Als ich am nächsten Morgen vor dem Spiegel stand und anfing mich zu schminken, was immer noch total komisch für mich war, versuchte ich nicht allzu sehr zu zittern. Ich wusste nicht, was in der Schule passieren würde. Am liebsten hätte ich mich für heute krank gemeldet aber meine Tante würde mich sofort durchschauen und außerdem änderte das auch nichts an meinen aufgeregten Gefühlen.
Als ich die Treppe herunter ging um zu frühstücken, verschluckte sich meine Tante an ihrem Kaffee und spuckte den Tisch mit Kaffee voll.
„Tut mir Leid, Schatz, aber ich muss mich wirklich erst daran gewöhnen", sagte sie entschuldigend und wischte mit einem Handtuch die Flecken weg. Ich zuckte kurz mit den Schultern, um ihr zu zeigen, dass ich es nicht weiter schlimm fand.
„Aufgeregt?", fragte sie mich und nickte zu meiner Hand, die nervös mit dem Bund der Bluse spielte. Ich hatte für meine Verhältnisse den Rock sehr hoch gezogen. Damals hatte ich ihn immer bis unter meinen Po gezogen, wobei sich mein Vater dann immer aufgeregt hatte, aber meine Mutter meinte, hatte ihn dann immer beruhigt. Damals galt es, umso höher der Rock, umso cooler war man. Heute hing er bis über meine Knie. Die Bluse hatte ich aber nicht in den Rock gesteckt, wie ich es vor zwei Jahren getan hatte, damit mein Ausschnitt besser zur Geltung kam.
„Na komm, nimm dein Essen und dann beeil dich, bevor du dein Bus verpasst und laufen musst", sagte sie und steckte mir meine Dose mit dem Essen entgegen und eine Wasserflasche. Ich lächelte kurz, verstaute die Sachen in meinem Rucksack und umarmte sie einmal zum Abschied.
„Viel Spaß in der Schule!", rief sie und gequält lief ich aus dem Haus. Ich mied extra den Bus und lief die drei Kilometer zur Schule, wobei ich Musik hörte, damit ich mein nicht vorhandenes Selbstbewusstsein anfördern wollte.
Sobald ich aber immer mehr Schüler mit Schuluniform sah, umso aufgeregter und schlimmer fühlte ich mich. Und mir wurde erst kurz vorher wieder bewusst, dass Jackie ja heraus finden wird, dass ich Cora war. Ich bildete es mir wahrscheinlich ein, aber von überall hörte ich tuscheln.
Wahrscheinlich fiel es mir diesmal auf, weil es mir nicht egal war.
Meine alte Gruppe, die immer noch alle befreundet waren, standen neben dem Eingang und sahen sich so wie jeden Morgen die Leute an, um über sie zu lästern. So hatte ich es damals auch mit 14 Jahren gemacht. Jetzt fand ich einfach nur noch dumm und oberflächlich. Als ich mich damals nicht mehr zu meiner Gruppe dazu gestellt hatte, hatten sie für ungefähr einen Monat nicht über mich gelästert. Als ihnen dann aber aufgefallen ist, dass ich nichts mehr mit ihnen zu tun hatte, haben sie mich ausgeschlossen, obwohl diese Leute sich nur durch mich kennen.
Ich weiß nämlich noch ganz genau, als wäre es gestern, als ich neu auf die Schule gekommen war und ich als erstes alleine war, obwohl so viele immer mit mir spielen wollten. Ich hatte meine Mutter immer gefragt, weshalb alle mit mir spielen wollten, aber nicht mit Mädchen, die keinen pinken Rucksack besaßen. Und nur weil ihre Haare nicht so glänzten und gewellt waren wie meine, hieß es doch nicht, dass sie nicht auch zum Spielen geeignet waren.
Meine Mutter hatte mich dann immer ermutigt mit denen zu spielen. Irgendwann setzte ich mich in der Pause zu Johanna, die auf einer Bank saß und zu sah, wie wir mit einem Seil spielten. Sie sah mich verunsichert an, und als sie sah, dass ich sie auch ansah, sah sie schnell wieder zu ihren Schuhen.
„Wieso spielst du nicht mit?", hatte ich sie damals gefragt.
„Ich glaube ihr wollt nicht, dass ich mit spiele", hatte sie dann geantwortet.
„Wieso? Dann lass uns alleine spielen", hatte ich sie aufgefordert und so war das Mitglied Nummer zwei in der Gruppe, weil ich immer die Nummer eins blieb.
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Silent Past
FanfictionKeiner fängt zum Spaß mit dem Schweigen an. Jeder hat einen Grund, der ihn gebrandmarkt hat. Und das ist Ninas Erleichterung. Ich schweige. Ich bin stumm. Ich rede nicht. Man kann es nennen, wie man will, die Hauptsache ist, dass niemand meine St...