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REGENSCHIRMMOMENT
„Steter Tropfen höhlt den Stein" – Deutsches Sprichwort
Der erste Tropfen landete unbemerkt auf dem Dache eines parkenden Autos. Der zweite traf eine alte Plastikflasche, die jemand achtlos an den Straßenrand geworfen hatte. Der dritte verfehlte nur Knapp ein Straßenschild und landete stattdessen auf dem brüchigen Asphalt.
Doch von all dem wusste Jongdae nichts, als er mit Einkaufstüten bepackt an der Bushaltestelle wartete. Eigentlich hatte er nur eine Kleinigkeit kaufen wollen, doch als er so durch die Läden gegangen war hatte er plötzlich eine ganze Hand voll Tüten gehabt. Nun stand er beladen an der Haltestelle und spähte immer wieder ungeduldig auf die Straße.
Erst als der Regen stärker wurde, spürte Jongdae die Tropfen auf seiner Haut. Er sah genervt Richtung Himmel, während er seine freie Hand testend vor sich hielt. Ausgerechnet heute hatte er seinen Schirm zuhause gelassen. Er versuchte seinen Kopf mit der Hand zu schützen, doch er wusste, dass es nutzlos war, denn in wenigen Augenblicke würde es zu schütten anfangen. Er hielt erneut nach dem Bus Ausschau, doch er war noch immer nicht in Sicht.
Er war schon drauf und dran sich seinem Schicksal zu ergeben, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und der Mann neben ihm nun seinen Schirm so hielt, dass auch Jongdae darunter stand.
Fast im selben Moment fiel der Himmel auf die Erde und sie rückten instinktiv näher zusammen. Das Wasser flutete am Schirm entlang und stürzte zu Boden. Innerhalb kürzester Zeit bildeten sich tiefe Pfützen und das Wasser sickerte in Jongdaes Schuhe.
Jongdae schenkte dem Unbekannten ein dankbares Lächeln. Es machte ihn verlegen die Hilfe eines Fremden anzunehmen, der auch noch gut aussah. Er hatte nur eine Sekunde in die dunklen freundlichen Augen gesehen und nun schlug sein Herz vor Nervosität ein paar Schläge schneller. Er versuchte nicht noch einmal in seine Richtung zu schauen und stattdessen seine Tüten so eng an seinen Körper zu halten wie möglich, damit die Einkäufe nicht nass wurden, doch er erwischte sich dabei wie er so tat, als schaute er die Straße nach rechts entlang, nur um einen flüchtigen Blick zu erhaschen. Die Gesichtszüge des Mannes waren weich, obwohl sein Kinn Kante besaß. Sie beide waren etwa gleich groß, doch während Jongdae seine Haare kurz und schwarz trug, hatte der Fremde sie aufgehellt und stirnlang.
Hastig wandte Jongdae den Blick ab, als sein Gegenüber den Kopf drehte. Gleichzeitig hoffend, dass er noch ein wenig länger neben ihm stehen konnte, und flehend, dass er schnellstmöglich wieder im trockenen war, lugte Jongdae unter dem Rand des Schirms hervor und sah den Bus auf sie zukommen.
Als er vor ihnen hielt, stieg Jongdae schnell ein und drückte sich nach hinten durch. Sein Blick blieb am Fremden hängen, der Jongdae nicht ins Innere des Busses gefolgt war, sondern sich jetzt zum Gehen abwandte und den Bürgersteig in entgegengesetzte Richtung davonging. Der Bus fuhr an und seine Sicht durchs Fenster verschwamm, als die Wassertropfen wie panische Kaulquappen daran entlangflossen.
