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Wenn man der Meinung ist, dass man sein Leben auch ohne irgendeinen Freund leben kann, dann liegt man falsch. Meine einzige und beste Freundin hatte was gegen mich und ich konnte sie tatsächlich verstehen, nachdem ich versucht habe mir einzureden, oder besser gesagt versucht habe auf Harry zu hören, dass sie falsch liegen würde.

Würde ich reden wie ein Wasserfall und hätte eine Freundin, die nie die Klappe aufmacht, dann würde ich auch irgendwann sauer werden.

Nur der Unterschied zwischen Jackie und mir: Ich hätte ihr schon längst verziehen und sie missachtet mich immer noch. Und so hatte ich gar keine Freunde mehr. Mit Harry, wenn wir wirkliche Freunde waren, hatte ich auch nicht mehr so viel zu tun. Er hatte mir einen Monat lang jeden Tag eine Nachricht geschrieben. Er kam sogar öfters vorbei und hatte meine Tante gefragt, ob ich nicht zufälligerweise da wäre – gut, ich war tatsächlich da aber ich hatte angefangen mich wie ein kleines Kind auf dem Dachboden zu verstecken. Nicht einmal meine Tante wusste das ich hier oben war. Obwohl, würden sich kleine Kinder freiwillig auf einem Dachboden verstecken? Ich mein als Kind hatte ich immer total angst davor, nur mit meinem Vater hier hoch zu klettern.

Aber es gab natürlich noch einen anderen Grund, weshalb ich soviel Zeit hier oben alleine verbrachte. Ich hatte alte Kisten gefunden, mit der Aufschrift ‚Jack und Ann'. Die Namen meiner Eltern. In den Kisten lag alles mögliche von ihnen. Klamotten, Bücher, Bilder. Ich hatte sogar eine alte Parfümflasche von meiner Mutter gefunden. Ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte und ob ich meine Tante darauf ansprechen sollte. Man hatte mich damals gefragt, ob ich ein paar Sachen behalten möchte, aber ich war damals noch so unter schock gewesen, dass ich es noch gar nicht realisiert hatte, dass die Sachen alle weggeschmissen werden würden. Aber anscheinend hatte meine Tante sich darum gekümmert.

Ich lag in meinem Bett und als jemand, wahrscheinlich meine Tante an meine Tür klopfte hielt ich mir nur das Kissen über mein Gesicht. War ja klar. Wir hatten Wochenende und ich war nicht früh genug auf dem Dachboden verschwunden. Ich hörte wie die Tür aufgemacht wurde und meine Tante mit mir sprach.

„Wow, das ich dich mal antreffe, ist zwar schwer zu glauben, aber dennoch machbar. Zieh dich an, wir fahren zusammen wohin", sagte sie und ich nahm das Kissen von meinem Gesicht. Ich schüttelte mit dem Kopf als sie das sagte.

„Doch, heute ist der Jingle Bell Ball und wir werden ihn uns ansehen", sagte sie und klatschte dann in die Hände, eine Geste, damit ich mich beeilen würde.

Ich zeigte schwer auf den Block und den Stift auf meinem Schreibtisch aber meine Tante schüttelte nur den Kopf.

„Keine Widerrede, Nina. Es ist mir egal ob heute der letzte Tag deiner siebenseitigen Hausarbeit ist, mit der du noch nicht angefangen hast, oder ob du dich mit Jackie treffen willst, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Du kommst mit mir", machte sie ihre Ansprache und verschwand dann aus dem Zimmer.

Schwerfällig hob ich mich aus dem Bett und suchte mir was zum Anziehen. Währenddessen googlete ich, ob meine Lieblingsband heute auch einen Auftritt haben würde. Aber eigentlich hätte ich es mir schon denken können und hätte nicht das Wlan dafür missbrauchen müssen. Wieso sollte diese Boyband denn bitte einmal nicht dabei sein?

Als ich mich schminkte fiel mir auf, dass ich mir wieder meine Haare nachfärben müsste, vor allem am Ansatz. Es sah zwar noch nicht schlimm aus, aber mir fiel es sofort auf. Eigentlich würde ich mich mit braunen Haaren wahrscheinlich besser fühlen, weil seit ich nicht mehr mit Jackie befreundet war und aufgehört habe mich mit Harry zu treffen, fiel mein Selbstwertgefühl und mein Selbstbewusstsein, was ich mühselig aufgebaut hatte ziemlich schnell in sich zusammen. Jetzt spürte ich erst recht jeden einzelnen Blick in meinem Rücken von meinen Mitschülern und mir kam es so vor, als ob ich alles hören könnte, was sie über mich sagten. Und ich war mir sicher, hätte Lou mich nicht umgestylt wäre alles beim alten geblieben. Also ist es reintheoretisch Lous schuld.
Was redest du dir da ein? Steh doch dazu das du es auch wolltest und hör auf jedem die Schuld in die Schuhe zu schieben.

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