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Wir lagen nebeneinander und ich streckte meine Arme von mir. Er tat es mir nach und wir sahen in den Himmel. Es war schon später und die Sonne würde in einiger Zeit untergehen. ,,Was für eine Fähigkeit würdest du gerne besitzen?", fragte ich ihn und drehte meinen Kopf zur Seite. Er sah mich auch an und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen : ,,Ich würde gerne in andere Zeiten springen können."

,,Ich würde gerne Fliegen oder mich unsichtbar zaubern können. Das wollte ich zumindest früher, damit mich die anderen nicht sehen können", erwiderte ich und blickte wieder in den Himmel.

Er zog mich auf seinen Oberkörper und mein Kopf lehnte an seiner Brust. ,,Bald sind schon Ferien. Und das Elfte Schuljahr ist auch endlich vorbei", murmelte ich und er fuhr mit seiner Hand über meine Taille.

,,Stimmt. Nur noch ein Jahr und wir müssen diesen Bauklotz nicht mehr ertragen", antwortete er und gab mir immer wieder kleine Küsse auf die Haare. Ich kaute auf meiner Unterlippe rum und er sah mich fragend an. ,,Hör auf damit", wisperte er vor meine Lippen und küsste sie kurz.

,,Bald ist doch der Ball von den Zwölftklässlern oder?", fragte er, lehnte sich zurück und stütze sich mit seinen Händen ab. ,,Hast du schon etwas, das du anziehen möchtest?", fragte er. ,,Keine Ahnung. Ich habe zwar ein paar Sachen im Schrank, aber es ist erstens nicht unser Stufenball und zweitens weiß ich gar nicht ob ich dorthin gehe", antwortete ich achselzuckend. ,,Jetzt schon", antwortete er mit einem Grinsen auf den Lippen und drehte mich, sodass ich unter ihm lag. ,,Also war das eine indirekte Frage?", fragte ich lachend und er nickte. ,,Jap", raunte er in mein Ohr und drückte seine Lippen auf meine.

Stundenlang lagen wir nur auf dem Dach rum, bis die Sonne unterging und wir aufstanden. Es war zwar schwer sich mit Gips und ohne Krücken auf den Beinen zu halten, aber David hielt mich fest. Wir sagten nichts, sondern sahen uns nur in die Augen.

***

Gestern Abend waren wir spät nach Hause gegangen und er war noch eine Weile bei mir, bis er auch nach Hause musste. Heute war Dienstag und ich hatte sowieso nicht allzu viele Schulstunden. Meine Mutter konnte mich heute morgen nicht zur Schule bringen, weil sie selbst Termine hatte, also wollte mich David abholen damit wir gemeinsam den Bus nehmen konnten. Nachdem ich zu Ende gefrühstückt hatte, stand er bereits vor meiner Tür und wir liefen gemeinsam zur Bushaltestelle. Ich bestand darauf mit den Krücken selbst zu laufen, aber David trug meine Tasche.

In der Schule trafen wir auf Marvin und Lara, die in der Aula an einem Tisch saßen. Die restlichen vier Tage würden die Vorbereitungen auf noch stärkeren Hochtouren laufen, deshalb hatten wir heute keinen richtigen Unterricht. Die Aula sollte in den nächsten beiden Tagen geschmückt und die ganzen Ton und Technik Sachen aufgebaut werden. Sonst musste sie ja noch genutzt werden, also hätten wir nicht vor zwei Wochen damit anfangen können. Die Leute aus meiner Gruppe und ich mussten das ganze Schmückzeug, welches wir zu Teil selbst gebastelt haben oder gekauft, in die Aula schleppen.

Nach und nach wurde alles aufgebaut und jetzt sah es schon richtig toll aus. Alles war in weiß und blautönen gehalten, was mich an Pretty Little Liars erinnerte. Es wurden riesige farbige "Wände" aufgehängt, wegen den Farben und weil die Wände ja nicht extra gestrichen werden sollten. Die Leute, die für den Ton und das Licht zuständig waren, waren fertig damit alles hinzustellen und jetzt war alles andere an der Reihe.

Natürlich wurden wir heute nicht fertig, weil wir ja nur kurz Schule hatten und ich ging anschließend mit zu meinem Freund. Als wir in der Siedlung ankamen, in der Sophie wohnte bekam ich eine leichte Gänsehaut. Es war komisch immer wieder an sie und ihre Taten zurückzudenken, aber es war klar, dass ich all das niemals vergessen könnte.

Seine Mutter war da, jedoch musste sie gleich weg, weil sie Mittagsschicht hatte. Wir begrüßten uns kurz und als sie dann wegfuhr beschlossen wir auf Nahrungssuche zu gehen, weil wir Hunger hatten. Ich versuchte mich auf die Küchenplatte zu setzen, was aber erfolglos bleib, denn mit Gips ging das nicht so gut. David lachte mich aus und fing sich dafür einen Killerblick meinerseits ein. Er hob mich hoch, setzte mich auf einen Stuhl und holte noch einen zweiten dazu, für meinen Fuß. ,,Danke", sagte ich grinsend und er beugte sich zu mir runter um mich zu küssen. David holte Teller aus dem Schrank und ich versuchte an die Gläser ranzukommen, was mir erstaunlicher Weise sogar gelang.

Wir aßen in der Küche, denn das Esszimmer war direkt damit verbunden und räumten alles in die Spülmaschine, als wir fertig waren. Im Anschluss gingen wir nach oben und ich setzte mich auf sein Bett.

,,Wann wirst du eigentlich deinen Gips los?", fragte David und fuhr sich durch die Haare. ,,Keine Ahnung, aber zwei bis drei Wochen muss ich ihn bestimmt noch tragen", entgegnete ich achselzuckend. Er nickte bloß, stand auf und ging in Richtung Schreibtisch. Mein Freund kramte in irgendeiner Schublade rum und ich sah ihn fragend an. Ich sah, dass er ein Fotoalbum und ein paar lose Fotos in der Hand hielt und er lief wieder zum Bett. ,,Rück mal ein Stück zur Seite", wisperte er und ich lehnte mich an das Kopf Teil des Bettes an, sodass er Platz hatte und ich etwas sehen konnte. ,,Das sind Fotos, als ich klein war. Teilweise welche mit meinem Vater, aber auch welche von später", sagte er und ich sah das er schlucken musste.

Auf dem ersten Foto war David mit seinem Vater zu sehen. Er sah sehr muskulös aus, hatte dunkelblonde Haare und wirkte schon allein auf dem Bild freundlich. ,,Das ist er", sagte er kaum nachdem ich meinen Gedanken ausgesprochen hatte. Ein weiteres Bild zeigte David, wie er ungefähr ein paar Monate alt war, seine Mutter, die David glücklich lachend in den Armen hielt und seinen Vater, der beschützend die Arme um die beiden gelegt hatte. Ich musste bei dem Anblick automatisch mitlächeln und drückte seine Hand fester, denn ich sah ihm an, dass er sich die Tränen verkneifen musste. Nach vielen weiteren Bildern waren entweder nur noch David mit seiner Mutter oder mit seinen Freunden zu sehen. Man sah Kristin auf ein paar Fotos an, dass sie nicht glücklich war, was man natürlich nachvollziehen konnte, wenn der eigene Mann und Vater ihres Kindes gestorben war, aber trotzdem bewunderte ich, wie stark sie all die Jahre geblieben war.

Unter anderem waren auch Fotos von David beim Boxen und surfen zu sehen, was mich sofort an Italien erinnerte. ,,Das ist mein Lieblingsbild", sagte er und deutete auf das, was er mir als zweites gezeigt hatte. Er hielt nur noch das Bild in der Hand und hatte die anderen weggelegt. ,,Das ist wirklich wunderschön", erwiderte ich traurig lächelnd und er atmete tief aus. Nachdem er das Bild auch auf seinen Nachttisch gelegt hatte, kuschelte ich mich an seine warme Brust. ,,Erinnerst du dich gut an ihn?", fragte ich ihn. Auch wenn ich ihn nicht ansah, spürte ich das er den Kopf schüttelte. ,,Nein, nicht wirklich. Ich meine, ich war gerade mal drei Jahre alt. Aber ich kann ihn mir durch viele Erzählungen von Mom und auch anderen Freunden und Verwandten gut vorstellen", sagte er mit brüchiger Stimme. Ich sah auf und bemerkte, dass ihm eine kleine Träne die Wange runterlief, die ich ihm wegwischte.

,,Er ist da oben bestimmt stolz auf dich und liebt dich über alles", flüsterte ich.

***

Ihr seid alle toll, nicht vergessen <3

Song im Anhang : Lukas Graham - 7 Years

DavidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt