Kapitel 27

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Wir lagen schweigend nebeneinander, unsere Gesichter einander zugewandt. Schon seit einigen Minuten hatte keiner ein Wort gesagt, doch die Stille war absolut nicht unangenehm. 

Mein nächster Kurs begann erst in einer Stunde, weshalb ich absolut keine Eile verspürte, hier zu verschwinden.

"Eliza?" Wie immer zuckte ich sofort zusammen. Vermutlich musste ich einfach versuchen, mich daran zu gewöhnen. Allerdings war das eben alles andere als einfach. "Hast du jemals daran gedacht, nach deinem Vater zu suchen?" Entgeistert riss ich die Augen auf. Mit dieser Frage hätte ich definitiv niemals gerechnet. "Wieso sollte ich den Mann finden wollen, der mein Leben zerstört hat?" - "Aus genau diesem Grund.", entgegnete Harry. Ich sah ich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und wartete auf eine Erklärung. "Naja... vielleicht hat er sich verändert. Vielleicht... vielleicht ist ihm klar geworden, dass er einen Fehler gemacht hat." - "Und was bringt mir das? Dass er sich entschuldigt? Mal ganz abgesehen davon, dass er das niemals tun würde, würde sich dadurch auch absolut nichts ändern. Was er getan hat, ist nicht mit ein paar Worten wieder gutzumachen." Harry schüttelte seufzend den Kopf. "Ich weiß. So meinte ich das auch nicht. Aber es könnte doch sein, dass er seinen Fehler einsieht und sich stellt. Zur Polizei geht und eine Aussage macht. Damit er dann endlich die Strafe bekommt, die er verdient." Wow. Dass er darauf hinaus wollte, hätte ich nicht gedacht. "Er würde sich niemals der Polizei stellen. Dafür hat er damals genug Zeit gehabt. Und ihm ist kein Wort der Reue über die Lippen gekommen." - "Deshalb meinte ich ja, vielleicht hat er sich geändert! Aber du kannst doch nicht ewig so weiterleben, du musst doch wenigstens eine Möglichkeit haben, damit abzuschließen!" Abrupt richtete ich mich auf und rückte ein Stück von ihm weg. "Ich kann damit abschließen, indem ich versuche es zu vergessen. Ich möchte diesen Menschen nie wiedersehen und ich möchte auch nicht über ihn reden. Könntest du bitte wenigstens versuchen, das zu respektieren?" Harry hob seine Hände in einer unschuldigen Geste. "Tut mir leid. Ich werde versuchen, ihn nicht mehr zu erwähnen.", versprach er. 

Eine Weile sah ich ihn nur schweigend an. "Was ist mit... mit dem LKW-Fahrer?", fragte ich schließlich. Natürlich wusste er sofort, von wem ich sprach. Es dauerte etwas, bis er antwortete: "Der sitzt bereits im Gefängnis. Trunkenheit am Steuer und fahrlässige Tötung. Da gab es nicht viel zu diskutieren." Ich runzelte die Stirn. "Aber stell mir vor... stell dir vor, er wäre damals nicht gefasst worden. Du hättest aber gewusst, wer es war. Was hättest du dann gemacht?" Harry überlegte gar nicht erst. "Ich hätte nach ihm gesucht, ihn gefunden und dann dafür gesorgt, dass er bestraft wird." Natürlich hätte er das getan. Wer nicht? "Ich bin froh, dass du damals nicht mit im Auto saßt.", murmelte ich. Harrys Miene verfinsterte sich automatisch. "Hätte ich mit im Auto gesessen, wären wir früher losgefahren und all das wäre nicht passiert." - "Das kannst du nicht wissen.", entgegnete ich, woraufhin er mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Vielleicht sollten wir dieses Thema ebenfalls so gut wie möglich umgehen. "Was passiert ist, ist passiert. Ändern kann ich es jetzt sowieso nicht mehr.", stellte Harry seufzend fest. Ich nickte zustimmend.

"Fährst du am Wochenende wieder zu deiner Familie?", fragte ich, um das Thema zu wechseln. Harry zuckte mit den Schultern. "Ich nehme es an. Willst du mitkommen?" - "Ob ich mitkommen will?", wiederholte ich überrascht. Er nickte. "Ja. Letztes Mal bist du ja nicht sonderlich lange geblieben." Da hatte er Recht. Dennoch schüttelte ich langsam den Kopf. "Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist..." - "Wieso nicht?"  Ich seufzte. "Louis weiß, dass ich letztes Wochenende nicht bei meiner Mutter war. Und er ist sowieso schon sauer, wegen dieser ganzen Gesichte und - " - "Wegen dieser ganzen Geschichte?", unbrach Harry mich, "Was genau meinst du?" - "Naja... so mit uns... und Beth... das alles." Harry hob die Augenbrauen. "Ich habe mich von Beth getrennt. Also wo ist das Problem? Wir sind Freunde, was spricht dagegen, ein Wochenende zusammen zu verbringen?" Vermutlich sollte ich nicht unbedingt erwähnen, dass eine weitere Person eine wichtige Rolle spielte. Niall.

DARK turns to LIGHTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt