15 - Smiling stranger

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Ich hielt meinen Kopf gesengt, wollte niemandem zeigen wie schwach und verletzlich ich war.

Und vorallem wollte ich niemandem zweigen wie sehr mich der Tod meines Vaters mitnahm.

Ich spührte die Präsenz meiner älteren Schwester neben mir, ich hörte ihr wimmern und sah aus meinen Augenwinkeln wie ihre Schultern zitterten. Sie hielt ein zerknülltes Taschentuch in der Hand und mit der anderen umfasste sie mein zierliches Händchen.

Ich hatte schon so viele Todesfantasien die meinen verhassten Vater betrafen.

Einmal träumte ich sogar davon, wie ich ihn mit einem Buttermesser erstochen hatte und wie uns Seohyung anschließen in der Küche gefunden hatte. Es wirkte alles so echt. Ihre Schreie, das Blut, das Messer...es hatte sich alles so real angefühlt und ich musste mir anschließend einreden, dass es alles nur ein Traum war, dass es nicht wirklich passiert war.

Doch nun besuchten wir wirklich seine Beerdigung. Auch wenn ich immer die leise Hoffnung nach seinem Tod hegte war es trotzdem ein gewaltiger Schock - für uns alle. Selbst für meine Schwester, die tagtäglich von unserem Vater misshandelt worden war, der ihr blaue Flecken zufügte, sie verprügelte.Seohyung hatte am meisten von uns geweint.

Umringt von den wenigen Verwandten mit denen wir noch Kontakt hatten und die der plötzliche Tod unseres Elternteils wenigstens ein wenig mitnahm, standen wir nun um seinen Sarg herum. Der Pastor stand am Kopfende der hölzernen Kiste und hielt seine Predigt.

Wir hatten den Anruf vor zwei Tagen erhalten.
Ein Polizist erzählte Seohyung am Telefon, dass sich unser Vater bei dem Nachhauseweg von irgendeiner Bar den Kopf auf einem Stein aufgeschlagen hatte. Er war zu betrunken um normal gehen zu können und war gestürzt, sofortiger Tod durch Gehirnerschütterung und anschließender Hirnblutung.
Ich musste Seohyung stundenlang beruhigen um ein Wort aus ihr heraus bekommen zu können. Ich hatte an dem Abend keine Träne verdrückt. An dem Tag danach auch nicht.

Doch ausgerechnet heute bei seinem Begräbniss wurde ich schwach. Ich war von mir selbst angewiedert. Ich wollte nicht um so ein Schwein trauern und Seohyung und all die Gäste die gekommen waren sollten es auch nicht. Er hatte es nicht verdient.

Nachdem der Pastor mit seiner Predigt fertig war ließ er uns einen Moment lang Zeit damit wir uns alle noch einzeln von ihm verabschieden konnten.
Ich drückte Seohyungs Hand, wollte ihr versichern dass ich da war um ihr Beistand zu leisten. Wir sollten nicht alleine durch diese schwere Zeit gehen auch wenn alles mich weniger mitnahm als sie.

Meine Schwester hob angestreng einen ihrer Mundwinkel nach Oben, ihr verheultes Gesicht war ein schmerzender Anblick. Ich wollte alles tun um sie zu trösten, um ihr diesen Schmerz abzunehmen.
Sie strich mit ihrem Daumen über meinen Handrücken um mich zu beruhigen bevor sie ihre Hand aus dem Griff meiner befreite und sich näher an den Sarg stellte.
Ich versuchte nicht hinzuhören. Ich wollte ihr diesen Moment des Abschieds lassen, es gehörte sich so und würde es ihr bestimmt leichter machen.

"Tae", hörte ich ihre gebrochene Stimme und ich hob meinen Kopf. "Willst du ihm etwas sagen?"
Ich wusste dass es keine Frage, sondern eine Aufforderung war. Sie wollte dass ich mich auch von ihm verabschiedete obwohl sie von meinem Hass wusste.

Ich wollte meinen Kopf schütteln und einfach nur verschwinden. Der kühle Sommerwind wehte um unsere Ohren und ich erschauderte. Das schöne Wetter bildete einen gewaltigen Kontrast zu der heutigen Zusammenkunft.
Allerdings spiegelte es schon irgendwie meine innere Stimmung wieder und ich hätte am liebsten aufgelacht.

Ich nickte nur stumm und trat an den Sarg heran. Seohyung drückte meine Schulter aufmunternt und wurde gleich von einer unseren Tanten in den Arm genommen, die wir seid Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten.

Thin Lines | VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt