücklich sein." Automatisch musste ich lächeln. "Also ist unser Deal noch intakt?" - "Naja... du hast deinen Teil erfüllt.", stellte er fest und deutete auf den Anker auf seinem rechten Handgelenk. "Ich wiederum wollte ich dir helfen, dein altes Leben... zurück zu gewinnen. Dich wieder glücklich machen. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht." Lächelnd griff ich nach seinen Händen. "Mein Vater bekommt endlich die Strafe, die er verdient. Er kann mir nichts mehr tun, es gibt nichts wovor ich Angst haben muss. Und solange du bei mir bleibst, macht meine Zukunft einen besseren Eindruck als mein 'altes' Leben." Harry wirkte nicht sonderlich überzeugt. "Aber bist du glücklich?" Seufzend sah ich zu Boden. "Momentan bin ich einfach nur erleichtert. Zuletzt wirklich glücklich war ich bevor du gegangen bist." Sanft legte Harry eine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf an, bis ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. "Glaub mir, ich habe meine Lektion gelernt. Und zu sehen wie dein Vater weglaufen wollte, hat mir noch einmal gezeigt, wie unglaublich falsch das ist. Ich bleibe bei dir. Versprochen." - "Ich bin nicht sauer auf dich. Und ich möchte dir wieder vertrauen, wirklich. Aber ich habe Angst. Du hast es mir schon einmal versprochen. Woher soll ich wissen, dass du es dieses Mal ernst meinst?" Harry schien kurz zu zögern, doch dann entgegnete er mit fester Stimme: "Weil ich dich liebe." 

Harry Styles. Der Junge, der so fest davon überzeugt war, dass er nicht dazu fähig war zu lieben. Der Junge, der vermutlich nicht einmal an die Existenz von Liebe glaubte. Dieser Junge stand nun vor mir, sah mir in die Augen und gestand mir seine Liebe.

"Ich liebe dich, Eliza. So Sehr. Und es tut mir leid, dass ich lange Zeit so stur war und es selbst nicht wahr haben wollte. Und du solltest wissen, dass du die erste Person bist, der ich das sage. Die erste Person, die mir derart viel bedeutet. Und ich kann nur hoffen, dass das ausreicht, um dir zu beweisen, dass ich-" Weiter kam er nicht. Meine Lippen brachten ihn zum Schweigen. Doch bevor er überhaupt auf den Kuss reagieren konnte, hatte ich mich bereits wieder von ihm gelöst. Überrascht und geschockt zugleich sah Harry mich an. "Ich kann das nicht.", murmelte ich und trat einen Schritt zurück. "Wenn du... mehr Zeit brauchst, ist das kein Problem, okay?" Schnell schüttelte ich den Kopf. "Darum geht es nicht." Jetzt wirkte er nur noch verwirrt. "Worum dann?" Unsicher zuckte ich mit den Schultern. "Ist es nicht etwas... unangebracht und respektlos?" Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung des Grabes seiner Eltern. Seine Erleichterung war deutlich auf seinem Gesicht zu erkennen. "Eliza Steward, du kannst mich nicht einfach so küssen und dann sagen 'ich kann das nicht'. Du hast ja keine Ahnung, was mir gerade durch den Kopf ging." - "Tut mir aufrichtig Leid.", entschuldigte ich mich grinsend. Kopfschüttelnd strich er über meine Wange. "Ich habe dich vermisst." Dann ließ er seine Hand grinsend wieder fallen. "Und jetzt lass uns von hier verschwinden." Zögernd runzelte die Stirn. "Bist du dir sicher? Ich meine... wir können auch noch bleiben, wenn du heute lieber bei deinen Eltern sein möchtest..." Doch Harry schüttelte entschlossen den Kopf. "Ich habe heute schon genug Zeit mit toten Menschen verbracht. Jetzt sind sind die lebenden an der Reihe." Er warf noch einen letzten Blick auf das Grab seiner Eltern, dann griff er nach meiner Hand. "Ich will dir etwas zeigen."

Während der Fahrt zurück nach London, erzählte Harry mir alle Einzelheiten von seinem Besuch bei meinem Vater. Anscheinend hatte dieser ihn gebeten, ihm meine neue Nummer zu geben. Zum Glück hatte Harry das nicht getan und ihm stattdessen vorgeschlagen, mir einen Brief zu schreiben. Vermutlich hätte ich wissen müssen, dass das nicht die Idee meines Vaters gewesen war. Ich konnte nur hoffen, dass er was seinen Alkoholkonsum betraf, nicht gelogen hatte. Trotz allem was er mir angetan hatte, wünschte ich ihm die Chance auf ein vernünftiges Leben nach seiner Gefängnisstrafe. 

Als wir geradewegs am Campus vorbeifuhren, sah ich Harry fragend an. "Wo genau fahren wir eigentlich hin?" - "Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir etwas zeigen will.", entgegnete er lächelnd. Mehr Informationen bekam ich nicht aus ihm heraus. Doch wenig später brachte er den Wagen ohnehin zum Stehen. Ratlos stieg ich aus und folgte Harry. Vor uns ragte ein recht modernes Apartmenthaus in die Höhe. Er hielt mir grinsend die Tür auf. "Was machen wir hier?", fragte ich, doch noch immer erhielt ich keine Antwort. Stattdessen fuhren wir schweigend mit dem Fahrstuhl in die dritte Etage. Dort hielt Harry mir eine weitere Tür auf. Zögernd betrat ich die leere Wohnung. Bodentiefe Fenster und weiße Wände ließen sie größer erscheinen, als sie eigentlich war. Was jedoch nicht heißen sollte, dass es sich um eine kleine Wohung handelte. Der Übergang zur Küche war offen, sodass die Sonne auch diese hell erleuchtete. Mehrere geschlossene Türen führten vermutlich zu weiteren Räumen. Noch immer komplett verwirrt, drehte ich mich zu Harry um, der mich aufmerksam beobachtete. "Und, gefällt es dir?" Zögernd nickte ich. "Die Wohung ist wunderschön. Aber wem gehört sie?" Mit einem kaum sichtbaren Grinsen sah Harry kurz zu Boden und dann wieder zu mir. "Momentan niemandem." - "Worauf willst du hinaus?" Er zuckte mit den Schultern. "Naja, eigentlich muss ich nur noch unterschreiben. Dann gehört die Wohnung mir." Vor Überraschung klappte mir die Kinnlade herunter. "Du willst hier einziehen?" Harry nickte. "Ich denke schon." - "Aber... wieso?" Seufzend kam er näher auf mich zu. "Naja, in meinem Zimmer im Wohnheim habe ich mich nie wirklich wohl gefühlt. Es war so... unpersönlich." Könnte daran liegen, dass er nie Fotos oder ähnliches aufgehängt hatte. Doch ich ließ ich weiter reden. "Das war einer der Gründe, weshalb ich so gut wie jedes Wochenende bei meiner Familie verbracht habe. Aber das ist ja jetzt nicht mehr so einfach. Ich brauche einfach einen Ort, an dem ich mich zuhause fühlen kann." Mittlerweile stand er nur noch etwa einen Meter vor mir. "Dann sehe ich dich also in Zukunft nur noch während Literatur?" Denn außerhalb der Kurse würde er wohl kaum viel Zeit auf dem Campus verbringen. Trotzdem schüttelte Harry den Kopf. "Nein. Aber im Wohnheim darfst du doch offziell nicht einmal auf meinem Sofa übernachten. Hier können wir tun uns lassen was immer wir wollen." Wollte er damit etwa andeuten... Bevor ich den Gedanken vervollständigen konnte, fuhr er schon fort: "Ich bitte dich nicht, mit mir zusammen zu ziehen. Ich weiß, dass es dafür viel zu früh ist. Aber du bist hier jederzeit willkommen. Tag und Nacht. Und ich werde trotz allem so viel Zeit wie möglich auf dem Campus verbringen. Mit dir." Ich drehte mich von ihm weg und ging zu einem der großen Fenster. Von hier aus hatte man einen perfekten Blick auf die Skyline von Downtown London. Ich hörte, wie Harry hinter mich trat. "Und, was sagst du?" Stirnrunzelnd sah ich mich im Raum um. "Ich würde sagen, du brauchst noch ein paar Möbel." Im nächsten Moment wirbelte er mich durch die Luft. Als er mich schließlich wieder absetzte, war mir leicht schwindelig. Doch viel Zeit zum durchatmen blieb mir nicht, denn wenige Sekunden später hatte Harry seine Lippen schon auf meine gepresst. Und dieses Mal unterbrach ich den Kuss nicht. Denn dieses Mal war er alles andere als unangebracht.

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tadaaaa letzter 'offizieller' teil :) in den nächsten tagen kommt dann irgendwann der epilog! jetzt will ich erstmal ein paar votes und kommentare seheeeen ;)

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