05 - The Angel is gone

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Als ich unseren Apartmentkomplex erreichte, füllte sich mein Körper mit einer unangenehmen Übelkeit.

Während ich die kahle Außenfassade betrachtete, dachte ich an meine Mutter.
Ob sie wohl bemerkt hatte das ich die ganze Nacht weg gewesen war? Ob sie sich Sorgen gemacht hatte?

Als ich die Flure der vielen Etagen durchquerte hörte ich hinter den geschlossenen Türen der Apartments die vertrauten Geräusche die ich jeden Tag hörte. Die schrillen Schreien eines Babys, dem Gebell von Hunden und dad Gebrüll von streitenden Paaren begleiteten meinen Weg.
Ich kam vor unserer Eingangtür an. Das dunkelbraune Holz wieß bereits diverse Makel auf und die Zahl 23 die in Gold dort angehämmert wurden, hingen schief herunter.

Ich bückte mich und holte den kleinen Schlüssel unter unserer verstaubten Fußmatte hervor. Es war kein besonders gutes oder kreatives Versteck. Aber als ich ihn eines Abens dort platziert hatte, war es für mich gut genug. Ich ignorierte das Risiko dass ihn jemand finden und einbrechen könnte, irgnorierte das ich die Sicherheit meiner Mutter gefährden könnte.
Immerhin interessierte sie sich seid Jahren auch nicht mehr für mein Wohl.

Ich schloss die Tür auf, schlüpfte aud meinen Schuhen und legte den Schlüssel auf der Komode ab und ging voraus.

"Jimin?", hörte ich sie dann rufen. "Jimin bist du das?"

Wer sollte es denn sonst sein?
Ich presste meine Lippen aufeinander, vergrub meine Hände in den Taschen meines Sweatshirts und steuerte auf das Wohnzimmer zu.
Dort saß sie dann. In einer Decke eingehüllt, eine Zigarette zwischen den Lippen und mit der Morgenzeitung in den Händen. Den Fernseher hatte sie auch angeschaltet.

Ich stellte mich neben die Couch um ihr wortlos meine Presenz mitzuteilen, meinen Rucksack hatte ich neben die Tür gelegt.

"Da bist du ja", grummelte sie. "Hast du meine Zigaretten?"
Perplex blinzelte ich einige Male. Das war alles was sie zu sagen hatte. Ich fühlte mich unwohl. Enttäschung und Wut flammte in mir auf und ich wollte in diesem Moment nicht mehr tun, als ihr die Kippe aud dem Mund zu reißen und ihr vorzuwerfen was für eine grauenhafte Mutter sie doch war.

"Ich spreche gerade mit dir!", fauchte sie und stieß eine Rauchwolke aus. "Wo sind meine Zigaretten? Und der Lottoschein den du mitbringen solltest?"

"Hast eine Ahnung wie lange ich weg war?", stellte ich die Gegenfrage.

Sie zog ihre Augenbrauen zusammen und spielte mit der Zigarette zwischen ihren Fingern.
"Hätte ich mir Sorgen machen sollen?"
Der Tonfall in dem sie es sagte, war es was mich wütend machte. Das Desintresse und Gleichgültigkeit ließen meine Wut aufsteigen.

"Meinst du das ernst?", normalerweise hätte ich meine Klappe gehalten. Hätte ihre Worte einfach ignoriert, mich in meinem Zimmer eingeschlossen und versucht mit meinem miserablen Leben, oder das was noch davon übrig ist, klarzukommen.

"Alles was ich weiß ist dass ich immernoch hier sitze, mir von meinem misratenen Sohn etwas anhören muss während ich immernoch keine neue Packung Malboro's habe", sie widmete sich wieder ihrer Zeitung. "Womit habe ich sowas wie dich nur verdient"

Auch wenn sie letzteres nur murmelte, verstand ich jedes Wort perfekt.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und bohrte meine Augen in ihre Seite.
Ich studierte die tiefen Augenringe in ihrem Gesicht, die Fältchen, ihr strulliges Haar und ihre vergilbten Zähne, die sich durch das viele Nikotin verfärbt hatten.

Ich machte auf dem Absatz kehrt, ignorierte ihre Rufe nach mir und verließ das Apartment.
Ich sah nurnoch rot vor Wut. Alles was sie interessierte waren ihre Glücksspiele und ihre Zigaretten. Was mit ihrem Sohn passierte, lag alles nur an zweiter Stelle.
Was war nur mit der Frau passiert die mich vor so vielen Jahren noch so liebevoll aufgezogen hat?
Damald nannte sie mich noch ihren "kleinen Engel" und schenkte mir Liebe und Geborgenheit.

Thin Lines | VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt