Kapitel 1

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"Vater! Das kannst du nicht machen!" Ich versuchte mit ihm mitzuhalten, doch mit meinen kurzen Beine kam ich mit seinen großen Schritten kaum hinterher.
"Amberly, lass es gut sein" In der Stimme meines Vaters lag etwas drohendes.
„Aber-"
"Nein!" Mein Vater drehte sich jetzt plötzlich zu mir um und sah mich an. Inzwischen waren wir in dem Hauptsaal des Schlosses angekommen. Die 3 Wachen, die jeweils rechts und links an der Seite des Raumes standen, sahen uns an. "Du wirst nicht auf das Fest gehen, zum hundertsten Mal!" Nach einem weiteren wütenden Blick auf mich, lief er ans Ende des Raumes zu seinem Thron, auf den er sich setzte.
"Kann ich etwas für sie tun, König?" Fragte ein Diener sofort, mein Vater verneinte.
"Du kannst mich doch hier nicht für immer einsperren! Ich verlang doch nicht viel, ich will doch nur wenigstens ab und zu mal nach draußen in die Stadt" Sagte ich verzweifelnd. Ich wollte heute unbedingt auf das Fest, dass in der Stadt stattfand, doch mein Vater verbot es mir. Wie er alles verbot, das ich außerhalb des Schlosses tun wollte.
"Dort ist es gefährlich für dich, wann begreifst du dass endlich, Amberly? Du bist die Prinzessin, und du hast eine Gabe. Das macht dich beides unglaublich wertvoll, deshalb ist das Risiko viel zu groß, dich da einfach raus gehen zu lassen" Erklärte mir mein Vater.
Aber das wusste ich ja bereits alles. Ja, ich war eine der vier Prinzessinnen, die eins der Elemente beherrschte, aber sollte das ausschließen, das ich ein Leben außerhalb des Schlosses haben durfte. Ich wusste, dass ich schon ziemlich viele Freiheiten hatte, immerhin durfte ich mir selbst raussuchen, wen ich mal heiraten würde. Aber das war nicht genug.
"Ich weiß, das es gefährlich sein kann, aber ich werd auf mich aufpassen, versprochen. Nur für ein paar Stunden, bitte!" Flehte ich meinen Vater an.
"Nein. Und das war das letzte Mal, das ich das sage"
"Aber-"
"Amberly, finde dich damit ab!" Die laute Stimme meines Vaters hallte in dem großen Saal. Und in mir stieg immer mehr Wut auf.
"Und so sprach der König" Ich schenkte ihm noch einen letzten wütenden Blick, drehte mich dann um und rauschte aus dem Saal.
Als ich um die Ecke bog, prallte ich plötzlich gegen jemand. Ich sah auf. Es war Damien, mein Verlobter.
Er lächelte mich an und um seine Mundwinkel erschienen Grübchen.
"Amberly" Sagte er, überrascht mich zu sehen. "Warst du bei deinem Vater?"
"Ja" Ich wollte nicht darüber reden. Ich wusste, dass Damien der gleichen Ansicht wie mein Vater war. Ich sollte im Schloss bleiben, wo ich beschützt war.
"Warst du trainieren?" Fragte ich ihn. Er trug seine Klamotten, die er immer trug, wenn er mir erzählte, dass er kämpfen gewesen war. Seine dunkelblonden Haare waren ein bisschen verschwitzt, seine Kastanien braunen Augen hellwach.
"Ja. Ich hab meinen Trainer gefragt, wenn es der König erlaubt, kannst du nächstes mal mittrainieren" Berichtete Damien.
"Okay" Ich musste lächeln, endlich mal eine gute Neuigkeit.
"Ich muss dann jetzt aber weiter. Dein Vater hat mich zu ihm rufen lassen" Meinte er.
"Viel Glück bei ihm" Ich hatte ihn ja nicht grad mit guter Laune zurückgelassen. Damien beugte sich zu mir runter und küsste mich. Dann lief er in den Saal zu meinem Dad. Ich schaute ihm noch kurz hinterher.
Ich mochte Damien, aber ob ich ihn liebte war ich mir nicht so sicher. Doch das war egal. Ich konnte froh sein, dass mein Vater mir die Wahl für einen Mann überlies. Damien war nett zu mir, und ich bereute es nicht, mich für ihn entschieden zu haben.

In meinem Zimmer hielt ich es nicht lange aus. Am frühen Abend schlich ich mich aus meinem Zimmer und die Flure entlang nach unten. Die zwei Wache, die beim Ausgang zum Garten standen, schienen mit sich selbst beschäftigt zu sein und bemerkten mich nicht, als ich mich an ihnen vorbei schlich.
"Ich hab gehört die Eisprinzessin wollte schon wieder in die Stadt gehen" Hörte ich die eine Wache gerade zur anderen sagen. Natürlich redeten sie von mir. Was hatten sie auch schon für andere Themen, als die Vorkommnisse im Schloss. Im Grunde ging es ihnen auch nicht viel besser als mir. Sie kamen auch so gut wie nie raus.

Im Garten ging ich an den Platz, an dem ich oft war. Zu einem Baum, der direkt an einem kleinen See stand. Seine großen Wurzeln hatten sich an die Oberfläche gekämpft, und boten mir eine perfekte Sitzfläche. Ich sah auf den Fluss vor mir, der zugefroren war. Hier hatte ich als kleines Kind meine ersten Übungen mit dem Eis und Wasser bändigen gemacht.
Nun streckte ich wieder meine Arme wie damals aus, so dass sie auf den See zeigten. Dabei bemerkte ich, dass der rechte Ärmel meines Kleides hochgerutscht war, und man so die Schuppen an meinem Unterarm sah. Es waren nicht arg viele, sie waren weiß und schimmerten. Nur mein Vater, Damien und mein Dienstmädchen Mary, das ich schon seit meiner Geburt hatte, wussten davon. Ich bedeckte die Schuppen immer mit den langen, engen Ärmeln meiner Kleider. Mein Vater zwang mich nicht dazu, aber ich wusste, dass er sie für ein großes ungewöhnliches Schönheitsmakel hielt, das niemand zu sehen brauchte. Auch von Damien hatte ich mal gehört, wie er meinen Vater gefragt hatte, ob man es nicht irgendwie wegmachen konnte.
Jetzt zog ich meine Ärmel durch Gewohnheit runter, obwohl niemand anderes als ich hier im Garten war.
Ich konzentrierte mich auf den zugefrorenen See, bis ich die kleinen Risse darin sehen konnte. Dann löste sich etwas daraus und ich lies einen Handgroßes Stück Eis durch die Luft fliegen.
Als ich meine Finger spreizte, zersprang der Eisbrocken in hundert kleine Teile und fiel auf den Boden. Ich musste lächeln, denn ich war immer noch fasziniert darüber, was ich mit meiner Gabe machen konnte. Als ich angefangen hatte zu üben, war ich schon froh gewesen, wenn ich ein paar Risse im Eis entstehen lassen oder das Wasser ein wenig bewegen hatte können.
Durch das Loch im Eis lies ich Wasser aus dem See in die Luft steigen und wollte gerade etwas neues damit ausprobieren, als ich ein Geräusch hörte. Ich wurde abgelenkt und das Wasser floss in den See zurück. Ich sah mich um, doch entdeckte niemand.
Als ich aber gerade dachte, dass ich mich nur verhört hatte, wurde mir auf einmal von hinten mein Mund zugehalten. Ich wurde hochgerissen, so dass ich auf den Beinen stand. Ich wollte mich umdrehen um zu sehen, wer da hinter mir stand und mich festhielt, doch derjenige hielt mich so fest, dass es mir nicht möglich war. Ich schrie um Hilfe, doch meine Schreie wurden durch die Hand über meinem Mund erstickt. Ich versuchte um mich zu schlagen, zu treten, mich irgendwie zu befreien, aber es funktionierte nicht. Ich war nicht sonderlich groß und der Mann hinter mir schien mindestens einen Kopf größer zu sein. Ich wurde mit ihm mitgezogen. Durch den hohen Holzzaun, durch den er anscheinend ein Loch gemacht hatte.
"Lass mich los!" Schrie ich in seine Hand rein. Er zog mich weiter unsanft mit sich. Daraufhin biss ich ihm in sein Hand.
"Verdammt!" Fluchte er mit einer tiefen Stimme, die sich allerdings ziemlich jung anhörte. Ich schätze ihn ungefähr auf 20 Jahre.
Sein Griff wurde kurz lockerer, doch darauf noch fester als zuvor, sodass ich kaum noch Luft bekam. Ich konzentrierte mich aufs atmen und auf den Weg, so dass ich wusste wohin wir gingen. Es dauerte nicht lang, da tauchten zwei andere Männer auf. Der eine war jung wie der, der mich festhielt. Mit rot-braunen Haaren, die er am Hinterkopf zu einem kurzen Zopf gebunden hatte und hellbraunen Augen. Der andere war älter, so um die 50 vielleicht. Er hatte schwarze Haare mit vielen grauen Strähnen und blau-graue Augen. Bei ihnen standen drei Pferde.
"Hol die zwei Tücher und das Seil raus, Artus" Befahl der Typ hinter mir und der ältere Mann holte die Sachen aus dem Beutel, der an der Seite eines der Pferdes hingen.
"Was wollt ihr von mir?! Lasst mich gehn!" Schrie ich, doch sie ignorierten mich.
"Mach ihr zuerst das Tuch übern Mund" Wies der Typ hinter mir Artus an. Sobald mein Mund frei war schrie ich los, doch keine Sekunde später war das Tuch über meinem Mund und hinten am Kopf zusammengebunden.
Der Typ mit dem Zopf hielt mich dazu noch mit dem anderen fest, so dass ich mich wirklich gar nicht mehr wehren konnte. Vor Wut und Angst traten mir Tränen in die Augen.
"Als ‪nächstes die‬ Hände. Ivan, hilf mir" Sagte der Typ, der mich hier her geführt hatte, und von dem ich immer noch nicht wusste, wie er aussah. Ich spürte nur die ganze Zeit seine Brust am an meinem Rücken. Mit Gewalt hielt Ivan meine Hände so hin, dass Artus das Seil darum binden konnte.
"Tut mir leid, Mädchen" Sagte der, als würde er es wirklich auch so meinen, und zog dann das Seil fest.
"Was habt ihr mit mir vor?!" Meine Stimme war nicht mehr so kräftig wie zuvor, da ich mit den Tränen kämpfen musste und das Tuch auch ziemlich abdämpfte. Niemand antwortete mir. Artus band mir noch das zweite Tuch über die Augen, und dann fühlte ich mich ganz wehrlos.
"Auf gehts!" Sagte Ivan.
"Wer nimmt sie?" Fragte Artus. "Mave?"
"Ja"
Ich wurde unsanft an dem Seil an meinem Handgelenk nach vorne gezogen. Ich stolperte und flog fast hin, doch das schien niemand zu kümmern.
Ich wurde von jemand auf eins der Pferde gehoben, auf dem schon jemand saß. Dann ritten sie los. Ich sah nichts und hatte daher keine Ahnung wohin wir ritten. Ich wusste nur, dass mein Herz nicht mehr aufhörte schneller zu schlagen als es normal war. Allerdings hatte ich keine Tränen mehr in den Augen. Ich riss mich zusammen ruhig zu atmen und mich auf das Geräusch der Hufe zu konzentrieren. Wenn sie mich hätten töten wollen, hätten sie das schon längst tun können, sagte ich mir.

Ice Princess (M.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt