Kapitel 40

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Obwohl Louis bereits abends zurück kam, sah ich ihn erst am nächsten Morgen. Noch bevor unsere ersten Kurse begannen, trafen wir uns zum Frühstück im Coffeeshop. Die Tatsache, dass Beth und ich uns endlich ausgesprochen hatten, schien ihn ziemlich zu erfreuen. Allerdings hatte sie ihm bereits von meinem letzten Albtraum erzählt.

"Ich dachte das hätte aufgehört?" Besorgt runzelte er die Stirn. "Hat es ja eigentlich auch. Aber... mein Vater hat mich Samstag angerufen." Entgeistert riss Louis die Augen auf. "Er hat WAS getan?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht woher er meine Nummer hat. Mein Handy ist... kaputt, also versucht er es hoffentlich nicht noch einmal." Kopfschüttelnd rührte er in seinem Kaffee. "Wenn er sich doch noch einmal melden sollte... sag mir bitte direkt bescheid, okay?" - "Mach ich. Versprochen."

Harry saß bereits an unserem üblichen Platz, als ich den Hörsaal betrat. Gespannt setzte ich mich neben ihn und sah ihn nur schweigend an. "Guten Morgen Eliza, schön dich zu sehen." Ich verdrehte die Augen, worauf er grinste. "Jetzt zeig schon!", bat ich und endlich hob er seinen rechten Arm an und legte seine Hand in meine. Staunend betrachtete ich den schwarzen Anker, der nur sein Handgelenk schmückte. "Wow", murmelte ich und führte seine Hand näher zu meinem Gesicht. "Der ist wunderschön.", stellte ich anschließend fest. Als ich meinen Blick wieder Harry zuwandte, lächelte dieser. "Freut mich, dass es dir gefällt." Ich erwiderte sein Lächeln. "Wieso ein Anker? Welche Bedeutung steckt dahinter?" Bevor er meine Frage beantworten konnte, betrat Mr. Parker den Raum. "Erklär ich dir wann anders." Mit diesen Worten drehte er sich nach vorne und lauschte den Worten unseres Professors.

Doch dieses 'wann anders' kam nicht. Die ganze Woche über wich er meinen Fragen zu seinem Tattoo aus. Immer wenn ich es erwähnte, war plötzlich etwas anderes viel interessanter und viel wichtiger. 

Als ich mich am darauffolgenden Freitagabend seinem Zimmer näherte, sah ich schon von weitem, dass die Tür nur angelehnt war. Gerade als ich sie ganz öffnen wollte, hörte ich die Stimmen. Ich hielt inne, blieb auf dem Flur stehen und lauschte. Hauptsächlich um herauszufinden, ob ich gerade störte. Doch das was ich hörte, machte jede weitere Bewegung unmöglich.

"Du kannst doch nicht einfach so alles hinschmeißen! Harry, das ist komplett bescheuert." Zayn, ganz eindeutig. "Aber ich kann so nicht weitermachen. Und so eine Chance bekomme ich nie wieder." - "Du bist 19! Natürlich bekommst du noch viel bessere Chancen. Ich mein es ernst. Tu das nicht." Von was redeten die beiden? Was für eine Chance hatte Harry bekommen? "Und stattdessen soll ich einfach so tun, als wenn es mir gut geht? Als wenn das hier das ist, was ich wirklich will?" - "Was ist mit Lizzy?" Beim Klang meines Namens zuckte ich zusammen. "Was sollte mit ihr sein?" Harrys Tonfall war scharf und herausfordernd. "Willst du sie wirklich einfach so hier zurücklassen? Nach allem was ihr gerade erst durchgemacht habt?" Zurücklassen? Was ging hier vor sich? "Ist vermutlich besser so." Zayn lachte spöttisch. "Besser so? Komm schon, Harry. Mir kannst du nichts vormachen. Du liebst das Mädchen." Für einen kurzen Moment fühlte es sich an, als würde mein Herz stillstehen. "Und das willst du woher wissen?" Noch immer klang er herausfordernd. "Es ist ziemlich offensichtlich. Und genau aus diesem Grund wirst du hier bleiben." Ein paar Sekunden lang schwiegen sie beide. Ich hielt die Luft an, um bloß nicht entdeckt zu werden. Dann erwiderte Harry: "Nein. Nein, ich bleibe nicht. Und nein, ich liebe sie nicht." 

In diesem Augenblick spürte ich zum ersten Mal in meinem Leben, was Menschen meinten, wenn sie von einem gebrochenen Herzen sprachen. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen gesamten Körper. Doch ich konnte nichts dagegen tun. Ich konnte mich nicht einmal bewegen.

"Wenn das so ist... mach's gut, Harry." Ich wusste, was diese Worte bedeuteten. Ich wusste, dass Zayn im nächsten Moment die Tür öffnen und mich direkt davor stehen sehen würde. Doch noch immer war jede Bewegung unmöglich. 

Zayns Augen weiteten sich, sein Mund klappte auf und blieb in dieser Position. Schließlich schien er seine Stimme wiederzufinden. "Lizzy." Im nächsten Moment stand Harry direkt neben ihm. Sobald er mich entdeckte, wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Und endlich konnte ich mich wieder bewegen. Schritt für Schritt entfernte ich mich rückwärts von den beiden, ohne Harry dabei aus den Augen zu lassen. Dann drehte ich mich um und rannte. Ich hörte seine Stimme, wie er mir hinterher rief, doch ich blieb nicht stehen. Kurz bevor ich mein Zimmer erreicht hatte, schloss sich eine Hand um mein Handgelenk. Wütend drehte ich mich um und funkelte Harry an. "Lass mich sofort los." - "Lass es mich erklären." Ich schnaubte. "Ich glaube kaum, dass es da etwas zu erklären gibt. Du hast dich ziemlich klar und deutlich ausgedrückt." Harry schüttelte den Kopf. "Es ist nicht so wie du denkst." - "Also stimmt es nicht? Das, was du Zayn gesagt hast, war gelogen?" Er antwortete nicht. Stattdessen ließ er mein Handgelenk los und sah zu Boden. "Verschwinde einfach. Wo auch immer du hinwillst, geh dorthin. Ich jedenfalls werde dich nicht vermissen." Harry bewegte sich kein Stück. Allerdings trat nun jemand neben mich. Anscheinend hatte Beth unsere Stimmen gehört. "Was genau geht hier vor sich?" Sie bekam keine Antwort. Schweigend drehte ich mich um und ging in unser Zimmer. Doch auch von dort hörte ich, wie Beth sagte: "Ich hab keine Ahnung, was du jetzt schon wieder verbockt hast. Aber du hast gehört, was sie gesagt hat: Verschwinde." 

Kurze Zeit später betrat sie unser Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ich saß mittlerweile auf meinem Bett, meine Knie an meine Brust gezogen. Mit besorgtem Gesichtsausdruck nahm Beth gegenüber von mir Platz. "Was ist passiert?" - "Anscheinend braucht er mich doch nicht. Und ich werde in Zukunft ohne ihn auskommen müssen.", stellte ich fest. "Wie meinst du das?" Seufzend zuckte ich mit den Achseln. "Harry geht weg von hier. Ich weiß nicht wohin, ich weiß nur, dass ich ihm scheinbar nicht so viel bedeute, wie er mir." - "So ein Quatsch. Natürlich tust du das!" Ich hob die Augenbrauen. "Achja? Und wie würdest du dann den Satz  'Ich liebe sie nicht' deuten?" - "Das hat er gesagt?" - "Hat er." Kopfschüttelnd sah Beth mich an. "So ein Idiot. Und ich dachte schon, er hätte sich tatsächlich geändert." - "Anscheinend haben wir uns da beide geirrt." 

"Was hältst du von ein bisschen Ablenkung?", fragte Beth nach einer Weile. "Was genau hast du vor?", entgegnete ich zögernd. Lächelnd stand sie auf. "Wir gehen jetzt rüber zu Louis und dann machen wir uns zu dritt einen schönen Abend. Ohne dass Harry auch nur ein einziges Mal erwähnt wird. Einverstanden?" Ebenfalls lächelnd nickte ich. "Einverstanden." 

Ja, vielleicht brauchte ich Harry in meinem Leben. Aber vielleicht konnte ich meine Vergangenheit auch ohne ihn besiegen. Denn es gab auch andere Menschen auf die ich mich verlassen konnte und die für mich da waren. Es tat weh, aber vielleicht musste ich ihn dieses Mal wirklich gehen lassen. 

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uups, tut mir leid hihi

DARK turns to LIGHTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt