Kapitel 18

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Ich spürte etwas Kaltes an meinen Lippen. Mein Kopf wurde in den Nacken gelegt und das eiskalte Wasser floss meine Kehle hinunter. Ich verschluckte mich, hustete ein paar Mal und öffnete dann meine Augen. Ich lag in meinem Hotelzimmer auf dem Bett. Wie war ich wieder hierhergekommen? War das mit der Party nur ein Traum gewesen? Neben dem Bett saß Manuel auf einem Stuhl und musterte mich. Er hielt das mittlerweile leere Glas in der Hand und hatte eine undurchschaubare Miene aufgesetzt. Dennoch sah man ihm seine Müdigkeit an, ebenso wie seine Augenringe. War er etwa die ganze restliche Nacht bei mir geblieben? Und wie und warum kam er eigentlich nach Berlin? „Gut, du bist wach", stellte er fest. „Ja", meinte ich unnötigerweise. Manuel nickte und Schweigen trat ein. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was sollte ich jetzt sagen? Ich sah genau, dass er drauf und dran war einfach aufzustehen und zu gehen. „Es... es tut mir leid, aber ich schwöre dir, zwischen uns ist nichts passiert." Manuel schnaubte verächtlich. „Klar." Ich wollte ihn berühren und beteuern, dass ich die Wahrheit sagte, aber er schüttelte mich ab und hörte mir nicht zu. Manu erhob sich und steuerte auf die Tür zu. „Was ein Déjà vu", murmelte ich traurig. Das war es doch! Das war mein Argument! „Letztes Mal war es auch anders, als du dachtest!", rief ich ihm zu. Er blieb stehen, drehte sich um und durchbohrte mich mit seinem Blick. „Nein. Alles ist anders." Er stellte sich direkt vor mich. „Du hast keine Ahnung, wie unwichtig mir meine geheime Identität als GermanLetsPlay im Gegensatz zu dir ist." Nun war er mit seinem Gesicht noch näher an meinem. Für einen Moment dachte ich, es wäre alles wieder gut und vergessen. Doch dann entfernte er sich wieder von mir, ging aus dem Hotelzimmer und öffnete die Tür. „Und, bevor ich es vergesse..." Hoffnung kam in mir auf. „es ist aus zwischen uns", beendete er seinen Satz und schloss die Tür mit einem lauten Knall.

Es klopfte an der Tür. „Wer ist da?", grummelte ich mürrisch, schnappte mir ein Kissen und drückte es fest an mich. „Ich bin's", sagte meine Mutter. „Kann ich reinkommen?" Ich hatte keine Lust mit ihr zu reden. Ich wollte generell mit niemandem mehr sprechen, seit Manuel unserer Beziehung ein Ende gesetzt hatte. Total unbegründet, wie ich fand. „Nein!", blaffte ich sie an. „Hör mir zu...", versuchte meine Mutter mich zu besänftigen. Arrg, wie mich dieser Satz aufregte! Immer sollte ich jeden verstehen und ihm zuhören. Aber wer hörte mir zu? Nicht mal Manuel! Kochend vor Wut pfefferte ich das Kissen in eine Ecke meines Zimmers. Mein Blick wanderte einmal durch das Zimmer und fiel zuletzt auf meinen Nachttisch neben dem Bett. Auf ihm lag die Kette, die Manuel mir geschenkt hatte. War ja super gelaufen, unsere Beziehung. So schön die Kette auch sein mochte- ich wollte sie nicht mehr ansehen. Mittlerweile hatte meine Mutter Zoe als Verstärkung geholt. „Miriam? Ich kann doch bestimmt noch rein, oder?" Hörte ich da tatsächlich etwas Besorgtes in ihrer Stimme? Gut möglich, sie hatte mich wahrscheinlich noch nie so wütend und verletzt zugleich gesehen. Langsam ging ich zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit, damit meine kleine Schwester durchschlüpfen konnte. „Ich weiß was dich jetzt aufmuntert", verkündete sich selbstsicher und winkte mit dem Handy in ihrer Hand. Zusammen machten wir es uns auf dem Bett gemütlich und ich sah, wie Zoe etwas in YouTube eingab. „Was suchst du da?", fragte ich sie gelangweilt. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht antwortete sie mir. „Es gibt für jemanden wie dich, mit mieser Stimmung nichts Besseres als ein paar lustige Videos von GermanLetsPlay!" Ich schlug ihr das Handy aus der Hand und sprang auf. Zoe starrte mich verdattert an. „Lass das! Ich will diesen Namen nie wieder hören!", schrie ich wutentbrannt. Zoe verstand gar nichts mehr. „Warum hast du auf einmal etwas gegen ihn? Ich dachte, du hast momentan nur Liebeskummer wegen... Manuel." Ich musste sie nicht ansehen um zu wissen, dass sie nun alles kapiert hatte. Aber das war mir so was von egal. „Das ist krass", flüsterte sie leise. Ich zeigte keine Reaktion, also verschwand Zoe aus meinem Zimmer. Just in dem Moment klingelte mein Handy. Was, wenn es Manuel war, der mich da anrief? Sollte ich rangehen? Eigentlich wollte ich ihn grade nur vergessen. Deshalb wollte ich schon den Anruf abdrücken, als ich bemerkte, dass auf dem Display gar nicht Manuels Name stand. Taddl rief an. „Hi", begrüßte ich ihn lustlos. „Hey Miri!" Im Gegensatz zu mir strotzte er nur so voller Energie und Freude. „Hast du Lust was zu unternehmen?" Bei dem Satz spürte ich ein Stechen in meiner Brust. Früher war es immer Manu gewesen, der mich das gefragt hatte. „Ich weiß nicht, mir geht es nicht so gut", meinte ich ausweichend. „Bist du krank?", erkundigte er sich. Mhm. Konnte man Liebeskummer als eine Krankheit bezeichnen? Ich überlegte. „Oder hast du Probleme?", fügte Taddl noch hinzu, als ich stumm blieb. „Ist egal", antwortete ich ihm. „Also ja, wir können was machen. Wohin gehen wir?" Etwas Ablenkung würde mir jetzt guttun, hatte ich beschlossen. „Ich dachte vielleicht an den Park oder so." Ausgerechnet der Park. Aber draußen war auch schönes Wetter, vermutlich würde es mir in meinem Zimmer sowieso zu warm werden. Ich stimmte zu und wir verabredeten uns dort. Schnell zog ich mir etwas Besseres an und schminkte mich noch ein bisschen, denn es musste ja nicht jeder wissen, dass ich geweint hatte. Im Türrahmen stoppte ich aber dann. Da gab es eine Sache, die ich noch gerne erledigen würde. Die Kette mit dem Herzanhänger griff ich vom Nachttisch, steckte sie ein und verließ dann mein Haus.

Ichradelte extra mit meinem Fahrrad und etwas zu früh zum Park, um noch vorThaddeus da zu sein. Der Wind spielte mit meinen Haaren und ich trat kräftig indie Pedale, weshalb es nicht lange dauerte, bis das Gemeinschaftsgrundstück inSicht war. Ich stellte mein Fahrrad ab und steuerte dann zielstrebig auf diesteinerne Brücke zu. Von der Brücke aus schaute ich ins Wasser. Es war ziemlichklar, also spiegelte ich mich darin. Langsam holte ich aus meiner Tasche dieKette. Noch einmal betrachtete ich sie, dann warf ich sie ins Wasser. Ichdrehte mich um und erschrak ziemlich, denn vor mir stand Taddl. „Was war dasgerade?", fragte er und deutete von mir zum Wasser. „War nur etwas, das icherledigen musste." „Schade, die Kette war ziemlich hübsch." Ich zuckte mit denSchultern und wendete meinen Blick von ihm ab. „Kann sein." Er hatte wohl genugvon meinen belanglosen Antworten und forderte mich auf, endlich Klartext zureden. Ich lehnte mich am Gelände an und fing an, zu erzählen. „Mein Freund hatmit mir Schluss gemacht. Er hat uns am Abend im Club ja gesehen, er war diePerson am Ausgang, die man nicht wirklich erkennen konnte. Jetzt denkt er, daläuft was zwischen mir und dir und vertraut mir nicht mehr, deshalb..." „Zwischenmir und dir?", hakte Taddl nach. Ich nickte. Der große, blonde Junge rückteetwas näher zu mir. „Und was, wenn er damit gar nicht mal so falsch liegt?"

Ein Urlaub ohne MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt