03 - Headlights

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Der Schultag trug sich schleppend dahin.
Ich schenkte meinen Lehrern kaum Aufmerksamkeit, schrieb still das ab was sie an die Tafel kritzelten und verhielt mich still, damit ich für alle die Illosion vorgab, ich wäre unsichtbar.

Als ich auf dem Flur unserer Vertrauenslehrerin über den Weg lief, war es mit der Unsichtbarkeit gleich vorbei.

"Gut das ich dich sehe Jimin", sie lächelte mich freundlich an.
Mir kam dies aber eher aufgestzt und unnatürlich vor.

"Ich würde dich gerne wieder bei einer meiner Sprechstunden sehen", meinte sie und sah etwas auf ihrem Klemmbrett nach.

Mir wurde unwohl. Ich spührte wieder wie mich alle anstarrten. Für sie war ich eine Art Attraktion die man im Zirkus bestaunen konnte. Eingekesselt zwischen den Schülern hörte ich das wilde Hämmern meines Herzens gegen meinen Brustkorb.

Natürlich hatte Kim-Songsaenim* schnell durch die anderen Schüler von meinem Selbstmordversuch mitbekommen.
Eine Zeit lang rief sie sogar jeden Tag bei uns zu Hause an, um heraus zu finden wie es mir ginge oder ob ich Hilfe benötigte.
Für sie war ich eine Art Sorgenkind und genoss immer ihre Fürsorge.

"Wie sieht es mit Dienstag Nachmittag aus?", fragte sie und schielte über den Rand ihrer Brille hinweg.

"Was hat er jetzt wieder angestellt?"

"Hat er wieder versucht sich umzubringen?"

"Ich habe gehört dieses Mal hat er es mit einem Buttermesser probiert."

Ich hatte meine Vertrauenslehrerin inzwischen komplett ausgeblendet. Ihre Präsenz vor mir war mir nicht mehr klar.
Stattdessen fixierte ich meine Aufmerksamkeit auf das Getuschel der Menschen, die uns passierten. Einige von ihnen beobachteten uns beide aus der Ferne. Flüsterten sich etwas zu. Doch das meiste von ihren geheimen Lästereien, bekam ich mit.

Ich umkrallte meinen Rucksackträger in meiner Faust.
Mein Körper spannte sich an und meine Augen begannen zu zucken.

Psycho.

psychisch Labiler.

Das war ich.

Kim-Songsaenim hatte mir in den wenigen Sprechstunden die wir hatten, immer wieder versucht zu vermitteln dass ich gut genug war. Hatte versucht mir zu zeigen dass das Leben lebenswert ist, dass ich ein toller Mensch bin der es verdient auf dieser Erde zu weilen.

Doch nun verspührte ich nichts als Hass für mich.
Sie hatten Recht. Sie alle. Wieso sollten sie soetwas sagen ohne triftigen Grund?
Mit mir stimmte etwas nicht. Ich war ein psychisch Labiler. Ich war Abschaum. Sie hatten ein gutes Recht mich so zu behandeln wie sie es taten; wie einen Ausgestoßenen.

Langsam drängten sich die Stimmen wieder in meine Gedanken.
Mein Kopf pochte und mein Körper verkrampfte sich.
Es schien als würde alles in einem rasenden Tempo um mich herum passieren. Blicke neugieriger Mitschüler kreuzten sich mit meinem.
Mein Kopf drehte sich nervös umher und mir wurde heiß. Mir wurde unerträglich heiß.

"Jimin? Jimin geht es dir gut? Soll ich dich zur Krankenschwester bringen?", die melodische Stimme meiner Lehrerin drang durch das laute Gemurmel um mich herum.

Ohne ein weiteres Wort drängte ich mich an ihr vorbei. Meine Schulter kollidierte mit ihrer weshalb sie leicht zur Seite kippte.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge und steuerte auf die Eingangstür zu. Einige der ganz Verängstigten machten mir von selbst den Weg frei.
Ich wollte mich übergeben.

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Die kalten Tropfen die meine glühende Haut berührten waren wie ein Segen. Meine Hände hatte ich in in die Taschen meines Sweatshirts vergraben.

Thin Lines | VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt