Kapitel 3

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Missgelaunt setzte ich mich auf einen Campingstuhl am Frühstückstisch und griff mir ein Brötchen. Nach dem gestrigen Marktbesuch schmerzten meine Füße und ich musste immer wieder an meine Blamage denken. Zugegebenermaßen wanderten meine Gedanken auch öfters zu Manuel. Ob er auch an mich dachte? Oder hatte er mich schon längst wieder vergessen? Schließlich war ich nur ein normales Mädchen, sah nicht überdurchschnittlich gut aus und hatte auch keine besondere Begabung, von dem Singen mal abgesehen. Und Manuel hatte mich auch noch nie gehört, als ich ein Lied gesungen hatte. Er könnte höchstens noch meinen YouTube Kanal kennen, aber die Wahrscheinlichkeit liegt bei etwa eins bis eine Million... Ach, was interessierte mich das eigentlich? Ich kannte den Jungen nicht, ich wusste nur seinen Namen und ich hatte die Zusatzinformation, dass er eine Golden Retriever Hündin besaß, die Luna hieß. Aber du findest ihn trotzdem gut, flüsterte eine Stimme in mir. Ich versuchte die Stimme zu ignorieren, aber sie war sehr hartnäckig. Du weißt, dass ich recht habe, meinte sie. Mit aller Kraft dachte ich: Halt die Klappe! Danach war mein Unterbewusstsein still, doch dieses seltsame Gefühl blieb.

Der einzige Lichtblick um diese Uhrzeit war mein Handy. Es zeigte mir an, dass ich zwei Nachrichten von Sophie bekommen hatte! Anscheinend hatte Sophie sie gestern Abend geschickt. Es war ein Video und darunter stand: Es tut mir so leid, Süße! Du weißt, ich bin immer für dich da, rufe mich an, wenn du mich brauchst! HDGDL, Sophie <3 Ich runzelte die Stirn. Wovon sprach sie und wofür teilte sie mir ihr Beileid mit? Ich klickte auf das Video und verstand. Der Clip war gerade mal fünf Sekunden lang und laut der Hintergrundmusik und der Beleuchtung, war er auf Janas Party gedreht worden, die gestern stattgefunden hatte. Auch Jana selbst war ganz vorne zu sehen. Aber sie war nicht alleine. Neben ihr stand Ben. Ich hatte keine Zeit, mich zu fragen, warum er auf ihrer Party gewesen war. Denn schon im nächsten Moment griff Ben Jana an der Taille, zog sie zu sich heran und küsste sie. Jana legte ihre Hände um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Während sich meine Augen mit Tränen füllten, spürte ich, wie die Wut in mir hochstieg. Einige Minuten tat ich wirklich gar nichts, starrte nur fassungslos auf mein Handy. Ben hatte mich betrogen. Wahrscheinlich würde er, wenn ich ihn fragen würde, verleugnen, auf Janas Party gewesen zu sein. Doch das Schlimmste war: Schon manchmal hatte ich Ben und Jana beim Flirten erwischt. Ben hatte alles abgestritten und gemeint, es hätte nur so ausgesehen. Und ich war so naiv und hatte ihm geglaubt! Aber jetzt würde das endgültig aufhören! Ich schickte Ben eine SMS, was Besseres hatte er sowieso nicht verdient. Du bist das Allerletzte! Wahrscheinlich hattest du die ganze Zeit noch etwas mit Jana am Laufen! Es reicht mir! Es ist aus zwischen uns! Aber weißt du was, ich hasse dich nicht dafür. Denn Hass ist ein Gefühl und Gefühle bist du nicht wert! Tränenverschleiert las ich alles nochmal durch und schickte es ab. Auf einmal konzentrierte sich all mein Ärger auf diesen Urlaub. Wenn ich nicht hier, sondern auf Janas Feier gewesen wäre, hätte Ben mich dann betrogen? Bestimmt nicht! Dann hätte ich Jana ins Gesicht gesagt, dass sie die Finger von meinem Freund lassen sollte! Wütend stand ich auf und marschierte in das Zimmer meiner Eltern. „Warum musstet ihr mich überhaupt mit auf diesen blöden Urlaub nehmen? Er hat alles zerstört, alles!", schrie ich. „Ich bin erwachsen, kapiert? Ich brauche diesen Familienurlaub nicht!" Ich war überrascht von mir. So einen Wutausbruch zu bekommen war gar nicht meine Art. Vermutlich würden meine Mutter und mein Vater mich auch anbrüllen. Aber ich irrte mich. Stattdessen sagte meine Mutter sanft zu mir: „Miriam, es tut mir leid. Ja, vielleicht bist du echt schon zu alt für unseren gemeinsamen Familienurlaub." „Wir werden gleich mit Zoe in die Stadt gehen, dann hast du für den Rest des Tages auch Zeit zum Ausruhen", meinte mein Vater. „Da ist noch etwas, das dich bedrückt, nicht wahr? Möchtest du darüber reden?" „Danke", sagte ich. „Ja, ich möchte aber momentan nicht darüber reden. Vielleicht später." Meine Mutter nickte verständnisvoll. „Gut, dann werden wir jetzt gehen."

Nachdem alle weg waren, hatte ich mir zur Beruhigung ein Eis gekauft. Irgendwie spendete das Eis mir in dem Moment ein wenig Trost, was sicherlich auch daran lag, dass es sehr lecker war. Doch dann stürzten meine Gefühle wieder auf mich ein. Das Letzte, was ich wollte, war, einfach auf der Stelle loszuheulen. Deswegen verschanzte ich mich in die Mädchentoilette, die fast direkt neben der kleinen Eisdiele stand. Ich kam mir echt wie in einem Film vor, als ich mit angezogenen Beinen auf dem Klodeckel hockte und mir die Seele aus dem Leib weinte. Zwischendurch musste ich laut schniefen, nur um dann noch weiter zu weinen. Von der Außenwelt bekam ich so nichts mit und erstarrte deshalb, als ich ein Klopfen an der Kabinentür vernahm. Ich hielt den Atem an und hoffte, die Person würde verschwinden. „Ich weiß, dass du da drin bist. Du weinst schon die ganze Zeit, kann ich dir irgendwie helfen?", fragte eine Frau freundlich. Ich gab es auf, so zu tun, als würde ich nicht existieren und machte die Tür auf. Eventuell würde es mir guttun, mit jemandem über meine Probleme zu reden. Die Frau vor mir sah mit ihrem offenen Lächeln recht sympathisch aus und bot mir gleich ein Taschentuch an. Als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, fing sie an zu reden. „Mein Name ist Dani Büttinger, gehörst du nicht zu Familie Steinfeld?" Ich nickte. „Ich bin Miriam", stellte ich mich vor. „Dir geht es nicht so prickelnd, nicht wahr?" Ich nickte zum zweiten Mal und antwortete dann: „Ich habe mich heute von meinem Freund getrennt." „Das tut mir sehr leid." Ich lächelte schief. „Er ist es nicht wert." „Unternimmst du heute noch etwas mit deiner Familie?", fragte Dani mich. „Nein, sie sind in die Stadt gegangen und ich glaube, von meinen Eltern und vor allem von Zoe kann ich eine Pause ganz gut gebrauchen", gab ich zu. „Hast du vielleicht Lust, mit uns eine Runde Minigolf zu spielen?" „Ähm, wer würde denn noch mitspielen?", erkundigte ich mich. „Nur noch mein Mann Peter und Manuel." Als diesen Namen hörte, fing mein Herz unweigerlich an zu klopfen. Ohne zu zögern sagte ich: „Ich bin dabei!"

BeiPeter und Manuel stellte ich mich auch gleich vor, dann liehen wir uns an derEisdiele ein paar Minigolfschläger aus und liefen zum Minigolfplatz. Als wirmit dem Spiel anfingen, redeten wir noch nicht so viel, doch bald waren wir inein Gespräch verwickelt. Die drei waren echt super nett! Außerdem blickte ichimmer wieder verstohlen zu Manuel. Das Minigolfspiel war zuerst noch sehrausgeglichen, doch als es sich dem Ende näherte, wurde es spannender und manfreute sich noch mehr über jeden Punkt. Letztendlich gewann Manuel mit einemHole-in-one. Jeder, insbesondere ich, freute sich für ihn und Manuel, den alle(ich mittlerweile auch) nur Manu nannten, meinte daraufhin: „Easy!" Mit einerleicht verstellten Stimme meinte Manuel dann noch „Ich bin einfach der Beste!"und sprach das „Beste" dabei auf eine leicht komische, aber sehr lustige Artaus. Seltsamerweise kam mir das so vertraut vor! Alle lachten, nur Manuel sahso aus, als hätte er sich am Liebsten auf die Zunge gebissen.

Ein Urlaub ohne MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt