21.

239 21 4
                                    

Harry und ich hatten in der Woche fast jeden Tag etwas gemeinsam zusammen gemacht und wenn wir nur still neben einander saßen auf einer Parkbank und haben den Tauben dabei zugesehen, wie sie die Brotkrümel aufpickten, die Kinder ihnen zu schmissen. Es war schön jemanden zu haben, der sich um jemanden sorgt. Der mir das Gefühl gab, dass ich nicht doch vollkommen unnötig und überflüssig auf dieser Welt wäre.

Und ich hatte angefangen neue Schuldgefühle zu entwickeln. Die normalen kannte ich schon, wegen meinen Eltern, die ich immer empfand, aber seit ich meine Zeit mit Harry verbrachte fühlte ich mich schuldig und schlecht, weil ich ihm nicht antwortete, wenn er mir eine Frage stellte. Ich glaube Harry hatte sich allmählich daran gewöhnt, dass nicht viel von meiner Seite her kommt, aber ich hatte angefangen alles in Frage zu stellen. Gestern Abend habe ich mich vor einen Spiegel gestellt und wollte das Sprechen üben, aber in dem Moment kam glücklicherweise meine Tante herein und hat mich davon abgehalten.

Wieso fühle ich mich so bei Harry? Verliebt in ihn war ich auf gar keinen Fall. Nein. Er zog mich immer noch damit auf, dass ich was für Niall empfand, auch wenn es nichts ernstes war, und das war es auch. Wurden wir tatsächlich Freunde? So richtige Freunde, die sich alles erzählen konnten und dem anderen blind vertrauten?

Ich gab auf, darüber nach zu denken und starrte lustlos in meinen Kleiderschrank. Harry meinte, dass er heute mit mir und seinen Bandkollegen etwas zusammen machen möchte. Er würde es ja so toll finden, wenn wir uns alle näher kennen lernen. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich dieses mal aber nicht als seine Freundin vorgestellt werden möchte. Harry würde mich gleich abholen kommen und zusammen gehen wir dann einkaufen, damit wir für heute Abend zusammen Pizza backen konnten. Harry meinte er wäre der geborene Koch, weil er mal in einer Bäckerei gearbeitet hätte, aber ich war mir sicher, da konnte sogar ich besser kochen, wobei ich mir damals immer nur die Kochsendungen mit meiner Mutter im Fernseher angesehen hatte mit Jamie Oliver.

Ich stopfte meine Schlafsachen noch mit in meine Tasche, da ich heute auch bei Harry schlafen würde und sprang die Treppe herunter, als es klingelte. Meine Tante war nicht zuhause, da sie immer noch an dem Konzert feilte was nächste Woche bevor stand.

„Hallo!", rief Harry laut und grinsend nahm ich ihn in den Arm. Seit wir Zeit miteinander verbrachten wurde ich zu einer viel fröhlicheren Person. Das war sogar meinen Mitmenschen aufgefallen. Sie fragten mich oft was geschehen sei, weil ich lächelnd durch die Weltgeschichte lief. Sie waren es nicht mehr von mir gewohnt. Und ich war es auch nicht von mir gewohnt. Harry hatte mir mut gemacht und mir immer wieder gesagt, dass mir ein Lächeln soviel besser stehen würde.

„Wie geht es uns heute?", fragte er und nahm mir meine Tasche ab, während ich die Haustüre abschloss und dann mit ihm zum Auto ging.

Ich streckte beide Daumen nach oben und da er angefangen hatte mich besser kennen zu lernen, wusste er, dass ich nicht log.

„Bist du schon aufgeregt heute Niall wieder zusehen?", fragte er mich mit einem zwinkern und piekste mir in die Seite.

Ich grinste leicht und schüttelte den Kopf.

Nein, aufgeregt war ich nicht. Ich war nur gespannt. Er hatte mir noch ein paar Sms geschrieben, auf die ich meistens nur einsilbig geantwortet hatte, was mir im nachhinein auch leid tat, aber ich war die ganze Zeit noch damit beschäftigt, was er zu mir gesagt hatte. Er wollte mich ja nur kennen lernen, weil ich so spannend bin, weil ich stumm bin.

Es gibt Tausende von stummen Menschen auf dieser Erde. Wieso ausgerechnet ich? Also ja, am liebsten wollte ich ja, dass wir uns näher kennen lernen würden, aber irgendwie ist das ein bisschen komisch. Er hat was mit Jackie am laufen. Und Jackie erzählt mir jeden Tag in der Schule eine neue Geschichte von Niall.

Silent PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt