Epilog

633 60 45
                                    

Autumn

"Irgendwie fühlt es sich jedes Mal so an, als würde man nach Hause kommen", murmelte Ardy, als er vor mir auf die Lichtung trat. Die Oberfläche des Sees war von winzigen Wellen geprägt, die der Wind vor sich her trieb und erst mit dem Erreichen des Ufers von ihnen abließ. Der Himmel war wolkenverhangen und es war kühl, aber immerhin endlich ein Herbsttag ohne Regen, ganz im Gegensatz zu den vergangenen Wochen. "Findest du nicht?", wandte der Kleinere sich nun explizit an mich, weshalb ich verwirrt blinzelte und ihm in die Augen sah. "Weißt du", setzte ich an und legte eine kurze Pause ein, in der ich mir die nächsten Worte zurechtlegte, "überall wo du bist, fühle ich mich Zuhause." Der Braunhaarige lächelte mich sanft an und strich mir zärtlich über die Wange. "Ich hab' mein Zuhause auch immer bei mir", flüsterte er und ich schmiegte mich an seine raue Handfläche. Kurz verharrten wir so, dann ließ er seinen Arm sinken und verflocht seine Finger mit meinen. "Der Stein ist hundertprozentig nass", behauptete Ardy überzeugt, als wir Hand in Hand durch das nasse Gras liefen und uns unserem üblichen Sitzplatz näherten. Der Braunhaarige sollte Recht behalten und kurzerhand zog ich mir meine Jacke aus und breitete sie notdürftig auf dem Stein aus. Der Kleinere beobachtete mich dabei prüfend und aus den Augenwinkeln sah ich, wie er lächeln den Kopf schüttelte. "Du bist unmöglich", murmelte er und setzte sich neben mich auf den nun gepolsterten und trockenen Fels. Der Pulli, den ich trug, wehrte zwar den größten Teil der herrschen Kälte ab, jedoch konnte er nichts gegen das Aufkommen der Gänsehaut ausrichten, die sich auf meinen Armen und Beinen ausbreitete. Als hätte er mein Frösteln durch den Stoff meiner Kleidung hindurch bemerkt, schlüpfte Ardy nun ebenfalls aus seiner Jacke und legte sie mir um die Schultern. Er kuschelte sich an mich und ich war dankbar für die Wärme, die von dem Jungen ausging. "Sag' aber sofort, wenn dir kalt wird, okay?", bestand ich auf sein Wohlergehen und er atmete nur laut aus, was ich sogar durch den Pulli hindurch auf meiner Haut spürte. "Weißt du noch, als wir das erste Mal zusammen hier waren?", nuschelte der Braunhaarige plötzlich gegen meinen von dickem Stoff bedeckten Bauch. "Wie könnte ich das vergessen?", gab ich ihm zur Antwort und einen Moment sagte niemand etwas. "Glaubst du, dass die Enten jetzt schon in den Süden geflogen sind?", wollte Ardy wissen und ich überlegte kurz. "Ich glaub' schon. Kalt genug ist es auf jeden Fall", erwiderte ich dann und der Ältere nickte langsam. "Zusammen?"
"Ich weiß es nicht", antwortete ich ehrlich, während ich meine Arme fester um Ardy legte. "Ich meine...warum sollten sie für immer zusammen bleiben? Es gibt Millionen, wenn nicht sogar Milliarden, von Enten da draußen. Und für uns sehen sie alle gleich aus. Wie sollen zwei denn da erkennen, dass ihr Gegenüber die Liebe ihres Lebens ist?", dachte der Kleinere laut nach und für mehrere Minuten herrschte komplette Stille, wenn man vom Rauschen der Blätter, die im Wind tanzten, absah. In meinem Kopf wimmelte es von Antworten, die irgendwie über meine Lippen kommen wollten, aber ich fand keine richtige Formulierung. Mehrmals öffnete ich den Mund, schloss ihn jedoch wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Dann endlich, schien es mir, als hätte ich die passenden Worte gefunden. Ich räusperte mich leise und gewann somit Ardys Aufmerksamkeit, derer ich mir zuvor nicht sicher gewesen war, da der Blick des Braunhaarigen in die Ferne abgeschweift war und dort irgendetwas zu sehen schien, das mir verborgen blieb.

"Ich kann es dir nicht genau sagen, Ardy. Ich würde zwar gerne, aber ich kann nicht. Aber es gibt einige Dinge, die ich weiß und die ich dir gerne sagen will, nein, die ich dir sagen muss. Du bist nur ein Mensch, einer von Milliarden auf diesem Planeten. Und in gewisser Weise siehst du auch aus wie alle anderen Menschen, die auf der Erde leben. Aber du bist trotzdem etwas Besonderes. Als du mir Gegenüber standest, wusste ich, dass ich mit dir den Rest meines Lebens verbringen will. Falls es so etwas wie ein Leben nach dem Tod geben sollte, hätte ich nichts dagegen, auch das mit dir zu genießen. Und wenn es so etwas wie Wiedergeburt gibt, dann flehe ich auf meinen Knien, dass ich keines einzelne dieser Leben ohne dich fristen muss. Ohne dich würde ein Leben nämlich sowieso keinen Sinn für mich machen, ganz egal, ob es das erste, fünfte oder hundertste ist. Ich würde keines dieser Leben ohne dich aushalten.

Wenn ich dein Lachen nicht hören kann, will ich taub sein, weil kein Geräusch je so schön sein wird.
Wenn ich nicht mehr in deine Augen schauen kann, will ich nie wieder Farben sehen, weil keine je die deiner Augen an Schönheit übertreffen kann.
Könnte ich dich nicht mehr anfassen, würde ich nie wieder meine Hände benutzen, aus Angst, das Gefühl deiner Haut auf meiner würde verblassen.
Wenn ich nie wieder deinen Geruch einatmen dürfte, würde ich ihn in einem Glas einfangen und für immer aufbewahren, um mich daran zu erinnern, wann immer ich es brauche.
Und wenn das hier unser letzter Kuss wäre, würde ich mich nie wieder wagen, etwas zu essen oder zu reden, damit ich für immer deinen Geschmack auf den Lippen behalten kann. Und dieses Kribbeln, dass dort bleibt, wenn wir uns küssen, wenn du mich berührst.

Ich will dir nur sagen, dass ich mir kein Leben ohne dich vorstellen kann. Dass ich gar kein Leben ohne dich will. Denn du bist alles, was ich will, alles was ich brauche. Ich liebe dich, Ardy. Und alles, was das mit sich bringt. Alles an dir ist in meinen Augen perfekt, egal ob du selbst manches nicht magst. Und ich würde mich jederzeit wieder in dich verlieben wollen,  auch, wenn es Schwierigkeiten bereitet. Das Gefühlschaos in mir müsste ich eigentlich hassen, aber ich tue es nicht. Weil es wegen dir ist.
Ich liebe dich, Ardy. Und ich würde es am liebsten von den Hausdächern schreien, so dass es alle hören. Aber dann erinnere mich daran, dass das einzig Wichtige ist, dass du weißt, wie ich für dich fühle.
Und ich bin so verdammt froh, dass du genauso fühlst, weil ich sonst zusammen brechen würde. Weil ich es nicht ertragen könnte, ohne dich zu leben.
Aber ich will dich glücklich sehen. Und wenn irgendwann der Tag kommen sollte, an dem ich nicht mehr derjenige bin, der dich glücklich machen kann, dann werde ich das akzeptieren müssen.
Aber ich werde alles tun, um zu verhindern, dass so etwas jemals passiert, das kannst du mir glauben."

Meine Stimme brach. Ich sah in die Augen des Braunhaarigen, war wie gefesselt von der einzigartigen Mischung der Grün- und Brauntöne. Obwohl mir noch so vieles im Kopf herum schwirrte, brachte ich kein weiteres Wort mehr über die Lippen.
Schweigend hielten wir den Augenkontakt. Auf Ardys Stirn hatte sich eine winzige Falte gebildet, die deutlich zeigte, dass er über das Gesagte nachdachte.
"Ich kann dir zwar nichts versprechen", flüsterte er in die Stille hinein, "aber ich kann dir nur sagen, dass ich genau so fühle wie du. Ein Leben ohne dich ist nicht lebenswert." Ardy lächelte.
"Wir bleiben für immer zusammen", er hielt seine Hand in die Höhe, den kleinen Finger spreizte er ab.
"Für immer glücklich", entgegnete ich und verhakte meinen kleinen Finger mit seinem.
"Versprochen?"
"Ehrenwort."

[1229 Wörter]

That's it.
Ich bedanke mich für alle Reads, Votes und Comments.
Obwohl ich aufgrund mangelnder Motivation das Ende vorziehen musste, bin ich relativ glücklich mit dem Verlauf der Story.
Ich hoffe, euch hat es auch gefallen.

Danke für den bisherigen Support. Und ich freue mich auf eure Unterstützung in der Zukunft.

Man hört und stört sich,
-Ra

saturday morning - [tardy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt