Kapitel 8

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In der Gaststätte aßen wir mit Artus und Ivan gemeinsam was. Dann verschwanden Artus und Mave irgendwann und ich war mit Ivan alleine. Ich kannte ihn gar nicht gut und hatte auch noch nicht wirklich viel mit ihm geredet. Ich versuchte ihn nicht anzustarren, während ich mir überlegte, was ich nun machen konnte. Am liebsten würde ich nochmal ins Dorf gehen. Allein, ohne Mave.
"Danke" Sagte Ivan auf einmal und ich sah auf. Guckte ihn fragend an. "Dafür, dass du dich um meine Wunde gekümmert hast" Erkläre er.
"Ach so, ja. Ist sie gut verheilt?" Wollte ich wissen. Ivan nickte. Dann stand er auf.
"Ich geh zu Artus und Mave" Meinte er.
"Ja...Kannst du ihnen sagen, dass ich nochmal im Dorf bin?"
Ivan schaute skeptisch, als wüsste er nicht ob das okay war. Mave war eindeutig der Anführer der drei, Artus schien aber auch viel zu sagen zu haben, und Ivan tat das, was sie ihm sagten.
"Ich kann hier sowieso nicht weglaufen" Versuchte ich ihn zu überreden. Nach kurzem Zögern nickte er schließlich zustimmend.

Ich ging aus der Gaststätte und in Richtung Markt, durch den ich aber nicht noch einmal durch wollte. Ich lief an ihm vorbei und sah mir den Rest des Dorfes an. Die Häuser waren viel kleiner, als ich sie bisher kannte. Es gab außerdem kleine Läden, weitere Gaststätten und einen abgesperrten Kampfplatz, auf dem aber nichts los war.
Irgendwann kam ich an ein Haus, das offen stand. Zögernd schaute ich hinein und sah einen großen Raum, in dem viele Betten standen. Die meisten waren irgendwie provisorisch aufgebaut und sahen nicht arg stabil aus. Fast alle Betten waren belegt, Leute in jedem Alter lagen darin. Eine junge Frau und ein junger Mann sah ich von einem zum anderen eilen, mit ihnen reden und ihnen Medikamente oder Salben zu geben. War das hier sowas wie eine Krankenstation?
"Hallo?" Vorsichtig kam ich herein. Die Frau bemerkte mich und kam zu mir. Sie sah gestresst aus und auf ihrer Stirn standen ein paar Schweißperlen.
"Bist du krank?" Fragte sie mich verwundert und sah an mir herab.
"Ähm nein...Ist das hier eine Krankenstation?" Wollte ich wissen.
"Ja" Die Frau schaute auf die Leute in den Betten. "Bist du gekommen um uns zu helfen? Wir können echt jede Hand gebrauchen" Sie sah mich hoffnungsvoll an.
"Ich..." Ich schaute zu den kranken Leuten. "Ja"
"Das ist gut. Ich bin Claire und das ist mein Mann Adam" Sie zeigte auf den Mann, der gerade an einem Bett kniete und mit einer alten Frau sprach.
"Ich bin A-" Ich stoppte. "Ly" Verbesserte ich mich schnell. Claire schien es nicht aufzufallen, ihr schienen ganz andere Dinge durch den Kopf zu gehen.
"Okay, ich erklär dir erstmal die wichtigsten Dinge" Meinte sie. Daraufhin liefen wir einmal durch den großen Raum und sie sagte mir immer etwas zu den jeweiligen Leuten, die im Bett lagen. Sie sahen alle nicht gut aus. Manche waren total bleich und lagen still in ihrem Bett, als würden sie jeden Moment von uns gehen. Andere schrieen manchmal vor Schmerzen. Die meisten hatten irgendwelche Krankheiten, die sie von innen auffressen zu schien. Ein paar waren wirklich einfach nur da um zu sterben, weil es fast keine Hoffnung mehr für sie gab, erklärte Claire mir leise.
Als ich die ganzen Leute sah, den Geruch wahrnahm und die Schmerzensschreie hörte, lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Sie mussten so arg leiden und den meisten konnte man nicht einmal arg helfen. Es war echt schrecklich, aber nicht so schrecklich, dass ich sofort wieder raus wollte. Es erweckte eher den Instinkt in mir jedem einzelnen so gut es ging helfen zu wollen.
"Ihr seid nur zu zweit hier?" Fragte ich Claire und sie nickte.
"Die meisten Menschen halten sich da raus. Sie wollen nichts mit dem Tod zu tun haben, sagen sie, wenn man sie darauf anspricht" Erklärte sie mir. Sie zeigte mir noch, wo die ganzen Medikamente, Salben und Verbände waren und musste dann selbst weiterarbeiten. Ich schaute mich nochmal um und mein Blick fiel auf ein kleines Mädchen, höchstens 8 Jahre, das vor Schmerzen aufschrie, sich dann wieder beruhigte und die Augen vor Schmerzen zusammenkniff. Ich lief zu ihr und kniete mich neben sie.
"Hey" Sagte ich leise und sie öffnete die Augen. Ihre waren groß, rund und blau wie der Bach in unserem Garten, wenn er nicht zugefroren war.
"Wer bist du?" In ihrer Stimme hörte man den Schmerz, den sie ununterbrochen haben musste. Ich wusste nur nicht woher.
"Ly, wie heißt du?"
"Tara"
"Was tut dir weh?" Fragte ich. Tara schlug die Decke zurück und zog dann ihr Oberteil nach oben. Ihr gesamter Bauch sah aus, wie Risse im Marmor. Ich erschrak, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
"Niemand weiß was es ist" In den Augen des Mädchen standen Tränen. "Ich will nur noch einmal nach draußen gehen, aber ich kann nicht"
"Kannst du nicht mehr aufstehen?" Fragte ich vorsichtig. Tara nickte.
"Und Adam ist zu beschäftigt, um mich nach draußen zu tragen" Tara wischte sich über die Augen, um die Tränen zu verdrängen. Am liebsten hätte ich ihr ihren Wunsch erfüllt, aber ich war zu schwach dafür.
"Kann ich irgendwas für dich tun?" Fragte ich sie. Irgendwie musste ich ihr doch helfen können. Tara zuckte nur mit den Schultern. Mein Blick wanderte zu der Wasserschale, die neben ihrem Bett stand. Ich hatte eine Idee. Zuerst sah ich zu Claire und Adam, aber sie waren viel zu beschäftigt um zu mir zu sehn. Ich konzentrierte mich auf meine Kräfte und hielt meine Hände zur Wasserschale hin. Das Wasser erhob sich daraus und ich lenkte es rüber zu Taras Bauch.
"Wie machst du das?" Sie starrte mich ungläubig mit großen Augen an.
"Psst, das bleibt unter uns, okay?" Sagte ich und wartete bis Tara zustimmend nickte. Fasziniert schaute sie dabei zu, wie ich das Wasser sinken lies, bis es auf ihrem Bauch war. So hielt ich es fest. Meine Hoffnung war, dass das kühlende Wasser angenehm für Tara war, aber nicht schwer auf ihr lag wie ein nasses Tuch.
"Es fühlt sich gut an" Flüsterte Tara und lächelte begeistert. Schon allein, dass ich sie zum lächeln gebracht hatte, war es für mich wert. Ich lies das Wasser sie noch ein wenig kühlen, dann transportierte ich es in die Schale zurück. Ich musste noch zu ein paar anderen und verabschiedete mich erstmal von Tara.
Ich ging zu einem Mann, der einen Unfall gehabt und seine Hand dabei verloren hatte. Ich wechselte seinen Verband. Als ich die freiliegende Wunde sah, wurde mir übel. Aber ich riss mich zusammen. Danach half ich einem anderen Mann, der auch eine Krankheit hatte, von der man nicht wusste was es war, allerdings war sie bei ihm nicht sichtbar. Er war erst 35 und doch lag er hier im Bett, konnte sich kaum bewegen und übergab sich ständig. Ich wischte ihm seinen Mund ab und entsorgte das Erbrochene.
Dann rief eine alte Frau und ich ging zu ihr. Ich schaute ihr in die Augen, doch die sahen komisch aus. Sie war blind, merkte ich.
"Was soll ich machen?" Fragte ich.
"Ich habe Durst" Sagte sie. Also holte ich einen Becher Wasser, stützte sie am Rücken und Kopf und lies sie dann langsam daraus trinken.
"Danke" Sagte sie, als sie fertig war und ich den Becher auf die Seite stellte. "Du bist neu hier. Wie heißt du?"
"Ly" Antwortete ich.
"Oh, das ist schön. Ich bin Elaine" Sie lächelte und noch mehr Falten entstanden um ihren Mund. "Bist du freiwillig hier?" Wollte sie wissen. Ich nickte, bis ich merkte, dass sie das gar nicht sah. Ich kam mir dumm vor.
"Ja" Sagte ich.
"Wie alt bist du? Du hörst dich so jung an" Meinte sie und ich musste lächeln.
"19" Antwortete ich.
"Du hast eine nette Stimme, genau wie Claire" Sagte Elaine. "Aber leider seh ich dich gar nicht. Wie siehst du aus?"
Ich war total überrascht von dieser Frage. Aber ich merkte, dass Elaine wohl einfach nur ein bisschen Zuwendung brauchte und sich unterhalten wollte.
"Ähm, also ich...ich bin nicht arg groß. Ich hab blonde, wellige Haare bis knapp unter die Schultern und...ich hab braune Augen" Beschrieb ich ihr mir. Auf Elaines Lippen erschien wieder ein Lächeln.
"Hast du schon einen Mann?" Wollte sie wissen. Ich dachte an Damien. Und dann an Mave.
"Ja" Auf Damien war die Antwort zwar noch nicht ganz zustimmend, weil wir bisher nur verlobt waren, aber gerade lebte ich ja irgendwie sowieso ein ganz anderes Leben.
Elaine erzählte mir darauf von ihr früher, als sie jung gewesen war. Ich hörte ihr aufmerksam zu und mir stiegen fast die Tränen in die Augen. Sie hatte so ein schönes Leben gehabt, und jetzt endete es hier, zwischen all den kranken Leuten. Und ich musste daran denken, wie mein Leben bisher aussah. Natürlich, ich hatte mehr als man zum Leben brauchte. Ich hatte schöne Kleider, gutes Essen, einen Verlobten, einen Vater der mich liebte. Ich lebte in einem Schloss. Aber genau das war der Punkt, ich verbrachte mein ganzes Leben im Schloss. Umso länger ich hier war, desto mehr merkte ich, wie wenig ich bisher von der Welt außerhalb des Schlosses mitbekommen hatte. Wie wenig ich bisher erlebt hatte. Auch das machte mich ein bisschen traurig. Irgendwann bemerkte ich, dass es draußen schon langsam dunkel wurde. Ich ging zu Claire und Adam, von denen ich mich verabschiedete.
"Kommst du morgen wieder?" Fragte Adam.
"Ich weiß es noch nicht...Wenn die Tore morgen geöffnet werden, muss ich weiter reiten" Erklärte ich.
"Okay. Vielleicht sehen wir uns dann wieder"
Ich nickte und ging dann.

Ice Princess (M.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt