DREIZEHN

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William war früher immer ruhig gewesen, nachdenklich. Er war immer eher der Stille. Derjenige, der unbemerkt alles mitbekam. Derjenige, der immer lächelte. In diese Dinge habe ich mich verliebt. In diese Dinge bin ich verliebt. Wahrscheinlich, weil ich ganz ähnlich bin. Holly war immer die aufgedreht, die alles wusste und jeden kannte. Ich hingegen, war eher schüchtern. Bin eher schüchtern. Als ich dann William kennengelernt habe, war ich plötzlich anders drauf. Ich hätte stundenlang mit ihm reden können. Hätte man uns zusammen gesehen, was natürlich schrecklich gewesen wäre, aber mal abgesehen davon, hätte man uns im Leben nicht geglaubt, dass wir eigentlich eher die ruhigeren sind.

Und jetzt, wenn ich so sein Haus betrachte, kommt es mir so vor, als wäre ich schon ein Mal hier gewesen. Seine gesamte Einrichtung passt zu ihm. Alles ist in schönen Brauntönen gehalten und mit Pflanzen dekoriert. Ich habe das Gefühl, das Haus zu kennen, weil ich ihn kenne.

„Hast du das alleine eingerichtet?" Wir stehen im Eingangsbereich oder auch Wohnzimmer. Das große dunkelbraune Sofa ist das Herzstück des Raumes. Er wirft seine Jacke auf die Couch und sieht mich an. „So schlimm?" Er verzieht sein Gesicht, grinst aber dann wieder, weil er weiß, dass es mir gefällt. Ich lache. „Das alles passt so perfekt hier her", sage ich und schaue mich weiter um. Eine offene Tür links führt zur Küche. Und weiter hinten geht eine Treppe nach oben.
Ich ziehe meine Jacke aus und Will nimmt sie mir ab. Er nimmt seine ebenfalls von dem Sofa und hängt sie an die Garderobe. Ich bedanke mich und er fragt, ob er mir das restliche Haus zeigen soll.

Das Haus ist etwas kleiner, als unser Haus in Winnington. Neben den üblichen Zimmern hat er noch ein Gästezimmer und ein Büro. Welches, wie er behauptet, aber nicht benutze. Wir laden meine Sachen aus und stellen sie ins Gästezimmer. Wir leben jetzt zwar zusammen und wir kennen uns auch schon etwas länger, aber unsere momentan Beziehung ist der früheren nicht gleich. Damals dachten wir, dass wir uns nie wieder sehen würden und haben alles nicht so ernst genommen. Jetzt hat es sich aber geändert und es ist ernst geworden. Ich hoffe nur, dass sich Williams Gefühle nicht geändert haben.

In Hotels konnte ich immer gut schlafen. Auch als ich bei Holly übernachtet hatte, fiel ich nach langem Gerede und Lachen immer in einen tiefen Schlaf. Aber aus irgendeinem Grund will mein Kopf keine Ruhe geben. Ich bin hellwach und starre die Decke an. Es ist dunkel und ich kann kaum meine eigenen Hände vor meinen Augen sehen. Was ist, wenn Will wirklich nichts mehr für mich empfindet? Wenn er das alles hier als gezwungen sieht und nur so tut als ob? Ich drehe mich auf de Seite und mache mein SmartPad an. 02:46 Uhr. Ich seufze und drehe mich wieder zurück. "Heute" Nachmittag fahre ich nach Winnington um alles abzuklären. William wird mich begleiten, er hat sich für ein paar Tage frei genommen. Er wird meine Eltern kennenlernen. Wir werden die Wohnsituation klären. Ich werde mir ein E-Drive besorgen müssen. Ich muss Unterlagen abgeben. Ich drehe mich auf den Bauch und stöhne in mein Kissen. Ich will wieder zur Schule gehen, keine Verpflichtung haben. In meinem Bett sein. Am Wochenende gar nichts tun. Aber ich will auch bei Will sein. Aber will Will auch bei mir sein? Ich ziehe mir die Decke über meinen Kopf.
Ich will Kuchen.

Um 7 Uhr werde ich wach. Mein Wecker klingelt. Nein, mein Wecker klingelt nicht. Ich friere. Meine verdammte Decke ist weg.
„Aufstehen!" Habe ich gestern gedachte, ich will bei Will bleiben? Ha, ich will meine Decke! Und dieser Idiot hat sie. Dieses Weckritual muss dringen bearbeitet werden. „Gib mir die Decke", nuschele ich in mein Kissen. „Erst, wenn du aufstehst", ich höre wie er die Decke faltet.
„Wenn ich aufstehe, brauche ich aber die Decke nicht mehr" Ich warte auf eine Antwort, doch ich bekomme keine. Ich erhebe mich und sehe mich um. Will ist weg. Die Decke liegt auf dem Sessel neben der Tür. Ich komme nicht an sie ran, ohne aufzustehen. Dieser Mistkerl.

Nachdem ich mich angezogen habe und meine Haare in einen Knoten gezwungen habe, gehe ich die Treppe nach unten in die Küche.
Ein weiterer Punkt, den ich an William liebe: Er kann kochen und backen. Weshalb ich mich auch nicht wundere, dass das ganze Haus nach Pfannkuchen riecht.
„Wenn das deine Entschuldigung für eben ist, nehme ich sie an", ich komme in die Küche, als Will gerade die Pfannkuchen auf den kleinen Tisch stellt. Er lacht nur und setzt sich mir gegenüber.
Wir beginnen zu essen und ich versuche ihn auf meine Familie vorzubereiten.
„Ich habe meiner Mutter erst gestern Abend geschrieben, dass wir heute kommen, damit sie bloß nicht zu viel vorbereitet. Was das angeht, ist sie echt verrückt. Für Gäste muss alles perfekt sein und jedes Möbelstück muss sauber sein. Ich weiß zwar nicht, wie sie das neben ihrem Job immer hinbekommt, aber man sollte sie nicht unterschätzen."
„Bei meinem Vater ist das genau so. Das ist eigentlich eine schlaue Strategie. Wenn wir ihn besuchen, sage ich ihm auch erst eine halbe Stunde vorher Bescheid."
Bei dem Gedanken daran, seinen Vater kennenzulernen werde ich nervös. Wir haben noch nie wirklich viel über unsere Familien geredet und ich habe keine Ahnung, wie sein Vater ist.
„Keine Sorge, mein Vater wird dich mögen", Als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich sehe ihn an und lächle.
„Und wie ist dein Bruder so?", er versucht das Thema zu wechseln, wofür ich ihm dankbar bin. „Nervig. Er redet nur von seinem Computerspiel. Alles andere spielt keine Rolle", ich lege mein Besteck auf den Teller, als ich fertig bin und bedanke mich für das Essen. „Immer wieder gerne. Das heißt, solange ich nicht weiß worum es in dem Spiel geht, bin ich für deinen Bruder ein Nichts...?", er sagt es im Spaß, aber er hat ja keine Ahnung, wie ernst Carlos dieses Thema ist. „Ich wünschte, du lägest falsch, aber er ist besessen von diesem Spiel", Will beendet sein Frühstück und wir legen unsere Teller in den Spüler.
Wenige Sekunden später kommt das Geschirr sauber aus dem kleinen silbernen Kasten.
Fragt mich nicht, wie das so schnell geht.

Gegen 15 Uhr sitzen wir dann in meinem E-Drive. Ich lege den Chip ein und die vertraute Roboterstimme begrüßt mich. Ich gebe mein Ziel ein und die Ankunftszeit wird berechnet.
Will starrt auf das Display. „Ich hatte total vergessen, wie weit Winnington ist. Als wir hierher gezogen sind, habe ich gar nichts richtig mitbekommen", er fährt sich durch seine Haare.
„Ich habe auf dem Hinweg geschlafen, also...", erkläre ich amüsiert. Will grinst. Er greift nach links und mit einem sanften zischen fährt seine Lehne nach unten. Er verschränkt die Arme hinter seinem Kopf, wodurch sein roter Pullover ein kleinen Streifen seines Bauch entblößt. Natürlich habe ich nicht hingestarrt. Nein...
Er lächelt entspannt und sieht dann fragend zu mir rüber. Ich werde rot und starre dann den Wagen.
„Weck mich, wenn wir da sind", er zwinkert und schließt die Augen. Ich lache und sehe ihn an. Nachdem ich heute Nacht nur ein paar Stunden richtig geschlafen habe klingt ein "bisschen" Schlafen gar nicht schlecht. Ich fahre meinen Sitz ebenfalls nach unten und drehe mich dann auf die Seite.
Wills Atmung geht gleichmäßig, aber ich weiß, dass er nicht schläft, denn einen Augenblick später öffnet er die Augen und lächelt mir zu. Dieses verdammt schöne Lächeln.

Find Him - Looking for Will (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt